Über die letzten Jahrzehnte hat das sicherheitspolitische Engagement Deutschlands im Rahmen internationaler Kriseneinsätzen stetig zugenommen. Rahmenbedingungen, Ziele und Erfolgskriterien dieses Engagements stehen dabei ebenso im Fokus der außen- und sicherheitspolitischen Diskussion wie die Frage nach der Kohärenz des Handelns der beteiligten Akteure - wie VN, NATO, EU, OSZE – einerseits, staatlicher und nichtstaatlicher Akteure andererseits. Das Seminar für Sicherheitspolitik hat sich mit diesen Fragestellungen im Rahmen des Moduls 6 "Umgang mit Krisen" eingehend befasst. In einer Feldstudie nach ISRAEL und in die palästinensischen Autonomiegebiete wurden beispielhaft Möglichkeiten und Grenzen des Engagements analysiert.
Konflikte: Ursachen und Dynamiken, Deutsche Instrumente
Auf Basis der vorangegangenen Module beschäftigten sich die Vorträge und Diskussionen zunächst vertiefend mit der Komplexität von Konfliktursachen und –Dynamiken sowie den politischen Prioritäten Deutschlands in regionalen Konflikten.
An historischen und aktuellen Beispielen wurde schnell deutlich, dass externes Engagement in Krisen nur dann nachhaltige Wirkung entfalten kann, wenn es unter Akzeptanz der Konfliktparteien erfolgt. Über die letzten Jahrzehnte hat das sicherheitspolitische Engagement der Bundesrepublik Deutschland - insbesondere der konkrete Beitrag mit militärischen und zivilen Sicherheitskräften - im Rahmen internationaler Kriseneinsätzen stetig zugenommen. Einsätze auf dem Balkan und in Afghanistan, aber auch Missionen zum Schutz von Seewegen bzw. Kampf gegen die internationale Piraterie prägen mittlerweile das Bild von Bundeswehr bzw. Polizei. Aufgrund der vielfältigen Ursachen von Krisen ist zu deren Bewältigung in der Regel ein mehrdimensionaler, koordiniert agierender Ansatz von Instrumenten und Akteuren erforderlich. Nichtmilitärische Instrumente der Krisenprävention bzw. Konfliktlösung aber auch des Neu-/Wiederaufbaus von regierungsmäßigem Handeln und nachhaltiger Entwicklungshilfe sind dabei von großer Bedeutung. Wesentliche Akteure sind neben Experten insbesondere auch Nichtregierungsorganisationen. Auf Basis dieser Erkenntnisse diskutierte das Seminar nicht nur mögliche zentrale Richtlinien für außenpolitisches Handeln sondern auch die einzusetzenden Instrumente und Ziele sowie den bestmöglichen Instrumentenmix. Dabei fanden auch besondere Aspekte, wie zum Beispiel die Rolle von Frauen in und nach bewaffneten Konflikten Berücksichtigung. Obwohl jeder Konflikt unterschiedlich ist und damit einer konkreten Einzelfallbetrachtung bedarf, sollte sich deutsches Handeln aus einer übergreifenden nachvollziehbaren Strategie ableiten lassen.
Deutsche Nahostpolitik
Ein weiterer Abschnitt des Moduls begann mit einer grundlegenden Betrachtung des Nahostkonfliktes aus – neutraler - völkerrechtlicher Sicht durch Prof. Dr. Gerd Seidel von der Humboldt-Universität Berlin. Schließlich liegen seit Jahrzehnten eigentlich sehr eindeutige völkerrechtliche Rahmenbedingungen für Israel, Syrien, Jordanien, Ägypten und die palästinensischen Gebiete vor. Aufbauend auf dieser Basis schlossen sich dann insbesondere in der Gesamtschau sehr interessante Ausführungen zur Nahost-Politik aus unterschiedlicher Perspektive an, zunächst aus der deutschen Sicht des Auswärtigen Amtes. Danach waren sowohl der Generaldelegierte Palästinas in Deutschland, Botschafter Salah Abdel Shafi, als auch Dr. Rafael Seligmann als Herausgeber der "Jewish Voice from Germany" zu Gast im Sicherheitspolitischen Seminar.
