Arbeitspapiere

Nobody Builds Walls Better Than Me - Die Lateinamerikapolitik der USA unter Donald Trump

15/2017
Autor/in: 
Viele Staaten Lateinamerikas sehen seit der Präsidentschaft Donald Trumps ihre Befürchtungen hinsichtlich einer unberechenbaren Außen-, Sicherheits- und vor allem Wirtschaftspolitik der USA bestätigt. Dabei unterscheiden sich die Auswirkungen von Trumps Politik auf die unterschiedlichen Länder stark und scheinen auf die Region als Ganzes nicht ausschließlich negativ zu sein. Inwiefern verändert sich also die US-Politik gegenüber Lateinamerika durch Trump und wie wirkt sich der Machtwechsel in den USA auf die einzelnen Staaten der Region aus?

Die US-Außenpolitik gegenüber Lateinamerika im Wandel

Unter Präsident Barack Obama verfolgten die USA keine einheitliche, kohärente Lateinamerikapolitik. Die außenpolitische Perspektive der Vereinigten Staaten verschob sich zunehmend auf den asiatischen Kontinent. Mittel- und Südamerika wurden eher vernachlässigt, unter anderem da dort aus Sicht der USA keine großen außenpolitischen Herausforderungen existierten. Die einzigen wirklichen Ausnahmen bildeten die Annäherung an Kuba und die Flankierung des Friedensvertrages Kolumbiens mit den FARC-Rebellen. Dabei hätten die ideologische Herausforderung des westlich-liberalen Ordnungsmodells in der Region, die Erosion demokratischer Strukturen und die Verschlechterung der Sicherheitslage vor allem in Mittelamerika der Obama-Administration Anlass zu mehr Engagement gegeben.

Seit der Wahl Donald Trumps stellt sich die Frage, welchen Konzeptionen seine Außenpolitik in erster Linie folgt. Bezüglich Lateinamerika zeichnet sich zunehmend eine Verengung der Außenpolitik auf sicherheits- und migrationspolitische Fragen ab, ebenso wie eine Abkehr vom Verständnis, Lasten im Dienst der internationalen Ordnung in Amerika zu tragen. Unabhängig von diesen Prognosen scheint – aufgrund von Trumps anhaltend widersprüchlichen Aussagen – Unberechenbarkeit eine der wenigen Konstanten seiner Außenpolitik zu sein. Parallel dazu wird sich unter Trump die außenpolitische Perspektive der USA aus drei – sehr profanen – Gründen nicht wieder verstärkt Lateinamerika zuwenden. Erstens spielten süd- und mittelamerikanische Länder mit Ausnahme von Mexiko keine Rolle im Wahlkampf. Zweitens waren weder Trump, noch irgendjemand aus dem inneren Kreis seiner Administration jemals für einen längeren Zeitraum in Ländern Lateinamerikas tätig oder haben für diese in besonderer Weise ein Interesse (mit Ausnahme von Arbeitsminister Acosta, der aber nicht wirklich zu Trumps engsten Vertrauten zu zählen ist). Drittens ist Lateinamerika noch immer die einzige Region weltweit, in der internationaler Terrorismus nahezu bedeutungslos ist und somit eine der wenigen, von der keine direkten Gefahren für US-Bürger und -Einrichtungen ausgehen. Weitere Gründe außerhalb Lateinamerikas sind selbstverständlich die gegenwärtige Gleichzeitigkeit zahlreicher Krisen weltweit und wachsende Hegemonialkonflikte in anderen Regionen der Welt.

