Der NATO Talk 2021 der Deutschen Atlantischen Gesellschaft und der BAKS nahm gemeinsam mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg aktuelle Herausforderungen der NATO zwischen Bündnisverteidigung und internationalem Krisenmanagement in in den Blick.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte für den NATO Talk 2021 klare Erwartungen an die neue Bundesregierung im Gepäck. Mit Blick auf das Zwei-Prozent-Ziel der Allianz stellte Stoltenberg klar: „Ich zähle auf Deutschland, weiterhin in die Verteidigung zu investieren.“ Ebenso zähle er auf ein deutsches Festhalten an der nuklearen Teilhabe der NATO, denn diese sei „unsere ultimative Sicherheitsgarantie“, so der Generalsekretär. „Unser Ziel ist eine Welt frei von Nuklearwaffen. Doch solange andere sie besitzen, muss auch die NATO über sie verfügen“, hielt er fest. Die Konferenz der Deutschen Atlantischen Gesellschaft und der BAKS fand in diesem Jahr abermals unter strengen Infektionsschutzauflagen statt und wurde auf dem als Studio ausgestatteten Boot ThePioneerOne ausgerichtet, das durch das Regierungsviertel kreuzte.
Für Stoltenberg kommt Berlin eine zentrale Rolle für die Geschlossenheit des Bündnisses zu: „Sie stehen im Herzen Europas, haben die größte Wirtschaftskraft, und Sie sind Champion des Multilateralismus“, wandte er sich direkt an die Bundesrepublik. „Deutschland hat also eine besondere Verantwortung, die Stärke der NATO zu erhalten“, so Stoltenberg. In Zeiten wachsender Herausforderungen durch Russland und China sei das besonders wichtig, denn ein vereintes Auftreten im Bündnis sei „der beste Weg, diesen zu begegnen.“
Nach Afghanistan: ein "Team Red" fürs Krisenmanagement
Während Stoltenberg anschließend Bundeskanzlerin Angela Merkel traf, blickte der NATO Talk intensiv auf den Einsatz in Afghanistan, um daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen. BAKS-Präsident Ekkehard Brose dabei stellte den Vernetzten Ansatz deutscher Sicherheitspolitik ins Zentrum. Dieser sei in Afghanistan zwar teils erfolgreich praktiziert worden, „am allerwenigsten aber haben wir ihn zuhause verwirklicht“, kritisierte der Botschafter - „Eine Afghanistan-Politik aus einem Guss, mit Verve öffentlich vertreten von allen verantwortlichen Ressortleitern und dem Kanzler beziehungsweise der Kanzlerin – wann hat es die gegeben?“
Die künftige Bundesregierung habe die Chance, „in den eigenen vier Wänden“ mehr Kohärenz zu schaffen „zugunsten einer angemessenen Handlungs- und Führungsfähigkeit Deutschlands in Krisen“, so Brose. Innerhalb der Bundesregierung brauche es zudem ein fest eingerichtetes „Team Red“, um regelmäßig eine „grundlegende Überprüfung von Zielen, Zielerreichung und Mitteleinsatz“ vorzunehmen, sagte der BAKS-Präsident. Die parlamentarische Kontrolle sei wichtig, aber sie müssen durch eine Kontrollinstanz innerhalb der Bundesregierung ergänzt werden.
Übergeordnete Ziele und die Realität vor Ort kritisch in den Blick nehmen
Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Generalleutnant Markus Laubenthal unterstrich, dass es an der Zeit sei, Lehren zu ziehen – „gründlich und ehrlich“, gerade mit Blick auf künftige Missionen. Denn es stehe fest, dass Einsätze außerhalb des NATO-Bündnisgebiets weiterhin eine wichtige Aufgabe der Allianz seien, da Krisen sich stets überregional auswirkten. Der Afghanistan- Einsatz der NATO habe „für Sicherheit und Stabilität gesorgt, die Entwicklungshilfe und Wiederaufbau erst ermöglicht haben“. Doch die übergeordnete Zielsetzung sei kritisch in den Blick zu nehmen: „Was wollen wir also erreichen? Was können wir erreichen?“ Laubenthal spitzte zu: „Nicht jedes Land benötigt ein Zweikammerparlament nach westlichem Vorbild, bevor ein Krisenmanagementeinsatz militärisch beendet werden kann“.
Sarah Bressan vom Global Public Policy Institute (GPPi) mahnte in diesem Zusammenhang einen realistischeren Blick auf die Situation in Krisenländern an: "Die afghanische Armee habe 'einfach die Waffen fallen lassen', ist eine vereinfachte und unzufriedenstellende Analyse", sagte sie mit Blick auf die Machtübernahme der Taliban. "Uns fehlt oftmals die Perspektive und das Verständnis von der Lage vor Ort" - das sei mit Blick auf künftige Engagements im Krisenmanagement unbedingt zu reflektieren, so Bressan.
China und der Westen
Daneben nahm der NATO Talk wie jedes Jahr ein breites Spektrum von Fragen in den Blick, die das Bündnis und seine Mitglieder beschäftigen. So waren zum Beispiel die Beziehungen des Westens zu China ein vieldiskutiertes Thema der diesjährigen Konferenz. „Wir Europäer müssen laut und deutlich sprechen, wenn China die internationale Ordnung herausfordert“, sagte die Beauftrage für Sicherheitspolitik im Auswärtigen Amt, Tjorven Bellmann.
Dabei sei es „absolut zentral, uns mit den USA in unserer Chinapolitik abzustimmen“, so Bellmann weiter. Gerade mit Blick auf Deutschland sah der Direktor der Joint European Disruptive Initiative André Loesekrug-Pietri hier Klärungsbedarf: „Wenn die Deutschen glauben, sie könnten mit China Handel treiben wie zuvor“ und gleichzeitig eine harte Haltung gegenüber der Volksrepublik einnehmen, dann sei das „eine Illusion.“
Die NATO Talk Konferenz
Die Konferenz wurde 2008 als NATO Talk Around the Brandenburger Tor von der Deutschen Atlantischen Gesellschaft ins Leben gerufen. Seit 2014 wird sie gemeinsam mit der Bundesakademie für Sicherheitspolitik ausgerichtet. Die Konferenz bringt einmal im Jahr nationale und internationale Fachleute und Entscheidungsverantworltiche zusammen, um über aktuelle Fragen der NATO zu diskutieren.
Autoren: Redaktion