Die regionalen Rollen von Iran und Ägypten
Iran kannten wir bisher als von Israel und anderen mit Beunruhigung beobachtete regionale Macht. Herr Dr. Matthias Küntzel blickte mit uns über diese im Alltag und den Zeitungen diskutierte atomare Bedrohung weit zurück und schärfte unser Verständnis warum der Iran oder vielmehr dessen Regime so ist wie es ist. Der Westen gäbe sich nicht genug Mühe, den Iran zu verstehen ("Iran spielt Schach, Westen würfelt"). Nur wenn man sich in den ideologischen Hintergrund dieses revolutionären Landes (z.B. durch Khomeinis Werk "Der islamische Staat") ein-denke, kann man auch erfolgreich mit Iran verhandeln und zu einer Annährungen kommen. Spannend zu beobachten bliebe die weitere Entwicklung des Iran, weil die uns erklärten und historisch hergeleiteten ideologischen Punkte längst nicht mehr von der Bevölkerung geteilt werden.
Der ägyptische Botschafter Salah Abdel Shafi empfing das Seminar in seinem herrschaftlichen Bau nahe des Tiergartens. Im Israel-Palästina Konflikt sei das Engagement der USA sehr wichtig, aber auch EU solle sich mehr einbringen und "not only a payer, but also a player" sein.
Judentum und Israelis in Berlin
Berlin ist eine Stadt, die stark von jüdischen Traditionen geprägt ist. Vieles von diesen Traditionen wurde in den 1930-40-er Jahren zerstört, so sind mehrere Orte, die für das jüdische Leben in Berlin Bedeutung hatten – die erste Synagoge in der Heidereutergasse, der erste Friedhof in der groen Hamburger Straße – sind nur noch in kleinen Spuren erhalten. Eine Tour führte die SP13 Gruppe von einer der ältesten Straßen der Stadt – der Jüdenstraße – zur Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße, wo ihnen in einer Dauerausstellung die Geschichte des Hauses sowie des jüdischen Umfelds gezeigt wurde.
Mit der Wiedervereinigung im Jahre 1990 fusionierten die beiden Jüdischen Gemeinden (Ost- und West-Berlin), und in 2006 erfolgte der Umzug vom bisherigen Gemeindesitz im Westteil der Stadt zurück an seinem ursprünglichen Ort in der Oranienburger Straße. Nach Aussagen des "American Jewish Committee" ist Berlin derzeit die weltweit am schnellsten wachsende jüdische Gemeinschaft. Dies ist bedingt durch die Zuwanderung von Juden aus der Sowjetunion beziehungsweise ihren Nachfolgestaaten in den letzten Jahren.
Heute lebt in Berlin neben der jüdischen eine eigenständige israelische Gemeinde. Nach dem Zurückkehren des Seminars nach Berlin aus Israel hatten die Teilnehmer(innen) die Gelegenheit mit einer kleinen Gruppe von in Berlin lebenden jungen Israelis Austausch über ihre Erfahrungen von der Nahostreise zu haben. In den vergangenen zehn Jahren sind Tausende jüdische Israelis nach Berlin gezogen – manche bleiben nur ein paar Monate, andere lassen sich dauerhaft nieder und gründen hier Familien. Die multikulturelle Atmosphäre erinnert viele Israelis an ihre Heimat – gleichzeitig lässt es sich in Berlin ruhiger leben als in Israel und billiger als in anderen europäischen Metropolen. Zwar sind sie weit von ihrem Land, die jungen israelischen Gesprächspartner der SP13 verfolgen tagtäglich durch online Informationsquelle die Aktualitäten in Israel, und machen sich Sorgen um solchen Tendenzen wie die zunehmende Kluft zwischen die Reichsten und die Unterschicht in der israelischen Gesellschaft, die fortdauernde jüdische Siedlungsaktivität in der Westbank die Spannungen mit den Palästinensern erzeugt und die Hoffnungslosigkeit der Bevölkerung auf beiden Seiten was den Friedensprozess – trotz der neuesten amerikanischen diplomatischen Bemühungen – betrifft.
