Unser Denken über die Zukunft wird maßgeblich von aktuellen Geschehnissen beeinflusst; Kriege, Klimakatastrophen, Wirtschaftskrisen, Pandemien oder gesellschaftliche Spannungen erschüttern die konventionellen Vorstellungen über die Zukunft und erschweren es, positive Strategien für den Umgang mit der Ungewissheit zu entwickeln. Zukünftelabore setzen hier an. In ihnen spielen Utopien und alternative Zukünfte eine zentrale Rolle, um kraftvolle neue Denkanstöße für die Gegenwart zu finden.
Das grundlegende Konzept des Zukünftelabors (engl. Futures Literacy Labs) entstand aus Initiativen der UNESCO, die eine allgemeine „Zukünftekompetenz“ (Futures Literacy) zu einer Kernkompetenz des 21. Jahrhunderts erklärte. Die Methode gilt als wichtiger Baustein, um versteckte Annahmen über die Zukunft sichtbar zu machen und mit ihnen in einem kreativen Rahmen zu experimentieren. In den verschiedenen Phasen des Labors wird regelmäßig eine große Vielfalt an ungeahnten Zukünften erdacht und die Vorstellungskraft der Teilnehmenden angeregt. So können neue Ideen für den Umgang mit der Zukunft entstehen.
Das Thema eines Labors ist in der Regel zu Beginn sehr breit gefasst, zum Beispiel „Zukünfte der Demokratie“ oder „Zukünfte des Wohnens“ mit einem definierten Zeithorizont. Im Lauf eines Labors oder im Nachgang entwickeln sich in der Regel oft konkretere Themen und Fragestellungen für die weitere Betrachtung.
Ein Zukünftelabor besteht üblicherweise aus bis zu vier Phasen. Mehrere Arbeitsgruppen durchlaufen die einzelnen Schritte des Labors und eine geschulte Gruppenmoderation begleiten die Phasen, sodass auch zwischen der kreativen Gruppenarbeit die Ergebnisse allen Teilnehmenden präsentiert werden.
Die erste Phase betrachtet zunächst die wahrscheinlichen Zukünfte. Die Teilnehmenden versetzen sich gedanklich in die Zukunft des Laborthemas und tragen ihre Erwartungen zusammen, zum Beispiel durch erstellte Bilder oder Zeitungsüberschriften. Im nächsten Teilschritt werden unabhängig von den Erwartungen die Wünsche an diese Zukunft erdacht. Beides hilft, bislang versteckte Grundannahmen über die Zukunft sichtbar zu machen.
In der zweiten Phase wird mit den aufgedeckten Annahmen über die Zukunft experimentiert und alternative Zukünfte formuliert. Diese bringen weitere Überlegungen zu Akteuren, Ereignissen oder systematischen Ursachen zukünftiger Entwicklungen in das Labor ein. Nach dem Abschluss der ersten beiden Phasen wich eine begrenzte Zahl von Erwartungen einer Vielfalt an neuen Möglichkeiten und Annahmen aus denen neue Impulse entstehen sollen.
Die dritte Phase des Labors bringt die Teilnehmenden daher wieder in die Gegenwart zurück. Mit dem Wissen um die Vielfalt der Zukunft werden hier neue, kraftvolle Fragen an die Zukunft gestellt, die vor dem Labor noch im Verborgenen lagen. Mit diesen Fragen können in der vierten Phase des Zukünftelabors neue Handlungsoptionen entstehen, Prototypen, neue Forschungsfragen oder Themen für weitere Labore.
Der Umfang der einzelnen Phasen hängt dabei stets von der Fragestellung und den Rahmenbedingungen der Gruppe ab. Kleinere Labore als Kreativitätstechnik, Inspiration oder dem Kennenlernen der Vielfalt von Zukunft können nach wenigen Stunden beendet sein. Umfangreichere Labore mit konkreten Zielsetzungen für Strategien oder der Entwicklung neuer Produkte dauern mitunter mehrere Tage. Alle Labore haben gemeinsam, dass die Teilnehmenden einen Sinn für die Ungewissheit und Formbarkeit der Zukunft verinnerlichen und damit zum Impulsgeber für zukünftige Transformation werden können.
Mehr Informationen zu Strategischer Vorausschau an der BAKS finden Sie in diesem Websitebeitrag.
Autor: Sebastian Bollien