Mit der Gründung der NATO vor 70 Jahren setzten die USA einen grundlegenden transatlantischen „Deal“ in Kraft, der für den wirtschaftlichen Wiederaufbau (West-)Europas entscheidend war: Amerika subventionierte die europäische Sicherheit, indem es seine überlegenen militärischen Fähigkeiten in den Dienst der NATO stellte und die europäischen Verbündeten von hohen eigenen Verteidigungslasten befreite. Die dadurch eingesparten Mittel konnten in die europäische Wirtschaft und Infrastruktur investiert werden, was zum rasanten Wiederaufstieg Westeuropas beitrug. Je wohlhabender Europa allerdings wurde, desto stärker wurde diese Subventionierung in den USA als ungerecht empfunden. Immer wieder hat es deutliche Ermahnungen aus Washington an Europa gegeben, mehr für die eigene Sicherheit zu leisten, und immer wieder sind diese berechtigten Apelle für mehr Lastenteilung ignoriert worden – auch und gerade von Deutschland. US-Präsident Trump greift nun diese Forderungen wieder auf und trägt sie in einer bisher ungewohnt aggressiven Weise vor.
Seither wird sowohl in Deutschland als auch zwischen der Bundesrepublik und ihren Verbündeten wieder heftig über die sicherheitspolitische Lastenteilung gestritten. Im Zentrum der Debatte steht das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel der NATO. Sieht man von Merkwürdigkeiten wie dem Verweis auf vermeintlichen „Aufrüstungsspiralen“ oder die Warnung vor dem „Diktat der USA“ einmal ab, so ist eine solche Debatte richtig und wichtig – verdient doch die Frage, nach welchen Prioritäten eine Regierung die ihr zu Verfügung stehenden Finanzmittel verwendet, eine breite Aufmerksamkeit. Auch zeigt eine solche Diskussion, dass es in Deutschland sehr wohl einen sicherheitspolitischen Diskurs in Politik und Öffentlichkeit gibt. Allerdings wird die Diskussion um den Verteidigungshaushalt seit Jahren mit den gleichen Argumenten geführt, von denen sich einige längst als Halbwahrheiten, Mythen oder wohlfeile Behauptungen entpuppt haben. Das erschwert die nüchterne Bewertung einer Frage, die letztlich eine hochpolitische ist und die sich nicht auf eine vermeintlich objektive Beurteilung des Sinns oder Unsinns einer Zahl reduzieren lässt. Dieses Papier untersucht deshalb einige der in der Zwei-Prozent-Debatte vorgebrachten Thesen auf ihren Sachgehalt hin.
„Zwei Prozent ist keine aussagekräftige Zahl, wenn es um die militärische Leistungsfähigkeit geht.“
Stimmt – aber das hilft nicht viel. Das reine Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) eines Staates sagt wenig über dessen reale Verteidigungsleistungen als NATO-Mitglied aus. Griechenland hat beispielsweise in den vergangenen Jahren seinen Verteidigungshaushalt mehrfach gekürzt und erfüllt immer noch das Zwei-Prozent-Ziel – schlicht, weil das griechische BIP immer weiter gesunken ist. Als weiterer Beleg für die Untauglichkeit des Zwei-Prozent-Kriteriums wird gerne darauf verwiesen, dass Deutschland das Ziel rasch erfüllen würde, wenn es wirtschaftlich in eine tiefe Rezession fiele. Dabei bestreitet kaum jemand, dass es vermutlich bessere Parameter gäbe, um eine faire Lastenteilung innerhalb der Allianz zu messen – zum Beispiel die dem Bündnis konkret zur Verfügung gestellten militärischen Verbände oder die Beteiligung an gemeinsamen Einsätzen. Die NATO hat sich aber nun einmal auf dieses Kriterium verständigt und damit die zwei Prozent über die Jahre zu einer politischen Zahl gemacht, die alle Bündnispartner immer wieder bekräftigt haben. Das Zwei-Prozent-Ziel entwickelt damit eine politische Bindewirkung, selbst wenn es nicht rechtlich einklagbar ist. Es heute als unpassend abzulehnen, löst geradezu zwangsläufig Kritik aus, gerade da es vorher immer wieder bekräftigt worden ist. Deshalb wird sich weder US-Präsident Trump noch die steigende Zahl der NATO-Mitglieder, die das Ziel erfüllen, von diesem Wert abbringen lassen.