Trumps Wirtschaftspolitik

Die zuvor angesprochene Abkehr vom Verständnis, Lasten im Dienst der internationalen Ordnung zu tragen, zeigt sich vor allem in der Wirtschaftspolitik Trumps. Durch seine Wahlsprüche „America First“ und „buy American, hire American“ drückt er die Lossagung vom internationalen Freihandel und die Hinwendung zu protektionistischen Maßnahmen aus. Ein Beispiel für die konsequente Fokussierung darauf ist der Rückzug der USA aus dem noch nicht ratifizierten transpazifischen Handelsabkommen TPP. Der Beitritt der Vereinigten Staaten zum Abkommen mit elf anderen Pazifikanrainerstaaten, unter anderem Mexiko, Chile und Peru, wurde nach sieben Jahren Verhandlungen als eine der ersten Amtshandlungen des Präsidenten rückgängig gemacht. Nimmt man das außenwirtschaftspolitische Narrativ Trumps in den Blick, erscheint die Begründung klar, warum die US-Wirtschaft protektionistischer werden sollte – allerdings erscheint sie auch simplifiziert und etwas verkürzt: Die in den vergangenen 25 Jahren vollzogenen Schritte wirtschaftlicher Integration hätten zu einer Jobflucht und zum niedrigen Wirtschaftswachstum in den USA geführt. Als Eckpfeiler dieser Integration versteht Trump die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens NAFTA zwischen den USA, Kanada und Mexiko im Jahr 1993 und den Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation im Jahr 2001. Diese globalisierungskritische Sicht von Trump schwächt die Position der USA nicht nur auf dem asiatischen Kontinent, auf dem dadurch das derzeit verhandelte Abkommen RCEP mit China in den Vordergrund tritt, sondern auch in den Pazifikanrainern Lateinamerikas.

Vor dem Hintergrund, dass sich in den vergangenen Jahren die politischen Rahmenbedingungen der meisten lateinamerikanischen Länder wie Argentinien, Brasilien, Peru und Uruguay zugunsten der Bereitschaft zu einer vertieften Kooperation mit den USA gewandelt haben, kam die Wahl Trumps besonders ungünstig. Anstatt sich von den Staaten abzukehren, deren vergangene Wahlen das Ende eines seit den 1990er Jahren bestehenden Linksrucks deutlich machten, täte sich Trump einen größeren Gefallen damit, wirtschaftspolitische Beziehungen nicht als Nullsummenspiel zu betrachten und das Potenzial Lateinamerikas zu erkennen und zu nutzen. Bereits jetzt haben die USA im Verhältnis zu den Staaten der Region als Ganzes einen Handelsbilanzüberschuss, das heißt, insgesamt wird mittlerweile mehr aus den USA nach Lateinamerika importiert als von dort in die USA exportiert.

Chinesischer Einfluss und lateinamerikanische Handelsalternativen

Doch schon seit Obamas „Pivot to Asia“ bietet sich China verstärkt als Handelspartner süd- und mittelamerikanischer Länder an. Der Handel zwischen der Volksrepublik und der Region wuchs von 2000 auf 2013 um mehr als das 20-fache an, und für die Jahre 2015 bis 2019 sind von chinesischer Seite Investitionen von 250 Milliarden Dollar in Lateinamerika geplant. Chinesische Banken wie die China Development Bank und die Export-Import Bank of China sind mit Direktinvestitionen und Kreditvergabe sehr aktiv in der Region. Zum Teil ist dieses Engagement positiv zu bewerten, da es zur starken Verringerung der Armut in Südamerika in den vergangenen 15 Jahren beitrug. Allerdings ist das gewachsene chinesische Investment in Schlüsselindustrien wie die Energieversorgung (beispielsweise durch eine Wasserkraftanlage in Ecuador, die über ein Drittel der ecuadorianischen Energie generieren soll) und die Verteidigungsindustrie (unter anderem in Argentinien) kritisch zu betrachten.

Welche weiteren Auswirkungen hätte ein US-amerikanischer Protektionismus auf die Region? Er würde die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass südamerikanische Integrationsbemühungen einen Schub erhalten würden, nicht nur in Bezug auf China. Die Vorbedingung ideologischer Homogenität bestand zwar auch zwischen den Linksregierungen in der Region, doch käme nun erstens eine vergrößerte Affinität zum Freihandel und zweitens die USA als möglicherweise verbindender Opponent von wirtschaftlicher Integration im Norden hinzu. Somit hätten die zum Atlantik hin orientierten Länder, die im Abkommen Mercosur vereinigt sind, und die Pazifik-Allianz zwischen Chile, Kolumbien, Mexiko und Peru seit dem US-Rückzug aus TPP einen verstärkten Anreiz auf vertiefte Zusammenarbeit. Gleichzeitig will sich der Mercosur stärker in die Weltwirtschaft integrieren, woraus ein „window of opportunity“ für ein Handelsabkommen zwischen dieser regionalen Kooperation und der Europäischen Union entstehen könnte, wenngleich die politischen Vorbedingungen in Europa derzeit nicht gegeben scheinen.

