Die Verteidigungsindustrie: Grundpfeiler der Verteidigung Europas, nicht existenzfähig in einem
begrenzten Markt
Die Frage von Waffenexporten wird in Deutschland oft als vor allem innenpolitisches Thema behandelt, dabei hat sie schwerwiegende Folgen für unsere bilaterale Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich und für die Stärkung der europäischen Souveränität. Über den Aufbau eines Europa der Verteidigung und die Stärkung der Streitkräfte der Europäer herrscht in Deutschland weitgehend Konsens. Viele sehen zudem die Notwendigkeit für die Europäer, über eine größere Autonomie zu verfügen, d.h. mehr Verantwortung innerhalb der transatlantischen Beziehungen zu übernehmen und weniger abhängig von der Unterstützung der Vereinigten Staaten zu werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mehrmals darauf verwiesen: „die Zeiten, in denen wir uns völlig auf andere verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei“.
Ohne industrielle und technologische Verteidigungsbasis, das heißt eine Industrie, die in der Lage ist, die für uns erforderlichen Kapazitäten selbst zu produzieren, sind wir weiterhin bei unseren kapazitären Entscheidungen und dem Einsatz unserer Streitkräfte, das heißt bei unseren politischen Entscheidungen, von Akteuren außerhalb Europas abhängig. Notwendige Ausrüstung zu vertretbaren Kosten für unsere Streitkräfte bereitstellen zu können, hängt ebenfalls von unserer Fähigkeit ab, sie gemeinsam produzieren zu können, um größtmögliche Kosteneinsparungen zu erzielen, aber auch von unserer Fähigkeit langfristig unsere dafür notwendige Technologiekompetenz und unser industrielles Know-how zu bewahren. Deshalb begrüßen wir die gemeinsam von Deutschland und Frankreich geförderten und heute Realität gewordenen Initiativen: die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) und den Europäischen Verteidigungsfonds.
Jetzt müssen wir diese Zielsetzung in industrielle Kooperationen übertragen, die den gegenwärtigen Herausforderungen gerecht werden. Der europäische Markt für Verteidigungsgüter reicht jedoch nicht aus, um die dafür notwendige Industrie effizient zu machen und die Stückpreise für militärische Ausrüstungsgüter ausreichend zu senken:
- Die Europäer investieren zu wenig in ihre Verteidigungsgüter, als dass die Verteidigungsindustrie allein von europäischen Aufträgen leben könnte. Ohne Ausfuhren in Drittländer hätten französische Schiffswerften, genau wie die Werften in Hamburg oder Wolgast, bereits vor Jahren schließen müssen. Selbst die Vereinigten Staaten, die jährlich etwa 700 Milliarden US-Dollar in ihre Verteidigung investieren, betreiben eine rege Exportpolitik. Wenn wir auf Exporte verzichten wollen, werden wir nicht mehr nur 1,5 Prozent oder 2 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investieren müssen, sondern 4 Prozent und mehr und das dauerhaft. Dazu ist Deutschland ganz offensichtlich nicht bereit.
- Es gibt keine europäische Präferenzregel für den Kauf militärischer Ausrüstungen in Europa (was Frankreich im Übrigen befürwortet, Deutschland jedoch bislang ablehnt) und der europäische Rüstungsmarkt ist einer der offensten weltweit, im Gegensatz zu dem der Vereinigten Staaten. Das hat zur Folge, dass zahlreiche Mitgliedstaaten aus verschiedenen Gründen lieber Ausrüstungsgüter außerhalb Europas erwerben, was den ohnehin zersplitterten europäischen Markt noch stärker verkleinert. Das ist eine souveräne, also legitime Entscheidung. Sie macht es jedoch schwierig, die europäische Verteidigungsindustrie wirtschaftlich zu stärken.
- Der Export trägt zudem durch Partnerschaften außerhalb der Europäischen Union zur Stärkung globaler, strategischer Sicherheitspartnerschaften bei. Keine Großmacht verzichtet zudem auf Kooperationen mit Drittländern bei den Verteidigungsindustrien: die Vereinigten Staaten nicht, Russland nicht und China auch nicht. Denn darauf zu verzichten bedeutet, kein internationaler strategischer Akteur zu sein.
