Die BAKS bildet in regelmäßigen Themenworkshops die wichtigsten Methoden Strategischer Vorausschau aus und stellt sie in einer Serie an dieser Stelle kurz vor. In Teil 6 geht es um die Causal Layered Analysis. Diese Methode interpretiert Trends und Herausforderungen unter Berücksichtigung ungewöhnlicher Perspektiven.
Die Causal Layered Analysis (CLA), zu deutsch etwa: kausale Schichtanalyse, ist eine Technik, die in der strategischen Vorausschau eingesetzt wird und vom pakistanisch-australischen Zukunftsforscher Sohail Inayatullah entwickelt wurde. Die CLA ist eine „up-to-down“ Analysemethode, die Trends und Herausforderungen unter Berücksichtigung ungewöhnlicher Perspektiven und Ebenen sowie den dahinterstehenden Weltansichten und Normen interpretiert. Sie gehört, wie auch die Delphi-Methode, zu den kritisch reflexiven Methoden der Zukunftsforschung. Die CLA befasst sich allerdings vordergründig mit der rein sprachlichen Reflexion, um vorhandene Denkmuster zu durchbrechen und tiefer begründete Faktoren offen zu legen.
Die Analyse erfolgt auf vier Ebenen: In der ersten Ebene (litany) werden zentralen Entwicklungen und Herausforderungen zunächst identifiziert und ausschließlich deskriptiv betrachtet. In der zweiten Ebene der Analyse (system) kommt eine Betrachtung der systemischen Ursachen dieser Entwicklungen hinzu. Diesen werden beispielsweise unter ökonomischen, historischen, politischen oder sozialen Einflussfaktoren untersucht. Die vorherrschenden Meinungen in diesen Bereichen werden in der dritten Ebene (world view) analysiert, welche das Verständnis der ersten beiden Ebenen beeinflusst. Hierzu gehören die am schwersten zu beeinflussbaren Faktoren, wie kulturhistorische, sprachliche oder traditionelle Weltanschauungen. Schließlich erfolgt in der vierten Ebene (metaphor) eine kritische Auseinandersetzung mit den bekannten Sichtweisen und Annahmen. Das können auch tiefverwurzelte Weltanschauungen, gültige Verträge, kulturelle Normen oder politische Entscheidungen sein. Dadurch können gängige Erklärungsmuster aufgedeckt und einer Mythenbildung entgegengewirkt werden. Die vierte Ebene bildet deskriptiv die Grundlage der anderen Ebenen und ist damit eine Art verankerter Gründungsmythos. Ohne die Berücksichtigung dieser Erkenntnis kann keine nachhaltige Umgestaltung in den anderen Ebenen erfolgen.
Beispiele für die Methode der Causal Layered Analysis finden sich in nahezu allen thematischen Bereichen der strategischen Vorausschau. Neben der Kenntnis der Ebenen zum Verstehen von Gegenwart und Zukunft dient die CLA vor allem dazu, bislang unerkannte Probleme aufzudecken, wünschenswerte Zukünfte zu erdenken oder alternative Weltanschauungen zu vergleichen.
Anwendungsbeispiel 1: Rassismus am Beispiel George Floyd
Die erste Ebene (litany) beschreibt Rassismus anhand eines Fallbeispiels: George Floyd, ein Afroamerikaner, der durch das Einsetzen eines verbotenen Polizeigriffs eines weißen Polizisten bei seiner Festnahme ums Leben gekommen ist. In der zweiten Ebene (system) wird systemischer Rassismus in den USA beispielsweise anhand von Polizeigewalt gegen AfroamerikanerInnen, der Vergabe von Krediten und Vermietung an AfroamerikanerInnen sowie einer verstärkten Diskriminierung im Gesundheitssystem seit der Pandemie untersucht. In der dritten Ebene (world view) werden vorhandene Meinungsbilder, wie beispielsweise die lange Zeit vorherrschende „rassistische Überlegenheitstheorie von Weißen“ miteinbezogen. Die vierte Ebene (metapher) analysiert die genauen Zusammenhänge von Meinungsbildern, systemischem Rassismus und dem Tod Floyds. Daraus ergibt sich eine Forderung nach einer alternativen Zukunft: Eine veränderte soziale und ökonomische Unterstützung von AfroamerikanerInnen sowie eine Reform des Polizeiapparates, um die rassistischen Strukturen in Amerika aufzulösen.
Anwendungsbeispiel 2: Auswirkungen des Klimawandels
Die erste Ebene (litany) beschreibt einen steigenden Meeresspiegel und Dürrekatastrophen in Wüstengebieten. In der zweiten Ebene (system) werden bekannte Ursachen, wie beispielsweise das Abschmelzen der Polkappen und veränderte Einflussfaktoren für das Wetter hinzugezogen. In der dritten Ebene (world view) werden die vorhandenen Meinungsbilder dazu formuliert, zum Beispiel Umweltverschmutzungen oder Raubbau an der Natur. Die vierte Ebene (metapher) analysiert die genauen Zusammenhänge, wie beispielsweise die Zerstörung der Ozonschicht durch Verbrennung fossiler Brennstoffe. Dadurch können die Ursachen für die Entstehung des Klimawandels identifiziert und notwendige Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.
Mehr Informationen zu Strategischer Vorausschau an der BAKS finden Sie in diesem Websitebeitrag.
Autoren: Marie Fischer / Sebastian Bollien / Andreas Beu