Die Beziehungen der USA zu Mexiko

Im Gegensatz zu anderen lateinamerikanischen Ländern zeichnet sich ab, dass die Auswirkungen der Wahl Trumps für Mexiko weitreichend sein werden. Zentrale Wahlversprechen wie die Stärkung der amerikanischen Wirtschaft durch protektionistische Maßnahmen und eine kompromisslose Migrationspolitik erinnern an die US-Außenpolitik der 1920er und 1930er Jahre und würden vor allem auf dem Rücken Mexikos ausgetragen werden. In der nach nationaler Souveränität strebenden mexikanischen Politik zeichnet sich bisher allerdings kein Einknicken ab, und die anfängliche Furcht ist der Gewissheit gewichen, dass Trump seine rhetorischen Ankündigungen inhaltlich aufweichen muss.

80 Prozent der mexikanischen Exporte gehen in die USA, und die industriellen Wertschöpfungsketten zwischen den beiden Volkswirtschaften sind immens. Nachdem Trumps zuständige Minister ihn von der Aufkündigung des Freihandelsabkommens NAFTA abgebracht haben, wurde lediglich dessen Neuverhandlung verkündet. US-Ziel ist dabei aber nicht, über umweltfreundliche Technologien und digitalen Handel zu sprechen, sondern das Außenhandelsdefizit mit Mexiko ganz grundsätzlich zu reduzieren und Arbeitsplätze zurück in die USA zu verlagern. Zwar kann sich das Verfahren hinziehen und der Präsident muss den Kongress 90 Tage vor Beginn der Verhandlungen über seine Absichten informieren. Doch eine Nachjustierung beim Abkommen ist aufgrund der republikanischen Mehrheit im Kongress und der Möglichkeit, das sogenannte Fast-Track-Verfahren anzuwenden, sehr wahrscheinlich. Selbst wenn der Kongress und auch der Oberste Gerichtshof die harte wirtschaftspolitische Haltung Trumps relativieren, könnte ein neu verhandeltes Abkommen die mexikanische Wirtschaft treffen, die sich bisher erstaunlicherweise als sehr robust erweist und die niedrigsten Arbeitslosenzahlen seit einem Jahrzehnt aufweist. Für Mexiko würde ein nachjustiertes Abkommen unter anderem bedeuten, dass eine Diversifizierung der Handelsbeziehungen und eine Neuorientierung auf Europa und China hin erfolgen sollten.

Für den Fall, dass die USA unter Trump Einfuhrzölle auf Importwaren erheben sollten, werden in Mexiko Gegenmaßnahmen erwogen, die vor allem Landwirtschaftsprodukte und die nach Mexiko exportierenden Staaten der USA – unter anderem für Trumps Wahlsieg entscheidende Staaten wie Texas, Wisconsin und Iowa – beträfen. Allerdings schreckt Trump nicht davor zurück, verschiedene Politikfelder miteinander zu vermischen und, falls beispielsweise in Bezug auf NAFTA keine Einigung erzielt werden sollte, Finanztransfers zu besteuern. Bei jährlich 27 Milliarden Dollar, die von mexikanischen Emigranten aus den USA in die Heimat gesendet werden, beträfe das eine beträchtliche Summe. Diese Rücküberweisungen nach Mexiko stellen die effizienteste Entwicklungshilfe dar, die Mexiko erhält.