„Das Zwei-Prozent-Ziel ist vor allem eine Forderung des US-Präsidenten.“
Das stimmt nicht. Die Forderung nach Verteidigungshaushalten von Zwei Prozent des BIP hat eine viel längere Geschichte, weswegen sie auch nur bedingt mit dem Drängen Donald Trumps zu tun hat. Sie geht zurück auf die NATO-Erweiterungsdebatte Ende der neunziger Jahre, als das Bündnis von den Beitrittskandidaten ein bestimmtes militärisches Engagement forderte, das sich in der Höhe der Verteidigungshaushalte niederschlagen sollte. Speziell mit Blick auf die Beitrittswünsche der Baltischen Staaten forderten NATO-Vertreter, dass deren künftige Verteidigungsausgaben mindestens zwei Prozent des BIP umfassen sollten. Im Vorfeld des Prager NATO-Gipfels 2002 versuchten die USA, diese Forderung für alle Mitglieder verbindlich im Gipfelkommuniqué festzuschreiben, konnten sich damit aber nicht durchsetzen. 2006, also vor 13 Jahren, tauchte das Selbstversprechen erstmals in einem NATO-Dokument auf, nämlich in der Ministerial Guidance des Defence Planning Committees. In der Abschlusserklärung des NATO-Gipfeltreffens 2006 in Riga wird das Ziel zwar nicht erwähnt, doch die Staats- und Regierungschefs gaben bereits hier eine mündliche Erklärung ab. Seither wurden die Europäer von den USA immer wieder daran erinnert, wie etwa durch Verteidigungsminister Robert Gates in seiner berühmten Rede im Juni 2011 in Brüssel. Beim NATO-Gipfel 2014 in Wales wurde das Zwei-Prozent-Ziel dann erstmals in einem Gipfeldokument festgehalten.
„Zwei Prozent sind kein Versprechen, sondern nur eine vage Absichtserklärung.“
Stimmt – aber das mindert die Kritik an Deutschland nicht. Das Gipfelkommuniqué von 2014 fordert, dass die NATO-Mitglieder, die unter dem Zwei-Prozent-Wert liegen, sich in den kommenden 10 Jahren, also bis 2024, auf diesen „zubewegen“ sollen. Dies ist in einer sehr gedrechselten Formulierung im Kommuniqué festgehalten, welche ein typisches Beispiel für eine Kompromissformel in strittigen NATO Fragen ist. Der deutsche Verweis, die Bundesrepublik würde diesen Minimalkonsens durch ein „Daraufzubewegen“ zumindest im Prinzip erfüllen, wird die Kritiker – nicht nur in den USA – allerdings kaum beruhigen. Wenn Deutschland bislang darauf verwies, dass es 1,5 Prozent bis 2024 anstrebe, so ist das in den Augen vieler NATO-Partner schon ein deutliches Unterschreiten eines über Jahre gegebenen Versprechens. Dies als sichtbare Bereitschaft zur fairen Lastenteilung zu vermitteln, dürfte nicht leicht fallen. Wenn der Wert nach den jüngsten Finanzplanungen sogar auf 1,36 Prozent des BIP zu sinken droht, dann wirkt der Hinweis, dass das ja schon mehr als die derzeitigen 1,24 Prozent seien – Deutschland sich also nach wie vor darauf „zubewege“ – eher schal. Auch die Versicherung, dass es im Laufe der Zeit wohl noch zu spontanen Erhöhungen kommen dürfte, wird die heftige Kritik an Deutschland kaum mildern können.