Wir können also nicht gleichzeitig eine wettbewerbsfähige und technologisch fortschrittliche europäische Verteidigungsindustrie haben, die in der Lage ist, die Ausrüstungsgüter herzustellen, die wir brauchen, begrenzte Verteidigungsbudgets haben, und andererseits einseitige Ausfuhrkontrollen durchsetzen, die verhindern, dass gemeinsam produzierte Güter exportiert werden. Es können nur zwei dieser drei Zielsetzungen gleichzeitig umgesetzt werden, nicht alle drei.
Politisches Risiko, fehlende Rechtssicherheit und die Gefahr des “German-free”
Die Unvorhersehbarkeit der deutschen Politik zu Ausfuhrkontrollen, insbesondere die Ungewissheit über die Umsetzung der im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Leitlinien, führen zur Besorgnis bei den europäischen Partnern Deutschlands. So stoßen französische und europäische Unternehmen zunehmend auf Schwierigkeiten bei notwendigen Ausfuhrgenehmigungen für deutsche Komponenten, die in französischen Produkten enthalten sind und mitunter nur ein kleines Teil des Systems darstellen (zum Beispiel Dichtungen, Kugellager, Getriebe). Die Bearbeitungsfristen für diese Anträge, die mitunter mehr als ein Jahr dauern, führen in einigen Fällen dazu, dass diese Unternehmen hohe Verzugsstrafen zahlen müssen, entsprechende Verträge verlieren. Das gefährdet ihre Zukunft und damit Arbeitsplätze.
Dieses Problem geht weit über die Länder hinaus, die am Jemen-Krieg beteiligt sind, und betrifft auch Exporte nach Senegal, Indien, Indonesien oder den Niger. Das verstärkt den Eindruck, dass das deutsche Exportkontrollsystem nicht restriktiv, sondern unberechenbar ist, und dass es sich vor allem an der aktuellen deutschen Innenpolitik und nicht allein an der strikten Anwendung europäischer Kriterien und internationaler Verpflichtungen ausrichtet. Da Unternehmen jedoch Investitionsentscheidungen treffen müssen, die sie über mehrere Jahrzehnte binden, führt diese Rechtsunsicherheit dazu, dass immer mehr von ihnen sich für „German-free“-Strategien entscheiden, um so Ausrüstungen ohne deutsche Komponenten produzieren zu können.
Sollte sich dieser Trend bestätigen, hätte das ernste und dauerhafte Konsequenzen für unsere Fähigkeit zur Annäherung von Unternehmen und für die Umsetzung gemeinsamer Programme. Kurzfristig könnten die Autonomie Europas und seine Mittel, den Bedrohungen zu begegnen und seine eigene Sicherheit und seine Interessen zu verteidigen, gefährdet sein. Für die deutsch-französischen Beziehungen steht hier viel auf dem Spiel. Bei der Sitzung des Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrats im Juli 2017 haben wir mehrere wichtige Programme für die Sicherheit Europas gestartet: das Kampfflugzeug der nächsten Generation (Future Combat Air System/FCAS), den Kampfpanzer der nächsten Generation (Main Ground Combat System/MGCS) und die Eurodrohne, die alle umfangreiche Investitionen erfordern.
Der Erfolg dieser Projekte hängt unter anderem auch von ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und somit von realistischen Ausfuhrmöglichkeiten ab, um die Produktion von Baureihen zu verlängern, Produktionsmittel instand zu halten und einige Bereiche der technischen Unterstützung und der Wartung zu bündeln – kurzum, die Gesamtkosten zu reduzieren. Die Vereinigten Staaten beispielsweise werden mindestens 3.100 Jets vom Typ F-35 bauen, was den Stückpreis deutlich senkt. Diese Zahl steht den wenigen hundert Kampfflugzeugen gegenüber, die von den Streitkräften der FCAS-Partnerländer des Projektes in Auftrag gegeben werden. Wenn Exporte außerhalb der EU aus Prinzip blockiert oder der Willkür aktueller innerpolitischer Debatten in einem der Partnerländer unterstellt werden, dann stellt dies die langfristige Realisierbarkeit dieses Programms in Frage. Die Bedeutung dieses Themas für die Sicherheit Europas und für die Glaubwürdigkeit des politischen Projekts eines Europa der Verteidigung zwingt uns, einen Ausweg aus der aktuellen Situation zu finden, der auf drei Grundfesten beruht: Verantwortung, gegenseitiges Vertrauen und Pragmatismus.