Neben der Wirtschaftspolitik birgt vor allem die US-Einwanderungspolitik Potential für eine Eskalation mit Mexiko. Dies betrifft insbesondere den geplanten Mauerbau an der amerikanisch-mexikanischen Grenze und die potentiellen millionenfachen Abschiebungen irregulärer Migranten. Dabei sollte bedacht werden, dass sich die Zu- und Rückwanderung zwischen den USA und Mexiko mittlerweile die Waage hält und darüber hinaus einige Wirtschaftszweige in den USA, wie die saisonale Landwirtschaft und das Baugewerbe, sogar abhängig von mexikanischer Migration sind. Als politisches Signal wäre der Mauerbau verheerend, gelten die Vereinigten Staaten mit über 200 Jahre andauernder Immigrationsgeschichte und bis heute anhaltender Zuwanderung von Personen unterschiedlicher sozialer und ethnischer Hintergründe doch als das Einwanderungsland schlechthin. Auch der eigentliche Nutzen, die Verhinderung illegaler Einwanderung, ist mehr als fraglich. Dabei wurden schon seit über zwanzig Jahren, und verstärkt nach den Terroranschlägen 2001 Grenzzäune errichtet und von der US-Border-Patrol knapp 7000 Tote an der Grenze registriert.

Ein großes Politikum ist nicht nur der Mauerbau selbst, sondern auch die Finanzierung desselben. Entsprechend des Gesetzes, das den US-Bundeshaushalt bis Anfang Oktober regelt, wurde Trump vom Kongress zwar eine beträchtliche Summe für die Sicherheit an den Grenzen zur Verfügung gestellt, die Anschubfinanzierung der Mauer aber nicht gewährt. Dies zögert den Bau der Mauer hinaus, für deren Errichtung die Heimatschutzbehörde mit einer Dauer von insgesamt drei Jahren rechnet. Parallel besteht Trump weiterhin auf die Kostenübernahme durch Mexiko. Verschiedene Möglichkeiten der indirekten Kostenabschiebung stehen hier zur Diskussion, wie die Erhöhung der Visakosten oder die schon erwähnte Besteuerung von Finanztransfers. Mexiko könnte daraufhin lediglich Steuervorteile für US-Auslandsinvestitionen beseitigen oder alternative Wege finden, Geld zu transferieren, was wiederum die US-Seite durch eine geschickte Auslegung der Geldwäschegesetze zu verhindern wüsste. Trump hat auch eine „border adjustment tax“ (Grenzausgleichssteuer) ins Gespräch gebracht. Über eine Mehrwertsteuer auf Importe würden Waren aus dem Ausland, also auch aus Mexiko, erheblich teurer werden. Da sich aber innerhalb der republikanischen Partei Widerstand gegen eine Kostenabschiebung regt und Mexiko diesbezüglich nicht nachgibt, könnten die Kosten am Ende bei den USA bleiben und anstelle einer durchgehenden Mauer verstärkt einzelne Grenzbarrieren und Zaunabschnitte errichtet werden.

Bezüglich der künftigen Abschiebepraxis hat Trump einerseits eine Abschiebung aller elf Millionen irregulären Einwanderer verfügt, von denen rund die Hälfte aus Mexiko stammt. Andererseits hat er sich von diesem Ziel distanziert, um sich auf schwere Straftäter unter den irregulären Migranten zu konzentrieren. Schon Obama hatte während seiner zwei Amtszeiten im Umfang von insgesamt zwei Millionen Menschen Abschiebungen durchführen lassen. Laut Migration Policy Institute leben in den USA derzeit 820.000 illegale Migranten, die eines Verbrechens schuldig befunden wurden. Mexiko hat sich gegen die Aufnahme von Menschen aus Drittländern verwehrt, allen in den USA lebenden Mexikanern bei drohender Abschiebung rechtliche und konsularische Unterstützung zugesichert und angedroht, die Kooperation beim Kampf gegen das organisierte Verbrechen und den Drogenhandel aufzukündigen. Die tatsächliche Durchführung von Massenabschiebungen kann deshalb durchaus bezweifelt werden.

