Anknüpfend an die Tradition des früheren "Seminars für Sicherheitspolitik" trat am 14. April 2016 zum Abschluss des ersten Moduls des Kernseminars eine hochrangig besetzte Expertenrunde zu den aktuellen Prioritäten der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik zusammen.
Unter der Moderation von BAKS-Vizepräsident Thomas Wrießnig erörterten die stellvertretende verteidigungspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion und BAKS-Beiratsmitglied Karin Evers-Meyer, der stellvertretende Leiter der Migrationsabteilung im Bundesministerium des Innern, Michael Tetzlaff, sowie Svenja Sinjen, Programmleiterin bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), die aus ihrer Sicht dringendsten sicherheitspolitischen Herausforderungen. Dabei lag der Schwerpunkt der Diskussion auf der aktuellen Flüchtlingskrise. Weiterhin debattiert wurde die Frage der Vermittlung politischer Entscheidungen an die Bürgerinnen und Bürger, vor allem in Zeiten starker Verunsicherung, sowie die mögliche Rolle militärischer Einsätze als außenpolitisches Mittel.
In Spitzenzeiten bis zu 15.000 Flüchtlinge täglich
Nach Einschätzung der Panelisten erlebt Europa derzeit eine Flüchtlingsbewegung wie sie seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr aufgetreten ist, was Michael Tetzlaff eindrucksvoll mit Zahlen untermauerte: Mit 1,1 Millionen habe sich im Jahr 2015 die Zahl der in Deutschland Asylsuchenden gegenüber den Jahren zuvor etwa verfünffacht. Zum Höhepunkt des Zuzugs im Herbst des vergangenen Jahres trafen laut Tetzlaff täglich 12.000 bis 15.000 Flüchtlinge ein. Der zwischenzeitlich zu verzeichnenden Rückgang des Zustroms sei unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass Schlepperbanden im Winter witterungsbedingt weniger zum Zuge kämen.
Es bestand Einigkeit auf dem Podium, dass eine dauerhaft tragfähige Lösung auf EU-Ebene gefunden werden müsse. Das Abkommen mit der Türkei sei ein erster Schritt, wenngleich man hiermit auch politisches Neuland betreten habe. Ratlosigkeit herrschte demgegenüber, wie einem möglicherweise in der Reaktion hierauf verstärktem Zuzug über Libyen angesichts der institutionellen Instabilität des Landes begegnet werden sollte.
Mit Blick auf die Ursachen der aktuellen Flüchtlingsbewegung hatte für die Panelisten die Beendigung des Bürgerkriegs in Syrien oberste Priorität. Zugleich stand für sie fest, dass Migrationsbewegungen ähnlicher Art in Zukunft auch aus anderen Teilen Asiens oder Afrikas zu erwarten seien, etwa aufgrund der demografischen Entwicklung oder des Klimawandels.
Politische Entscheidungen transparenter kommunizieren
Gerade die Erfahrungen mit den Reaktionen auf die Flüchtlingskrise in Deutschland und anderen EU-Ländern brachten Karin Evers-Meyer zu der Frage, wie politische Entscheidungen für die Bürger transparent kommuniziert werden können. Die Rolle der Abgeordneten sah sie vor allem darin, als Bindeglied zwischen Gesellschaft und politischem Raum zu wirken.
Ihre Mitdiskutanten stimmten ihr zu, dass das verstärkte Aufkommen populistischer Randparteien in ganz Europa auf das Bedürfnis nach vermeintlich bequemen Lösungen zurückzuführen sei. Gerade in Deutschland spiele die in Zeiten der großen Koalition oft wahrgenommene Verwischung des politischen Profils der Parteien der politischen Mitte den Extremisten an den Rändern in die Hände.
Einen weiteren Bogen schlug Svenja Sinjen, indem sie die Rolle von Militärinterventionen bei der Eröffnung außenpolitischer Optionen thematisierte. Auch wenn militärische Mittel immer ultima ratio bleiben müssten, sei es für sie unverzichtbar, dass diese im Ernstfall auch zur Anwendung kommen können. Als Beispiel führte sie die mangelnde Reaktion der USA im Syrienkonflikt an, als das Assad-Regime mit dem Einsatz von Giftgas die zuvor von US-Präsident Obama selbst eingezogene "rote Linie" überschritt.
Der in der Folge entstandene Glaubwürdigkeitsverlust habe die syrische Regierung in ihrem Kurs bestärkt und zugleich Vladimir Putin ermutigt, an deren Seite in den Konflikt einzutreten. Die Notwendigkeit des Aufbaus angemessener militärischer Kapazitäten in der EU stand für keinen der Panelisten in Frage. Ebenso bestand Einigkeit, dass hier ein stärkeres Zusammenwirken der Mitgliedstaaten notwendig sei, damit Europa zu einem in den Augen der USA verlässlichen Sicherheitspartner werden kann. Es sei evident, dass die USA von ihren europäischen Verbündeten künftig eine größere Übernahme von Verantwortung beim Schutz der gemeinsamen Interessen forderten.
Autor: Thomas Ramsauer