Verantwortung übernehmen und sie nicht auf die Europäische Union abwälzen
Der Gedanke, dass die einzige Lösung darin besteht, „die Ausfuhrkontrollen zu europäisieren“ oder „europäische Regeln einzuführen“, taucht immer wieder in deutschen Debatten auf. Dieser Ansatz bedeutet, im Grunde genommen, die Verantwortung nationaler Entscheidungen, die mitunter zu schwierig oder unpopulär sind, auf die Europäische Union abzuwälzen. Er wäre mit mehreren Schwierigkeiten verbunden:
- Einerseits gibt es bereits europäische Regeln, die im Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP[1] des Rates der Europäischen Union festgelegt sind. Diese verpflichten die Mitgliedstaaten und bieten eine Grundlage bei der Entscheidungsfindung auf nationaler Ebene. Eine eventuelle Änderung dieses Textes setzt Einstimmigkeit voraus. Diese Regeln können demzufolge nicht allein die Positionen oder innenpolitischen Zwänge eines einzelnen Mitgliedstaates widerspiegeln, sondern sind notwendigerweise, wie bereits heute der Fall, ein Kompromiss zwischen den Europäern.
- Der Gedanke, die Kompetenz in Sachen Exportkontrolle an eine europäische Behörde abzutreten, würde eine beispiellose Verlagerung der Souveränität bedeuten und wäre nicht mit Artikel 346 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vereinbar. Damit würde sich jeder Mitgliedstaat damit einverstanden erklären, den anderen Mitgliedstaaten oder europäischen Institutionen ein Vetorecht zu seiner Verteidigungspolitik einzuräumen. Die Mitgliedstaaten würden sich somit des Rechts berauben, industrielle Entscheidungen zu treffen, die einen Ausbau der notwendigen Kapazitäten für ihre Sicherheit und ihre Verpflichtungen zur kollektiven Sicherheit, insbesondere im Rahmen der NATO, ermöglichen. Bestimmte Exporte sensibler Güter in Drittländer, an denen Deutschland aus bilateralen politischen Gründen viel gelegen ist, könnten somit ebenfalls blockiert werden und gegen seinen Willen behindert werden.
- In der Praxis würde das ferner bedeuten: Um solche Kontrollen effizient zu gestalten, müssten sensible Informationen zu Ausrüstungen, die auch von unseren Streitkräften benutzt werden, in einem weiten Kreis verbreitet werden – Informationen die, aus nationalen Sicherheitsgründen, vertraulich sind. Ein solches Szenario ist weder realistisch, noch wünschenswert und würde die Unternehmen noch mehr unter Druck setzen, die bereits heute am stärksten von unseren Konkurrenten oder Widersachern ausspioniert werden.
Die französische Regierung steht vielmehr auf dem Standpunkt, dass es Aufgabe jedes Staates ist, eine verantwortungsvolle Ausfuhrpolitik anzustreben, die mit seinen internationalen Verpflichtungen im Einklang steht und unsere kollektive Sicherheit stärkt, und Verantwortung für die zu diesem Zweck getroffenen Entscheidungen zu übernehmen. Auch Deutschland muss solche komplexen Entscheidungen treffen, die auf einer souveränen Außenpolitik beruhen. Dabei verfolgt Deutschland gegenüber einigen Ländern eigentlich eine deutlich offenere Exportpolitik als Frankreich.