Die Vollzugsbehörde Immigration and Customs Enforcement (ICE) des Department of Homeland Security, die unter anderem für die Abschiebungen zuständig ist, genießt unter Trump allerdings einen Kompetenzzuwachs und soll mit 10.000 Mann um ein Drittel an Personal aufgestockt werden. Dabei zielen der Mauerbau und die Abschiebungen von Kriminellen nicht nur auf die Verringerung der illegalen Einwanderung ab, sondern auch auf die Bekämpfung des Drogenschmuggels. Allerdings würde sich die verheerende Bilanz des Drogenkriegs in Mexiko nur verbessern, wenn die Sicherheitsbeziehungen zwischen den beiden Ländern vertieft würden und die US-Nachfrage an Rauschgift, die die größte weltweit ist, sinken würde.

Die US-Politik gegenüber Zentralamerika und Kuba

Die zentralamerikanischen Staaten sind in besonderer Weise von den Vereinigten Staaten abhängig. Sie befürchten unter Trump eine Abkehr von der Zusammenarbeit bei wirtschaftlicher Entwicklung, Drogenprävention, Strafverfolgung und öffentlicher Sicherheit. Die bereits angekündigten Kürzungen der United States Agency for International Development (USAID) würden laut eines Budgetentwurfs des Weißen Hauses 28 Prozent betragen und unter anderem zentralamerikanische Staaten wie El Salvador treffen. Nicht nur 20 Prozent aller Salvadorianer, sondern auch ein großer Bevölkerungsanteil aus Honduras und Guatemala sind in die USA migriert – oftmals illegal. Seit dem Erdbeben in Haiti 2010 haben sich auch zehntausende Haitianer auf den Weg in Richtung Norden gemacht. Im gesamten Jahr 2016 waren dementsprechend weniger als die Hälfte der Festgenommenen an der amerikanisch-mexikanischen Grenze mexikanischer Herkunft. Sollte Trump seinen Ankündigungen nach einer konsequenten Abschiebepolitik aller Krimineller nachkommen, würde er wohl ähnliches bewirken wie die vermehrten Abschiebungen in den 1990er Jahren: Damals konnten sich durch die vielfache Abschiebung ohne nachhaltige Reintegrationsprogramme Gangs wie MS-13 und Barrio 18 in transnationale Verbrecherorganisationen transformieren. Zentralamerikanische Länder wurden destabilisiert und Menschenhandel begünstigt. Dies hatte in Gestalt neuer Flüchtlinge einen Bumerangeffekt zur Folge.

Wirtschaftspolitisch sind die Auswirkungen auf die Region geringer. Die Aufkündigung oder Veränderung des Freihandelsabkommens DR-CAFTA zwischen den USA, der Dominikanischen Republik und zentralamerikanischen Staaten erscheint unwahrscheinlich. Erstens sind die Exporte aus Zentralamerika Produkte mit geringer Wertschöpfung, die in den USA keine Arbeitsplätze schaffen würden, und zweitens übersteigt der Import aus den USA den Export in die USA bei weitem. Gegenüber dem kubanischen Regime waren im US-Wahlkampf von Trump zwar scharfe Töne zu hören, doch nimmt man die amerikanisch-kubanischen Wirtschaftsbeziehungen perspektivisch in den Blick, sprechen zwei Erkenntnisse für eine vertiefte Kooperation: Erstens kann Trumps Hang zu bilateralen Abkommen Kubas Wunsch nach Kooperation dienlich sein. Zweitens werden vor allem republikanische Abgeordnete aus dem Mittleren Westen verstärkt auf tiefere Wirtschaftsbeziehungen mit Kuba drängen. Somit bestünde die Perspektive, dass nach dem Rücktritt Raúl Castros 2018 das Handelsembargo der USA gegen Kuba aufgehoben werden könnte.