Die Feldstudie in Israel und die Palästinensischen Gebiete
Die Studienreise führte das Seminar erstmals nach Tel Aviv, wo der Einstieg mit Vertretern der deutschen Presse, der deutschen Botschaft, Friends of the Earth/Middle East (Thema Wasserpolitik innerhalb der Region) und ACRI (Thema Menschenrechte) stattfand. Danach wurde das Seminar vom Israel National Defense College (INDC) begrüßt und zu diversen Themen der nationalen und regionalen Sicherheit informiert. Hierzu führte das INDC die Gruppe an einen Grenzübergang zum Westjordanland und nach Sederot, die nächstgelegene Stadt am Gazastreifen, um hautnah das Sicherheitskonzepts Israel zu erklären.
Die Studienreise bewegt sich anschließend an die nördliche Grenze zu Libanon und Syrien und auf die besetzten Golan Höhen, ein strategisch-wichtiges Plateau nicht nur für die nationale Wasserversorgung aber auch für die nationale Verteidigung. Hier würde auch die VN-beobachte entmilitarisierte Zone zwischen Israel und Syrien, samt einigen UNDOF-Standorten, und die Überreste des Yom Kippur Kriegs aus 1973 gesehen. Vom Tiberias aus ging die Reise entlang des Jordans bis an das Tote Meer und anschließend bergauf nach Jerusalem, um die Reise von hier aus abzurunden. Von Jerusalem aus konnte das Seminar diverse historische Orte besuchen, mit Regierungsvertretern aus dem Außenministerium und mit dem National Sicherheitsratschef sprechen und eine Führung durch die Gedenkstätte Yad Vashem samt Kranzniederlegung erleben.
Die palästinensischen Gebiete bestehend aus Gaza und der Westbank waren das zweite große Thema der Studienreise. Im Rahmen der Analysen dazu wurden verschiedene Aspekte wie z.B. Sicherheit, Geographie, Wirtschaft, Ressourcen und Flüchtlinge behandelt. Insbesondere die Gespräche mit der israelischen Militärverwaltung für die besetzten Gebiete (COGAT) und der UN-Organisation OCHA lieferten aktuelle Bilder zu der Lage in den palästinensischen Gebieten.
Dabei wurden die aus den Oslo-Verträgen hervorgegangene administrative Verwaltung der Gebiete mittels dreifacher Aufteilung (A-, B- und C-Gebiete) und die aus dem Status dieser Gebiete resultierenden Konsequenzen ausführlich untersucht. Die Auswirkungen und das Ausmaß der Siedler- und Siedlungsaktivitäten, die Einschränkungen für die Bewohner der Gebiete, insbesondere die Bewegungsfreiheit, wurden ebenfalls dargelegt. Die Situation der palästinischen Flüchtlinge wurde im Flüchtlingsdorf Zubeida im Jordantal, sowie in Balata bei Nablus, dem größten Flüchtlingslager in der Westbank, vor Ort mit Vertretern aus Verwaltung, GIZ und Palästinensischer Autonomiebehörde besprochen. Das Treffen mit dem palästinischen Meinungsforschungsinstitut National Media Center in Nablus diente dazu über die aktuelle Stimmungslage der palästinischen Bevölkerung zu informieren. In einem Gespräch mit dem Verhandlungsteam der PLO in Ramallah wurden die palästinische Verhandlungsstrategie sowie der aktuelle Stand der Verhandlungen mit Israel vorgestellt. Ein Schwerpunkt der Studienreise bildeten die Treffen mit den lokalen NGO’s "Friends of the Earth, B’Tselem, Breaking the Silnce, Ir-Amin" und "Catholic Centre for Human Rights St. Yves", die Einblicke in die Wasserproblematik, Menschrechtslage, Siedlungsaktivitäten insbesondere in und um Jerusalem, sowie der Konflikt in Hebron lieferten. Das Ausmaß der Einschränkungen und die Intensität des palästinischen-israelischen Konflikts zeigten sich in besonders deutlicher Weise bei einer von "Breaking the Silence" geführten Begehung durch die Stadt Hebron.
These
Externes Engagement in Konflikten kann nur dann nachhaltige Wirkung entfalten, wenn es unter Akzeptanz der Konfliktparteien erfolgt. Eine wirkliche Entspannung kann es allerdings nur geben, wenn die Konfliktparteien bereit sind, verhärtete Positionen in den Hintergrund zu stellen und – ggf. gemeinsam mit Vermittlern – gemeinsame, einbeziehende Lösungen zu entwickeln.
Autor: Arbeitsgruppe Krisen SP 13