Unsere Waffenausfuhrkontrollinstrumente besser verstehen und zum Prinzip des gegenseitigen
Vertrauens zurückkehren
Entgegen einiger Stimmen aus Berlin ist das französische Kontrollsystem für Waffenexporte genauso streng wie das deutsche System. Es beruht auf klaren und vorhersehbaren Genehmigungsverfahren. Deutschland und Frankreich teilen dieselben Werte und sind dieselben internationalen Verpflichtungen eingegangen. Beide wenden dieselben Standards auf Grundlage des Vertrags über den Waffenhandel (Arms Trade Treaty/ATT) und des Gemeinsamen EU-Standpunkts von 2008 über die Kontrolle von Waffenexporten an. Das französische Genehmigungsverfahren bezieht, wie auch in Deutschland, mehrere Ministerien mit ein: Die Entscheidungen werden vom Premierminister getroffen, nachdem die zuständigen Ministerien zu Rate gezogen wurden (Auswärtiges, Verteidigung, Wirtschaft), die dafür in einer Commission interministérielle pour l’étude des exportations de matériels de guerre (CIEEMG) zusammenarbeiten, deren Rolle mit der des Bundessicherheitsrates vergleichbar ist. Es werden nachträgliche Kontrollen durchgeführt, um sicherzustellen, dass die für Exporte von Verteidigungsgütern festgelegten Bedingungen eingehalten werden. Frankreich beteiligt sich an der EU-weiten Koordinierung und dem Informationsaustausch über Waffenexporte und gehört zu den Mitgliedstaaten, die am umfangreichsten dazu beitragen. Ferner achtet Frankreich ganz besonders darauf, dass seine Waffenausfuhrkontrollinstrumente durch ausländische Niederlassungen französischer Unternehmen nicht umgangen werden.
Auf dieser Grundlage entscheiden wir von Fall zu Fall darüber, ob bestimmte Verteidigungsgüter aufgrund der politischen und sicherheitspolitischen Lage im Zielland oder aufgrund von Erwägungen in Verbindung mit der regionalen Stabilität geliefert werden dürfen. Wir tun das auch, wenn dies schwerwiegende wirtschaftliche Folgen für unsere Verteidigungsindustrie hat: 2014 haben wir nach der russisch-ukrainischen Krise beschlossen, Russland zwei Hubschrauberträger vom Typ „Mistral“ mit einem Auftragsvolumen von rund einer Milliarde Euro nicht auszuliefern. Dies war eine besonders schwere Entscheidung, da es sich um bereits produzierte Ausrüstungsgüter handelte. Unseres Erachtens musste Deutschland noch nie von einem ähnlich großen Vertrag zurücktreten. In Bezug auf den Konflikt in Jemen haben wir von Beginn an beschlossen, unsere Aufmerksamkeit zu erhöhen, insbesondere was hochsensible Ausrüstungsgüter angeht. Die Sicherheit von Zivilpersonen gehört selbstverständlich zu den Kriterien, die bei der Überprüfung solcher Exportgenehmigungen berücksichtigt werden: So sind etwa die Meteor-Raketen, die nach Saudi-Arabien exportiert werden sollen, Luft-Luft-Flugkörper, die per Definition nicht dazu gedacht sind, für Bodenangriffe eingesetzt zu werden, sondern nur zur Luftverteidigung. Schließlich gehört Deutschland neben Frankreich zu den weltweit größten verteidigungsgüterexportierenden Ländern: 6,24 Milliarden Euro 2017, davon 3,7 in Länder, die weder der NATO noch der EU angehören. In dieser Zeit exportierte Frankreich Güter für 6,9 Milliarden Euro. Die Übereinstimmungen zwischen unseren Systemen sollten uns daher dazu bringen, zum Prinzip des gegenseitigen Vertrauens zwischen Frankreich und Deutschland zurückzukehren, wie es jahrzehntelang der Fall war. Frankreich seinerseits hat dieses Prinzip stets eingehalten und erteilt den deutschen Unternehmen die beantragten Genehmigungen in der Regel sehr schnell.
