Washington, DC und New York City sind feste Stationen der Studienreise des Kernseminars für Sicherheitspolitik der BAKS. Hier schildern drei Absolventen ihre Eindrücke aus den USA.
Wer an Flushing Meadows im New Yorker Stadtteil Queens denkt, hat vielleicht die US Open im Tennis im Hinterkopf oder eventuell noch die Heimstätte der zweiten großen Baseballmannschaft der Stadt, das Stadion der New York Mets. Dabei sind die Vereinten Nationen hier ihren institutionellen Kinderschuhen entwachsen. Als die UN noch kein eigenes Gebäude in New York zur Verfügung hatte, wurde das ehemalige Veranstaltungsgebäude der Weltausstellung 1939/40, das New York City Building, für die Sitzungen der Generalversammlung ausgewählt. Passenderweise befindet sich ein 36 Meter großer Globus, genannt „Unisphere“, vor diesem Gebäude, wenngleich er erst Jahre nach dem Umzug der Vereinten Nationen an den East River installiert wurde. Es ist eine Darstellung unseres Planeten, der durch seine klaren Strukturen und die Transparenz zwischen den Kontinenten bis in den Orbit hinein auffällt. Verkörpern soll er das offizielle Motto der Weltausstellung 1964/65: „Peace Through Understanding“.
Am heutigen Sitz der Vereinten Nationen findet sich hingegen eine ganz andere Kugelplastik: Die „Sfera con Sfera“ („Sphere Within Sphere“) des italienischen Künstlers Arnaldo Pomodoro. Auffälligstes Merkmal dieses Kunstwerkes ist eine Vielschichtigkeit verschiedener Sphären, die sich erst bei einem genaueren Blick unter die Oberfläche erschließen. Mutmaßlich will der Künstler damit die Komplexität und Fragilität unserer Welt darstellen. Zusammen betrachtet spiegelt die Symbolik dieser beiden Kunstwerke gut die Studienreisen des BAKS-Kernseminars 2019 wider – und insbesondere die Reise in die USA. Die Perspektive einer multilateralen, vernetzten und ganzheitlich wirkenden Welt wird ebenso mit einem komplexen, strategischen und tieferen Blickwinkel verknüpft. Nach diesen Kriterien ist es dann auch wenig überraschend, dass sich sowohl die Einblicke in das politische System der Vereinigten Staaten als auch die Arbeit der Vereinten Nationen vor Ort differenzierter darstellen als es in großen Teilen der medialen Betrachtung in Deutschland der Fall ist.
USA: weiterhin gute Beziehungen auf Arbeitsebene
In nahezu allen Gesprächen in Washington wurde deutlich, dass zwischen Regierungsspitze, nachgeordneter Verwaltung und dem erweiterten politischen Spektrum in den Vereinigten Staaten deutlich unterschieden werden muss. Denn die gute Zusammenarbeit, gerade auf Arbeitsebene, besteht zwischen USA und Deutschland in nahezu jeder Hinsicht ununterbrochen fort. So war zwar die parteipolitische Polarisierung insbesondere in den amerikanischen Medien auch in der kurzen Zeit des Seminaraufenthalts vernehmbar. Jedoch scheint sich dies auf den politischen Alltag in Washington nur begrenzt auszuwirken. Der etwas spontane Umgang des US-Präsidenten mit seinem Twitter-Account mag die Administration nach wie vor inhaltlich überraschen, in der Einordnung des Inhalts aber wohl kaum noch.
Die Aktualität vieler in den USA angesprochener Themen, darunter Maßnahmen gegen Iran wie auch mögliche Strafzölle gegenüber China und der Europäischen Union trat auch im Nachgang der Reise zu Tage. Zumindest die geäußerten US-Erwartungen an Deutschland kommen nicht gerade überraschend. Die Politik von Präsident Trump unterscheidet sich hier nur wenig von der seines Vorgängers. So waren in den USA nahezu alle Gesprächspartner, amerikanische wie deutsche, davon überzeugt, dass Deutschland mehr außen- und sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen müsse. Erwartbar war demnach auch die regelmäßige Forderung zur Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels der NATO. In diesem Zusammenhang fiel auch erneut die Forderung nach einer eigenen “Security Strategy” Deutschlands und der EU.