„Aufgrund seines hohen BIPs leistet Deutschland auch mit weniger als 1,5 Prozent viel mehr für die Verteidigung als die meisten Verbündeten.“
Stimmt, ist aber bündnispolitisch problematisch. Die Unterschiede in den Verteidigungshaushalten der NATO-Mitgliedsstaaten sind eklatant. Der Verteidigungshaushalt Estlands übertrifft das Zwei-Prozent-Ziel deutlich und ist mit 637 Millionen US-Dollar zugleich verschwindend gering gegenüber den 51 Milliarden Dollar, die Deutschland 2018 aufbrachte und damit bei 1,24 Prozent des BIP lag. Daraus aber zu schließen, die Bundesrepublik könnte mit prozentual geringen Steigerungen die Leistungen der meisten anderen Partner übertreffen, verkennt die bündnispolitische Signalwirkung von Allianzverpflichtungen. Das gilt insbesondere, da das starke deutsche BIP aus Sicht vieler wirtschaftlich schwächerer Partner gerade als eine Verpflichtung zu mehr Engagement interpretiert werden kann. Wenn Deutschland als das nach den USA bevölkerungsreichste und wirtschaftlich stärkste NATO-Mitglied weiterhin deutlich von dem Zwei-Prozent-Ziel entfernt bleibt, werden viele andere Bündnispartner ebenfalls hinter ihrer Selbstverpflichtung zurückbleiben und dabei offen oder versteckt auf Deutschland verweisen. Damit untergräbt der deutsche Unwille, ausreichend Mittel für militärische Leistungsfähigkeit bereit zu stellen, den Bündniszusammenhalt insgesamt.
„Was zählt, sind nicht abstrakte Prozentwerte, sondern reale militärische Beiträge.“
Stimmt, aber leider überzeugt Deutschland auch in diesem Bereich nicht. Man kann sicher darauf verweisen, dass Frankreich oder Großbritannien mit ihren Verteidigungshaushalten zwar die zwei Prozent (fast) erfüllen, aber davon auch ihre kostspieligen Nuklearwaffen finanzieren würden und deshalb weniger in ihre konventionellen Streitkräfte stecken könnten. Dennoch liegt die Leistungsfähigkeit französischer oder britischer Streitkräfte sogar trotz geringerer Personal- und Materialstärke über jener der Bundeswehr. Das liegt zu einem nicht geringen Teil daran, dass Deutschland auch eine zweite Selbstverpflichtung der NATO, nämlich 20 Prozent des Verteidigungshaushalts für Ausrüstung auszugeben, nicht in Ansätzen erfüllt. Gegenüber Frankreich mit 24,37 Prozent und Großbritannien mit 22,03 Prozent gab Deutschland 2017 gerade einmal 13,75 Prozent dafür aus. Für 2018 und 2019 stieg der Wert zwar deutlich, wird aber am 2020 wieder ebenso deutlich sinken. Nach derzeitiger Planung wird Deutschland 2022 bei unter zehn Prozent an Investitionen für Ausrüstung landen.
„Die Milliarden, die in den Verteidigungshaushalt fließen würden, könnten gesellschaftlich weit sinnvoller in Deutschland ausgegeben werden.“
Merkwürdig! Die polemische Frage, wie viele Kindertagesstätten man von den Kosten eines Großwaffensystems kaufen könnte, gibt es seit den heftigen Debatten mit der Friedensbewegung in den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Eine solche Argumentation hat immer schon unterschlagen, dass verantwortliche Politik beides tun muss – die soziale Sicherheit ebenso garantieren, wie die äußere und innere Sicherheit der Gesellschaft. Angesichts der Debatte über transatlantische Lastenteilung ist diese Polemik noch weniger angebracht. Natürlich kann der politisch Handelnde in Deutschland sich die Frage stellen, wie viele Kitas zum Preis von einem Panzer gebaut werden könnten. Allerdings stellt sich sein Pendant in den USA und auch der amerikanische Bürger die gleiche Frage: Wie viele zivile Infrastrukturprojekte könnten in Amerika für die Gelder finanziert werden, die bislang in die Bereitstellung militärischer Fähigkeiten für die europäischen Verbündeten fließen? Angesichts der drängenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme in den USA fällt die Antwort sehr eindeutig aus: Die Forderung, Europa müsse deutlich mehr für die eigene Verteidigung tun, wird über das gesamte amerikanische politische Spektrum hinweg vehement unterstützt. Geschieht das nicht, wird die US-Zustimmung zur NATO leiden. Gut gemeinte Hinweise aus Deutschland, man hätte ja im Kalten Krieg amerikanische Soldaten auf eigenem Territorium beherbergt und die Lasten und Gefahren eines „Stationierungslandes“ ertragen, überzeugen in Washington kaum jemanden und wirken sehr aus der Zeit gefallen.