Pragmatische Lösungen
In diesem Sinne haben Frankreich und Deutschland im Aachener Vertrag vom 22. Januar 2019 einen Artikel aufgenommen, in dem festgelegt ist, dass „beide Staaten bei gemeinsamen Projekten einen gemeinsamen Ansatz für Rüstungsexporte entwickeln“ werden. In dieser Hinsicht wurden Anfang Januar in einem Briefwechsel zwischen unseren beiden Regierungen die Leitlinien eines Abkommen, das öffentlich und rechtsverbindlich sein wird, erarbeitet. Entgegen dem, was wiederholt berichtet wurde, wird dieses Abkommen mit der gesamten Bundesregierung ausgehandelt, also mit allen Partnern der Großen Koalition (CDU, CSU und SPD). Dieser Text sieht vor, dass Frankreich und Deutschland ihre Verpflichtungen aus dem Gemeinsamen Standpunkt von 2008 und dem Vertrag über den Waffenhandel weiterhin erfüllen und auch in Zukunft unter Achtung ihrer jeweiligen nationalen Gesetzgebung handeln werden. Auf dieser Grundlage müssen sich unsere beiden Länder auf Grundsätze verständigen, die sich auf gemeinsam erarbeitete Programme anwenden lassen. Beide behalten ihr souveränes Recht. Doch da, wo sich unser jeweiliges souveränes Recht überschneidet, suchen beide Länder nach gemeinsamen Ansätzen. Es geht also nicht darum, unsere nationalen Gesetze und Vorschriften umzuschreiben. Es geht auch nicht darum, unsere nationalen Instrumente zu schwächen. Es geht vielmehr um gemeinsame Bewertungsgrundsätze, die auf dem Vertrauen beider in die Sorgfalt des anderen ruhen. Und geht es nicht auch bei dem von unseren beiden Ländern aktiv unterstützten europäischen Aufbauwerk genau darum?
Frankreich und Deutschland verpflichten sich, eventuelle Meinungsverschiedenheiten im Voraus durch den Dialog anzugehen, und nicht durch eine einseitige Blockadehaltung, außer in Ausnahmefällen, wenn direkte Interessen oder die nationale Sicherheit auf dem Spiel stehen. Hierzu wird eine ständige Beratungsinstanz ins Leben gerufen. Was wir anstreben ist einfach: Vorhersehbare Regeln und einen auf Fakten basierenden Dialog. Ferner sieht die Vereinbarung die Anwendung einer „De-minimis-Regelung“ vor: Im Falle von Ausrüstungsgütern, die von einem unserer beiden Länder produziert werden und, bis zu einer bestimmten Menge, Bauteile enthalten, die von Unternehmen des anderen hergestellt werden, obliegt die Verantwortung in Sachen Exportkontrolle demjenigen, der den Großteil dieser Güter produziert. Damit soll der aktuellen Situation ein Ende gesetzt werden, in der die Verwendung einer einfachen Motordichtung oder eines Schalters aus deutscher Herstellung Deutschland ein Vetorecht über den Export der besagten Güter einräumt, obwohl diese vorwiegend in und von Frankreich produziert werden. Diese Situation ist schlicht unhaltbar. So soll auch dem Ansatz des „German free“ bei französischen Unternehmen ein Riegel vorgeschoben werden, die so die notwendige rechtliche Sicherheit zur Stärkung ihrer Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen erhalten.
Im August 2018 sagte Vizekanzler Olaf Scholz im Rahmen der Sommeruniversität des französischen Arbeitgeberverbands MEDEF zu Recht, Europa brauche „eine gemeinsame Herangehensweise für Militärausrüstung, was mehr Kooperation und einen Prozess der Konsolidierung in der europäischen Rüstungsindustrie, einschließlich Fusionen“ bedeute. Daraus müssen wir die notwendigen Konsequenzen ziehen und uns auf gegenseitiges Vertrauen und auf klare, effiziente und vorhersehbare Genehmigungsverfahren für Waffenexporte stützen können. Genau darin liegt das Ziel der oben genannten Vereinbarung, mit der die notwendigen Voraussetzungen für die Realisierbarkeit unserer gemeinsamen Projekte – in erster Linie des neuen Kampfflugzeugs und des Panzers der nächsten Generation – geschaffen werden können. Während Frankreich und Deutschland in den kommenden Wochen diese Vereinbarung endgültig verabschieden sollen, werden viele vor der Wahl stehen: innenpolitischen Zielen den Vorrang geben und das Europa der Verteidigung zum Kollateralschaden einer Wahlkampfstrategie machen, oder sich des gegenwärtigen historischen Wendepunkts bewusst werden und die Bedingungen für eine wahrhaftige europäische Souveränität schaffen. Es liegt heute an Deutschland, diese Entscheidung zu treffen.
Anne-Marie Descôtes ist die Französische Botschafterin in Deutschland.
Die Autorin gibt ihre persönliche Meinung wieder.