Ein jeder spürt, die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik ist in rauen Gewässern unterwegs: Syrien, Libyen, Jemen, die Ukraine, amerikanischer Truppenabzug und US-Sanktionen gegen Nord Stream 2, ein auftrumpfendes China und ein offensiv handelnder russischer Präsident. Hinzu kommt, unsere sicherheitspolitischen Deiche zeigen Risse. Der Abschied der USA aus ihrer internationalen Führungsrolle hinterlässt ein gefährliches Vakuum; die NATO ist angezählt; die EU ohne Großbritannien außenpolitisch geschwächt; die multilateralen Ordnungsmechanismen im scharfen Gegenwind der Nationalisten.
Umgeben von Freunden stehen wir in Europa nicht alleine da. Zum Glück. Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik denkt und handelt bereits im europäischen Rahmen. Zugleich sind während unserer EU-Präsidentschaft und parallelen Mitgliedschaft im VN-Sicherheitsrat die Erwartungen an Deutschland besonders hoch. Sie richten sich vor allem auf klare Orientierung und Handlungsfähigkeit. Krisenmanagement ist notwendig, aber wir spüren, die Lage erfordert mehr als reaktives Handeln. Solange wir allerdings in der europäischen Außenpolitik an der strikten Vorgabe der Einstimmigkeit festhalten, hat die Handlungsfähigkeit Europas immer wieder das Nachsehen.
Außenpolitik auf der Basis europäischer Mehrheitsentscheidungen bleibt auf absehbare Zeit eine unrealistische Forderung. Daher braucht es für eine europäische Weltpolitik-Fähigkeit eine „Koalition der Entschlossenen. Der Weg ist realistisch, aber er hat seinen Preis, denn er belastet den Zusammenhalt der EU. Die Kunst wird darin bestehen, Kraft und Handlungswillen einer solchen Gruppe von Mitgliedsstaaten jeweils flexibel und doch Legitimität vermittelnd mit dem EU-Gesamtrahmen zu verbinden. Das erfordert Phantasie, Sinn für europäische Solidarität und viel Fingerspitzengefühl: Transparenz gegenüber - allen - Mitgliedsstaaten; Offenhalten der Tür für Nachzügler; faire Finanzierungsmechanismen; Brückenschlag in Bereiche, in denen die EU einstimmig agiert...
Nur zwei europäische Staaten hätten gemeinsam die Kraft, das kontroverse Konzept positiv mit Leben zu füllen, Deutschland und Frankreich. Haben sie auch den Mut - und die politische Weisheit, die anderen Mitgliedsstaaten auf diesem Weg mitzunehmen? Außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit verleiht dem europäischen Projekt mehr Legitimität. Daran haben alle ein Interesse. Hören wir auf damit, Europa zum Sündenbock für Nicht-Handeln zu machen. Bieten wir stattdessen politische Führung an, die erklärt was sie will, um Gleichgesinnte wirbt und als Koalition europäischer Staaten entschlossen handelt.
Botschafter Ekkehard Brose ist Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Zuvor war er Beauftragter für Zivile Krisenprävention und Stabilisierung im Auswärtigen Amt und von 2014 bis 2016 Deutscher Botschafter im Irak. Der Autor gibt seine persönliche Meinung wieder.