Design Fiction ist eine weitere Methode im Werkzeugkasten der Strategischen Vorausschau, aus der sich greifbare Zukunftsszenarien entwickeln lassen. Durch die bewusste Missachtung aktueller technischer Beschränkungen öffnen sich neue Möglichkeiten der Designpraxis und eine Art „materialisiertes Gedankenexperiment“ entsteht. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um eine kreative Methode, bei der fiktive Geschichten und Szenarien entwickelt werden, die eine Zukunft darstellen, die noch nicht eingetreten ist. Die Grenze zwischen wissenschaftlichem Forschungsstand und Science-Fiction verschwimmt, so dass Platz für neue Perspektiven und Innovation entstehen kann. Design-Fiction ermöglicht damit eine greifbare gedankliche Szenarioarbeit.
Das Konzept tauchte erstmals zwischen 2005 und 2006 in literarischen Werken auf. Dank des technologischen Fortschritts, wie zum Beispiel der 3D-Druck, ist Design Fiction zu einem erlebbaren Werkzeug geworden. Die Methode basiert auf der Annahme, dass die Entwicklung von Innovationen und Technologien nicht nur von technischen Faktoren, sondern auch von sozialen, kulturellen und politischen Faktoren beeinflusst wird. Design Fiction hilft, diese Faktoren zu identifizieren und zu untersuchen, indem es eine Geschichte oder ein Szenario entwickelt, das eine mögliche Zukunftswelt beschreibt.
Die Verwendung von Design Fiction kann mithilfe von Storytelling zusätzlich bereichert werden. So können zum Beispiel aktuell unmögliche technische Innovationen anschaulich umschrieben und somit greifbarer gemacht werden. Eine literarische Einbettung von Szenarien wirkt inspirativ auf die Vorstellungskraft anderer Menschen und ermöglicht eine neue Grundlage für weitere Szenarien. Die Plausibilität der zukünftigen Entwicklung steht dabei zunächst im Hintergrund.
Design Fiction eignet sich für Diskussionen über mögliche Szenarien, welche auf der Grundlage noch nicht existierender Technologien oder Systeme beruhen. Aus diesem Grund eignet sich die Methode nicht nur für Wissenschaftler, sondern auch für Künstler, Ingenieure oder Architekten in ihren jeweiligen Bereichen. Auch kann diese Methode als exploratives Früherkennungsinstrument genutzt werden, um potenzielle Folgen zu erkennen. Sobald man im Szenarioprozess die sozialen, wirtschaftlichen, technologischen, politischen und weitere Querverbindungen einordnet und kontextualisiert, exploriert man bereits mögliche und wahrscheinliche Folgen.
Ein Vorteil zu „klassischen“ Szenarien ist bei dieser Methode das explorative Element. Die Verlagerung von der gegenwärtigen Zukunft zur zukünftigen Gegenwart erfordert Kreativität und macht Design Fiction mehr zu einem Kommunikationsszenario als zu einem Strategieszenario. Anschaulich dargestellt wird dieses Konzept in der erfolgreichen Science-Fiction-Serie „Black Mirror“ auf Netflix. Ein Beispiel für die erfolgreiche Verwendung dieser Methode könnte die aktuelle Auseinandersetzung mit der militärischen Nutzung des Weltraums mit noch nicht verfügbarer Zukunftstechnologie sein. Design Fiction eignet sich insbesondere für Diskussionen über technologische Fortschritte, zum Beispiel über bezahlbare, grüne und massentaugliche Antriebsmöglichkeiten im Verkehrssektor oder Heilmittel gegen Volkskrankheiten. Werden hier die Limitationen des aktuellen Forschungsstands überwunden, können automatisch neue Szenarien entstehen.
In diesem Zusammenhang ist das Wissen über den Stand der Wissenschaft jedoch unabdingbar. Es empfiehlt sich daher eine Einbeziehung beteiligter Institutionen und Experten, die praktische Erfahrungen und Kenntnisse beisteuern und so erfolgversprechende Optionen aufzeigen. Umgekehrt können die bereits in der Szenarienentwicklung gewonnenen Erkenntnisse von Implikationen auf unsere Gegenwart wieder zurück in den Entwicklungsprozess fließen. Die Methode lässt sich gut in komplexere Workshops einbauen und kann supplementär genutzt werden.
Mehr Informationen zu Strategischer Vorausschau an der BAKS finden Sie in diesem Websitebeitrag.
Autor: Tim Schafranek