Einzelne Staaten Südamerikas und die USA

Venezuela kämpft schon seit längerer Zeit mit Problemen wie ausufernder Kriminalität, Versorgungsengpässen und nahezu vierstelliger Inflation. Während das Land auf den größten Erdölreserven der Welt sitzt, versinkt es derzeit im Chaos. Als sicher gilt, dass der republikanisch geführte US-Kongress die Sanktionen gegen Individuen im Umfeld von Staatspräsident Nicolás Maduro nicht aufheben wird; vielmehr wurden weitere gegen den venezolanischen Vizepräsidenten Tareck El Aissami aufgrund seiner Verstrickungen in Drogengeschäfte verhängt. Zweifelsfrei bleibt ebenfalls, dass Venezuela seine aggressive Gegnerschaft gegen den Erzfeind im Norden nur mit chinesischer Hilfe für die staatliche Petróleos de Venezuela S.A., die größte Erdölgesellschaft Lateinamerikas, fortführen kann. Unklar scheint allerdings noch die US-amerikanische Rolle bei einer möglichen venezolanischen Rückkehr zur Demokratie und, ob Trump sich von der insgesamt passiven Politik Obamas gegenüber Venezuela lösen wird. Auch Brasilien ist mit seinen innenpolitischen Problemen gefordert. Ausschweifende Korruption und die Gefahr, dass Drogenkriege ähnlich jenen der späten 1980er und frühen 1990er Jahre in Kolumbien aufflammen, zählen zu den größten Herausforderungen. Da die Gesellschaft nach marktfreundlichen Positionen anstelle von Protektionismus und Populismus verlangt, stellen der US-Ausstieg aus TPP und Neuverhandlungen zu NAFTA für Brasilien einen durchaus guten Ausgangspunkt dar, um bilaterale Abkommen auszuhandeln und das eigene Gewicht in der Region zu erhöhen. Auch über die bestehenden Integrationsformate könnte Brasilien als eigentlicher Motor der regionalen Integration und Zentralmacht in Südamerika den Einfluss der Vereinigten Staaten in der Region zurückdrängen.

Kolumbien ist der wichtigste Empfängerstaat bilateraler Sicherheitshilfe der USA. Sowohl diese Hilfe, als auch die bisherige Begleitung des Friedensvertrages in Kolumbien durch die USA könnten weniger forciert werden. In anderen südamerikanischen Ländern werden die Auswirkungen einer veränderten US-Politik geringer sein. Neben Kolumbien sind bei vermehrten Abschiebungen nach Südamerika vor allem Ecuador und Peru betroffen, da besonders aus diesen beiden Staaten viele Immigranten in den USA leben und sich die Geldtransfers in die Heimat verringern würden. Wirtschaftspolitisch trifft nicht nur Peru, sondern auch Chile der US-Ausstieg aus dem noch nicht ratifizierten Freihandelsabkommen TPP. Daher plant Chile seitdem bilaterale Handelsabkommen zu forcieren, unter anderem mit China. Argentiniens Präsident Macri kennt Trump seit Jahrzehnten und trug schon als Unternehmer Konflikte mit ihm aus, doch ist der US-Einfluss auf Argentinien vergleichsweise gering.

Egal wie abhängig die einzelnen Staaten von den USA sind, sollten sie sich alle bei gleichzeitiger Forcierung eigener Integrationsbemühungen in Südamerika pragmatisch den USA als Partner anbieten. Gleichzeitig empfiehlt es sich, stets rapide Politikwechsel der US-Administration einzukalkulieren, denn Trump verkörpert gewissermaßen den typischen Caudillo Südamerikas – einen charismatischen Populisten. Ähnlich wie Argentiniens Legende Juan Perón die „descamisados“ („Hemdlosen“) zu vertreten vorgab, geriert sich Trump als Anwalt der vergessenen Menschen im Land. So mag sich Trump gegen Einwanderung und Importe lateinamerikanischer Staaten aussprechen – den in dieser Region tief verwurzelten politischen Stil allerdings hat er auf eine neue Ebene internationaler Bedeutung gehoben.

Stefan Scheller studierte an der Columbia University US-Lateinamerikanische Beziehungen und arbeitet im Deutschen Bundestag. Der Autor gibt seine persönliche Meinung wieder.

Copyright: Bundesakademie für Sicherheitspolitik | ISSN 2366-0805 Seite 1/5

 

Arbeitspapier Thema: 
Flucht und Migration
Region: 
Amerika
USA
Schlagworte: 
USA
Flucht und Migration
Amerika