Das Berliner Colloquium der BAKS und der Clausewitz-Gesellschaft befasste sich 2018 mit den politischen Optionen auf der koreanischen Halbinsel im Kräftefeld globaler Machtinteressen.
Die Raketen- und Nukleartests Nordkoreas und der sich zuspitzende Krieg der Worte zwischen dem US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump und dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-Un haben in den letzten Monaten die Furcht vor einem gefährlichen Konflikt genährt, der ein hohes Risiko zur nuklearen Eskalation in sich birgt. Ein Kräftefeld regionaler und globaler Machtinteressen trägt zur Unvorhersehbarkeit dieses Konfliktes bei.
Auftakt des Colloquiums vom 21. bis 23. März bildete eine Ausleuchtung dieser verschiedenen globalen Machtinteressen vor Ort. Es wurde ersichtlich, dass der Nordkoreakonflikt durch das Ringen zwischen China, Russland und den USA um die Machtverteilung im asiatisch-pazifischen Raum überlagert wird. Zum einen ist da die Volksrepublik: Dr. May-Britt Stumbaum von der Freien Universität Berlin beschrieb die Einstellung Chinas zum Nordkoreakonflikt als ambivalent. Peking habe „kein Interesse an einem Nuklearkorea, aber noch weniger an einem Kollaps des Regimes“, da in diesem Fall Flüchtlingsströme China überschwemmen würden. Einen ähnlichen Ton traf Walter Klitz von der Friedrich-Naumann-Stiftung, der keine ideologische Nähe Chinas, sondern wirtschaftliche Motive als Grund für die bisweilen schützende Hand über Nordkorea ausmachte. Mit Blick auf Russland hielt Dr. Margarete Klein von der Stiftung Wissenschaft und Politik wiederum die Möglichkeit eines Wechsels zu einer Vermittlerrolle im asiatisch-pazifischen Raum für denkbar, was Moskau einen Prestigeerfolg versprechen würde.
Japan im "Allianzdilemma"
Besonders deutlich zeigen sich die bedrohlichen Auswirkungen des Nuklearkonflikts in Japan: An Stelle der bislang äußerst zurückhaltenden Selbstverteidigungspolitik des Inselstaats tritt eine Neupositionierung hin zu deutlich erweiterten Verteidigungsfähigkeiten. Professorin Dr. Verena Blechinger-Talcott von der Freien Universität Berlin sprach in diesem Zusammenhang von einem „Allianzdilemma“: Verließe sich der Inselstaat stärker auf die USA als Schutzmacht, bestünde die Gefahr durch den großen Partner in sicherheitspolitischen Fragen bevormundet zu werden. Andererseits berge mehr Eigenständigkeit die Gefahr, dass sich Washington aus der Verantwortung zurückziehe. Diese Frage spalte die japanische Gesellschaft derzeit mehr, als es die klassischen Links-Rechts-Differenzen im poltischen Spektrum bislang getan hätten.
Das Bündnis zwischen Südkorea und den USA hingegen sei eigentlich "die stärkste Allianz der Welt", sagte Divisionär Urs Gerber, ehemaliger Schweizer Delegationschef der Neutral Nations Supervisory Commision in Korea. Diese Unerschütterlichkeit sei jedoch durch Trumps Drohungen, "Nordkorea zu vernichten", in Frage gestellt worden, und derzeit fürchteten viele Südkoreaner einen Präventivschlag der USA gegen die Raketen- und Atomanlagen Nordkoreas.
Diplomatische Lösung unersetzlich
„Kann nukleare Abschreckung der Asien-Pazifik-Region funktionieren?“ Diese Frage bildete den Schwerpunkt des Colloqiums. Unter den Diskussionsteilnehmern herrschte Konsens, dass die Bereitschaft Nordkoreas, nuklear vorzugehen, nicht zu unterschätzen sei und dieser Bedrohung begegnet werden müsse. Dr. Oliver Thränert vom Center for Security Studies der ETH Zürich sprach allerdings auch von „Nuklearen Verkettungen im asiatischen Raum“: Sollten die USA ihr Raketenabwehrsystem in der Region ausbauen, würden auch China, Indien und Pakistan ihre bisherige nukleare Zurückhaltung aufgeben und aufrüsten. Es bedürfe daher einer internationalen Zusammenarbeit der Rüstungskontrolle, um die Situation nicht eskalieren zu lassen. Noch warnendere Worte fand Matthias Naß von der ZEIT: „Man muss die Weiterverbreitung von Atomwaffen stoppen. Wir nähern uns dem nuklearen Dschungel“. Die USA müssten in dem Konflikt in jedem Fall auf eine diplomatische Lösung setzen. „Bei einer Auseinandersetzung zweier Atommächte wäre die militärische Lösung so verheerend wie zuletzt im Zweiten Weltkrieg.“
Bundeswehr auf dem richtigen Weg
Zum Abschluss gab Vizeadmiral Joachim Rühle, der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Einblick in die aktuelle Lage der Bundeswehr in einem sich dynamisch verändernden sicherheitspolitischen Umfeld. Sein Grundton war dabei durchaus positiv: „Die Bundeswehr ist nach langen Jahren wieder auf dem richtigen Weg". Sie verfüge zwar über „hohle Strukturen, die gefüllt werden müssen“, man müsse aber hierbei aber nicht von Null anfangen, sondern könne auf das bereits vorhandene Gerüst aufbauen.
Autoren: Julia Schuster und Jan-Philipp Kardel