Kontrastreiche Eindrücke bei den Vereinte Nationen
Auch die America-First-Politik des Präsidenten wurde in vielen Gesprächen thematisiert und bestätigt. Trumps Leitlinien der Wirtschaftspolitik liegen in der Energiefreiheit, Steuerreformen, Deregulierung und einer Stärkung des Handels. Wobei letzteres vor allem den Export amerikanischer Güter meint. Höhere Zölle gegenüber der ausländischen Automobilbranche wurden von US-Seite als notwendiger “Hebel” zu erklären versucht. Dieser Hebel wird sehr bewusst eingesetzt. Nach der Rückkehr aus den USA bleibt bei vielen Seminarteilnehmern an diesem Punkt wohl weiterhin das ein oder andere Fragezeichen übrig.
In kaum einer anderen Stadt der Welt geht es so international zu wie in New York. Dazu leisten die Vereinten Nationen ihren, wenn auch nicht alleinigen, Beitrag. Im VN-Hauptquartier am East River war erwartungsgemäß eine ganz andere Sicht der Dinge als in Teilen Washingtons zu erfahren. Hier blieb ein sehr anschauliches Bildnis der Verhältnisse in einer regelbasierten internationalen Ordnung gegenüber dem Recht des Stärkeren hängen: Was passiert, wenn Gorillas und Schimpansen gemeinsam in denselben Käfig gesperrt werden? Immerhin gibt es unterschiedliche, mögliche Entwicklungsstränge!
Multilateralismus in kleinen Schritten
In praktischer Erinnerung wird bleiben, in welch kleinen Münzen sich der Wert des Fortschritts multilateraler Ordnung innerhalb der Vereinten Nationen bemisst – bisweilen ein ernüchterndes Bild. Deutschland hatte kurz zuvor den Vorsitz im VN-Sicherheitsrat innegehabt. Zwar wurde dieser zum ersten Mal in der Geschichte als Doppelvorsitz gemeinsam mit Frankreich wahrgenommen, inhaltlich jedoch war diese Jumelage unter dem Motto „Frieden, Gerechtigkeit, Innovation, Partnerschaft“ aber nicht von großem Erfolg gekrönt. Auch die kleinen Zeichen der Symbolik, Sanduhr und offene Vorhänge, waren wenige Tage später wieder obsolet. Immerhin wurde eine Resolution gegen sexuelle Gewalt in Konflikten verabschiedet. Aber auch hier gab es einen Wermutstropfen: Der Inhalt musste letztlich so abgeschwächt werden, dass eine umfängliche Hilfe für dide Opfer von Gewaltverbrechen durch die Resolution praktisch nicht mehr gedeckt ist.
New York stellte sich nicht nur als international und weltoffen dar, sondern auch als Stadt, in der das Geld niemals schläft. Nirgendwo sonst ist die Macht der Finanzmärkte stärker zu spüren. Die Politik US-Präsident Trumps mit seinen staatszentrierten Maßnahmen profitiert vom gegenwärtigen Wirtschaftswachstum und einem Rückgang der Arbeitslosigkeit. Ob sich die Auswirkungen der derzeitigen Politik nicht doch in naher Zukunft in das Gegenteil verkehren werden, bleibt den Analysten und Spekulanten vorbehalten. Wohin wird sich die Weltordnung nun entwickeln? - eine Frage, die man sich weiterhin stellen wird und auf die es eine sichere Antwort wohl nie geben kann. Immerhin ist die Vernetztheit, Vielschichtigkeit und Komplexität der verschiedenen Beziehungen auf der Reise auch in der Kürze der Zeit überaus deutlich geworden.
Autoren: Nina Horn, Frederik Koch und Thomas Przybyla
Die Autoren geben ihre persönliche Meinung wieder.