„Würden die zwei Prozent erfüllt, wäre der deutsche Verteidigungshaushalt höher als der Russlands.“
Und was heißt das? Abgesehen davon, dass Russland in seinem seit 2012 pro Jahr deutlich über 50 Milliarden US-Dollar liegenden Verteidigungshaushalt weitaus geringere Summen für den einzelnen Soldaten und dessen Bewaffnung aufbringen muss und darüber hinaus militärrelevante Ausgaben in anderen Haushalten verbirgt, leuchtet die Stoßrichtung des Arguments nicht wirklich ein. Vermutlich soll der Eindruck erweckt werden, als würde aus einem derart hohen deutschen Verteidigungshaushalt eine Bedrohung für Russland erwachsen. Allerdings ist es Russland, das mit einem in Relation geringeren Verteidigungshaushalt einen Krieg in der Ostukraine führt, Teile eines souveränen Staates annektiert und die europäische Sicherheitsordnung dauerhaft erschüttert hat. Auch hat es seine Streitkräfte regional invasionsfähig gemacht. Diese Veränderung Russlands von einem einstigen Partner zu einer militärischen Bedrohung für seine westlichen Nachbarn ist es, welche höhere Finanzmittel für den Aufbau glaubwürdiger Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeiten so dringlich macht. In abgewandelter Form wurde das Argument sogar gelegentlich auf Deutschlands Nachbarn angewendet: Frankreich, Großbritannien oder Polen würden sich von einem hohen deutschen Verteidigungshaushalt bedroht fühlen, könnte dieser doch erneut mit deutschen Großmachtambitionen einhergehen. Allerdings hat sich diese Argumentation spätestens 2011 als Schutzbehauptung erwiesen, stellte damals doch der Außenminister Polens, Radek Sikorski, in einer Rede in Berlin klar, dass er „deutsche Macht weniger als die deutsche Untätigkeit“ fürchte.
„Da das Parlament dem Zwei-Prozent-Ziel nicht zugestimmt hat, ist Deutschland nicht daran gebunden.“
Stimmt nur teilweise. Das Argument, dass der Bundestag dem Zwei-Prozent-Ziel der NATO nicht zugestimmt habe und es deshalb ignorieren könne, verkennt, dass Beschlüsse der NATO auf Regierungsebene entschieden werden und nur in Ausnahmefällen – etwa bei der Aufnahme neuer Mitglieder – die Zustimmung des Parlaments erfordern. So hat der Bundestag etwa dem 1978 von den NATO-Regierungschefs unterzeichneten Long Term Defense Program, in dem sogar drei Prozent vom BIP als Richtzahl festgeschrieben waren, nicht zustimmen müssen. Ferner hat der Bundestag sich aber schon mit dem Zwei-Prozent-Ziel befasst. Im November 2018 brachte die Fraktion DIE LINKE einen Antrag ein, der die Bundesregierung aufforderte, die in Wales gegebene Zustimmung zu den zwei Prozent im NATO-Rat öffentlich zu widerrufen. Dieser Antrag wurde am 8. November 2018 mit 520 zu 128 Stimmen abgelehnt. Die überwältigende Mehrheit des Bundestages hat sich demnach für den Erhalt des Zwei-Prozent-Ziels ausgesprochen.
„Wenn die Bundeswehr mehr Geld bekäme, könnte sie es gar nicht sinnvoll ausgeben.“
Das stimmt in dieser Verkürzung keinesfalls. Zweifellos ist beim Beschaffungswesen der Bundeswehr vieles im Argen, und die angestrebten Reformen haben bislang nur zu sehr begrenzten Erfolgen geführt. Verschwendung und Misswirtschaft durch unklare Entscheidungswege und fehlende Kontrollen sind ein dauerhaftes Problem in der Bundeswehr. Doch diese Probleme können nur gelöst werden, indem man sich ihrer annimmt und nicht, indem das Budget weiter gekürzt wird. Auch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Einführung komplizierter Beschaffungsprozesse und das Outsourcen von Fähigkeiten der Bundeswehr auch Folgen der massiv sinkenden Verteidigungsausgaben nach Ende des Kalten Krieges und der Sparpolitik jüngerer Zeit waren. Zum Vergleich: 1989 machte der Verteidigungshaushalt am gesamten Bundeshaushalt noch etwa. 20 Prozent (und deutlich mehr als zwei Prozent des BIP) aus, während es heute rund 10 Prozent sind. Zahlreiche sogenannte Betreiberlösungen führten zum Outsourcing von Aufgaben der Bundeswehr an zivile Betreiber, zum Beispiel im Fuhrpark-, Instandsetzungs- und IT-Bereich. Im Zuge der Sparpolitik war bis vor wenigen Jahren eine Einsatzbereitschaft von nur 70 Prozent des Großgeräts vorgesehen, und Kommandeure mussten sich für Übungen Panzer, Artillerie und weitere Waffensysteme bei anderen Verbänden ausleihen.
