Beim jährlichen „Follow-up“ diskutierten vorige Seminarteilnehmer der BAKS am 5. und 6. November über Energiesicherheit.
31 ehemalige Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Jahrgänge 2011 bis 2015 aus dem Seminar für Sicherheitspolitik haben sich in der ersten Novemberwoche zu der zentralen Alumni-Veranstaltung in der BAKS versammelt. Dabei diskutierten die Sicherheitsfachleute mit weiteren Experten die Themen Energie und Rohstoffabhängigkeit im sicherheitspolitischen Kontext.
Dr. Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und Olaf Martins vom Energiekonzern ExxonMobil eröffneten die Veranstaltung mit einem Panel, auf dem sie künftige Herausforderungen an deutsche und europäische Energiepolitik vorstellten. Die Panelisten sprachen Energiesicherheit, Klimaschutz und Nachhaltigkeit sowie ökonomische Effizienz an. Dieses Setting müsse, so die Meinung, noch um den wichtigen Aspekt der Menschenrechte erweitert werden. Die Elemente seien teilweise kongruent, teilweise ständen sie allerdings auch in Konflikten zueinander, was eine Priorisierung erfordere. Braml betonte, dass ein Land wie Deutschland es sich nicht leisten könne, keine vernetzte nationale Sicherheitsstrategie, die auch die Energiefrage aufgreift, zu haben. Energiepolitik, so der Think-Tanker weiter, sei im Grunde Geopolitik, und müsste auch so von den Regierungen begriffen werden.
Olaf Martins sprach sich dafür aus, bei energiepolitischen Fragen in erster Linie den Markt entscheiden zu lassen, da die Politik noch nie ein guter Unternehmer gewesen sei. Daran, was der Markt nachfrage, richteten sich schließlich unternehmerische Investitionsentscheidungen aus. Er plädierte ferner für eine stärkere Förderung von neuen Technologien in Deutschland, etwa Carbon Capture and Storage-Technologien (CCS), zur nachhaltigen Erreichung von Klimazielen. Der gegenwärtige Vorsprung der USA sei auf die enorme technologische Vielfalt und einen individuellen Unternehmergeist zurückzuführen.
Friedbert Pflügers vier Energiegesetze
Als Hauptredner während des Seminars erinnerte anschließend Friedbert Pflüger, ehemaliger Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium, CEO der Pflüger International GmbH und Honorarprofessor am King’s College in London, an vier Grundsätze der Energiesicherheit, die bereits im Jahr 1913 Winston Churchill als Erster Lord der Admiralität in einer Rede vor dem britischen Parlament formuliert hatte. Diese hätten ihre Gültigkeit bis heute behalten.
Zunächst müsse die eigene Versorgungssicherheit hergestellt und gewährleistet werden. Pflüger führte hierbei als Idealbeispiel die USA an, die es geschafft haben, von einem abhängigen Energieimporteur zu einer Großmacht im Energieexport aufzusteigen. Als nächsten Grundsatz benannte er die Notwendigkeit einer Diversifizierung im Energiesektor. All jene Staaten, die nicht mit Rohstoffen gesegnet sind, sollten auf ihre Energiesicherheit in Technologien sowie auf eine breit angelegte Diversifizierung ihrer Energiequellen und Versorgungswege setzen. Wechselseitige Abhängigkeiten, als drittes Element, schafften Stabilität und verbesserten das politische Klima.
Pflüger kritisierte, dass in der gegenwärtigen Krise mit Russland häufig das Argument vorgebracht werde, Deutschland solle sich nicht von russischen Gaslieferungen abhängig machen. Hierbei werde allerdings auch gerne vergessen, dass selbst während des Kalten Krieges die Gaslieferungen nach Deutschland eingehalten wurden. Ein freier Markt sei nach Ansicht von Pflüger der vierte Grundsatz: Staaten seien niemals gute Unternehmer, sodass ein freier Markt die besten Bedingungen für Unternehmen und Innovationen schaffe, um Energiesicherheit herstellen zu können.
Mit Blick auf die politischen Beziehungen zu Russland mahnte Pflüger zu Gelassenheit. Insbesondere Wirtschaftssanktionen führten lediglich dazu, dass die Wirtschaftspolitik noch stärker dem Primat Putinscher Sicherheitspolitik untergeordnet werde. Russland müsse vielmehr in seiner Rolle auf dem internationalen Parkett anerkannt werden, um den Dialog offenzuhalten.
Workshops über Energieaußenpolitik, Fracking-Revolution und Europäische Energie-Union
Der zweite Seminartag war von der Arbeit in drei Workshops geprägt. Dr. José Schulz, Referatsleiter im Auswärtigen Amt, leitete den Workshop zur deutschen Energieaußenpolitik. Diskutiert wurden insbesondere Rahmenbedingungen und Herausforderungen deutscher Energieaußenpolitik sowie die Bedeutung der Energiewende in Deutschland.
Der zweite Workshop – unter Leitung von Dr. Lorenzo Cremonese und Dr. Alexander Gusev vom Institute for Advanced Sustainability (IASS) in Potsdam – beschäftigte sich mit den ökonomischen und geopolitischen Auswirkungen der Schiefergas/Öl-Wende in den USA aus akademischer Perspektive. Die Wissenschaftler vermittelten den Teilnehmerinnern und Teilnehmern die technischen Grundlagen des Fracking-Verfahrens und räumten mit gängigen Vorurteilen auf. Sie betonten, dass die politischen, geologischen und rechtlichen Voraussetzungen jedoch zu unterschiedlich seien, um die amerikanische Fracking-Revolution auch in Europa zu replizieren.
Mit der von Donald Tusk vorgeschlagenen Energie-Union beschäftigte sich schließlich der dritte Workshop mit Markus Kamrad aus seiner Perspektive als Berater bei Joschka Fischer & Company in Berlin. Die Teilnehmer entwickelten Szenarien, wie eine solche Union strategisch erfolgreich umgesetzt werden könnte, und identifizierten zugleich mögliche Hindernisse auf dem Weg dorthin. Als Vorbild könnte die Gründung der Montanunion aus den Erfahrungen von zwei Weltkriegen heraus gelten. Obwohl die Energie-Union als durchaus vergleichbares strategisch-visionäres Projekt gelingen könne, sollten die technologischen Herausforderungen nicht unterschätzt werden.
Autorin: Sandra Czubak