Während manche Kritiker derzeit behaupten, die Bundesregierung betreibe eine „Aufrüstung“ der Bundeswehr, geht es in der Realität der Truppe gerade darum, die Ausrüstung der bestehenden Verbände überhaupt wieder auf einen Stand 100 Prozent zu bringen. Gerade vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass es schwerfällt, den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die vom Parlament in entbehrungsreiche und teils gefährliche Einsätze entsendet werden, zu vermitteln, dass das gleiche Parlament nicht bereit ist, umgerechnet zwei Cent von einem Euro für ihre Ausrüstung und ihren Schutz zu investieren. Auch ist der Wert von 1,5 Prozent, der bislang von der Bundesregierung als Ziel für 2024 angegeben wird, nicht aus der Luft gegriffen, sondern mit wichtigen Projekten und Ausgabenplänen hinterlegt. Im Februar 2018 verkündete das Verteidigungsministerium sogar den „4+5+6-Plan“, also das Ziel, in 2019 um vier Milliarden, 2020 um fünf und 2021 um sechs Milliarden zuzulegen. Dieser Betrag von 15 Milliarden Euro war ebenfalls mit Ausgabenplänen hinterlegt und hätte die Bundesrepublik die 1,5 Prozent bereits 2021 erreichen lassen. Von einer solchen Basis aus hätte Deutschland glaubhaft argumentieren können, 2024 die zwei Prozent erreichen zu können. Die im März 2018 verkündeten Haushaltspläne der Bundesregierung machten diese Planungen zunichte.
„Nicht nur die Bundeswehr leistet einen anrechenbaren Beitrag zu Sicherheit und Verteidigung.“
Stimmt – doch das entbindet nicht von der Notwendigkeit, die Bundeswehr handlungsfähig zu machen. Sicherheit wird nicht allein durch Streitkräfte gewährleistet, und gerade in Zeiten der sogenannten „hybriden Bedrohungen“ und des „hybrid warfare“ kommen auch zivilen Akteuren verteidigungsrelevante Aufgaben zu. So leistet beispielsweise die Bundespolizei, die im Fall einer Krise in Osteuropa die Verkehrslenkung in Deutschland massiv unterstützen würde (und bis in die 1990er noch als Bundesgrenzschutz sogar den Kombattantenstatus innehatte) erhebliche Beiträge zur Verteidigungsfähigkeit und Resilienz Deutschlands. Gleiches gilt für den Bereich des Bevölkerungs- und Zivilschutzes und des Technischen Hilfswerks (THW), bis hin zu zivilen Akteuren der Cybersicherheit. Deren Ausgaben werden nur sehr begrenzt im Kriterienkatalog der NATO für die Anrechenbarkeit zum Zwei-Prozent-Ziel berücksichtigt, während andere NATO-Partner Kräfte wie zum Beispiel die französische Gendarmerie oder die italienischen Carabinieri einrechnen. Die NATO-internen Kriterien für den Zwei-Prozent-Wert sollten deshalb überarbeitet werden.
Allerdings entbindet all das nicht von der Notwendigkeit, die jahrelang vernachlässigte und an die absoluten Grenzen ihrer Handlungsfähigkeit gelangte Bundeswehr den sicherheitspolitischen Anforderungen entsprechend auszurüsten. Das wird mit einem Verteidigungshaushalt, der irgendwo zwischen einem und eineinhalb Prozent des BIP liegt, schlicht nicht möglich sein. Addiert man zu den Ausgaben für die Bundeswehr noch die Kosten, die sich im Falle einer Krise an den Ostgrenzen der NATO aus der geostrategischen Lage Deutschlands als Drehscheibe für militärische Bewegungen ergeben, dürfte selbst der derzeit so heftig diskutierte Zwei-Prozent Wert kaum ausreichen – denn der Schutz von Transportwegen, Infrastruktur sowie Häfen und Flugplätzen erfordert auch bei Beteiligung der Verbündeten langfristig weitere Investitionen
Karl-Heinz Kamp ist der Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik.
Der Autor gibt seine persönliche Meinung wieder.