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Der Berliner Prozess zum Westbalkan: Vier Empfehlungen, um ihn voranzubringen

10/2022
Der Berliner Prozess soll die Zusammenarbeit zwischen den Westbalkanstaaten fördern und die gesamte Region politisch und wirtschaftlich voranbringen. Doch trotz einiger Errungenschaften ist festzustellen, dass der seit 2014 laufende Prozess insgesamt nur wenig erreicht hat. Woran liegt das, wie könnte der Prozess verbessert werden, und was hat das jüngste Gipfeltreffen in Berlin erbracht? Ein analytischer Blick zeigt, dass vor allem in vier Feldern konkrete Verbesserungen möglich wären – und dass die EU-Mitgliedsstaaten hier schon aus eigenem Interesse mehr Engagement zeigen sollten.

Zahlreiche Staats- und Regierungschefinnen und -chefs sowie EU-Entscheidungsverantwortliche stehen locker beisammen vor einer Reihe von Staatsflaggen.

Der kürzlich in Berlin zu Ende gegangene neunte Westbalkan-Gipfel habe einige Verbesserungen des Berliner Prozesses eingeleitet, schreiben die Autoren. Doch die EU-Mitgliedsstaaten sollten ihnen zufolge mehr tun - schon im eigenen Interesse. Foto: Bundesregierung/Carstensen

Der Berliner Prozess wurde 2014 von Deutschland als Plattform für eine hochrangige Zusammenarbeit zwischen Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien sowie einigen EU-Mitgliedstaaten initiiert. Der erste Gipfel fand im August 2014 in Berlin statt. Obwohl dies nie offiziell erklärt wurde, stand er eindeutig im Zusammenhang mit dem fünfjährigen Stopp der EU-Erweiterung, der von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Juli desselben Jahres angekündigt wurde.1 Der Berliner Prozess war in gewisser Weise eine Geste an die Westbalkanländer, dass sie nicht vergessen sind, und auch ein Versuch, ihre Integrationsdynamik mit Blick auf Europa aufrechtzuerhalten.

Der Prozess war ursprünglich auf vier Jahre angelegt, wurde aber darüber hinaus fortgesetzt. Jedes Jahr finden Gipfeltreffen statt, die von verschiedenen Ländern der EU organisiert werden. Bisher gab es Gipfeltreffen in Berlin (2014), Wien (2015), Paris (2016), Triest (2017), London (2018), Poznań (2019) und virtuell in den Jahren 2020 organisiert von Bulgarien und Nordmazedonien sowie 2021 organisiert von Deutschland. Der Gipfel 2022 fand wieder in Berlin statt.

Die erklärten Ziele des Berliner Prozesses sind: erstens die Lösung offener bilateraler und interner Probleme der Westbalkanstaaten, zweitens Versöhnung innerhalb und zwischen Gesellschaften in der Region, drittens die Verbesserung der regionalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit und viertens die Grundsteinlegung für nachhaltiges Wachstum. Eine EU-Mitgliedschaft ist nicht das explizite Ziel des Prozesses. Laut der Website des Berliner Prozesses wurden in vier Bereichen Ergebnisse erzielt: bei wirtschaftlicher Zusammenarbeit, bei politischer sowie sicherheitspolitischer Zusammenarbeit, bei sozialer Zusammenarbeit und bei Kooperation im Bereich des ökologischen Wandels.2

Im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit können eine Vielzahl von Verkehrsprojekten, sowie eine Reihe von Energieprojekten und Nachhaltigkeitsprogrammen genannt werden. Als weitere Errungenschaften lassen sich unter anderem die Schaffung eines regionalen Wirtschaftsraums, das Investitionsforum der Industrie- und Handelskammern sowie die Verkehrsgemeinschaft nennen. Letztere ist eine internationale Organisation der 27 EU- und sechs Westbalkanländer, welche deren Integration in den EU-Transportmarkt fördern möchte. Für die anderen drei Bereiche lassen sich bedeutend weniger Beispiele finden. Bei der sozialen Zusammenarbeit ist die Einrichtung des Regionalbüros für Jugendzusammenarbeit ein bemerkenswertes Beispiel. Ein Beispiel für Kooperation beim ökologischen Wandel sind die Leitlinien für die Umsetzung der Grünen Agenda in den Westbalkanstaaten.

Trotz dieser Errungenschaften ist festzustellen, dass in Bezug auf die ursprünglichen vier Ziele des Berliner Prozesses insgesamt nur wenig erreicht wurde. Bei der Lösung der noch offenen bilateralen und internen Fragen wurden keine großen Fortschritte erzielt, was sich am deutlichsten an den angespannten Beziehungen zwischen dem Kosovo und Serbien zeigt. Auch die Aussöhnung innerhalb und zwischen den Gesellschaften in der Region ist kaum vorangeschritten. Viele Fachleute schätzen die Gesellschaften des Westbalkans heute als stärker polarisiert denn je ein.3 Die regionale wirtschaftliche Zusammenarbeit ist begrenzt geblieben.4 Schließlich wurden die Grundlagen für ein nachhaltiges Wachstum kaum geschaffen, da die sozialen Ungleichheiten in den Westbalkanstaaten nach wie vor groß sind und die Abwanderung oft als einzige Möglichkeit für junge Menschen angesehen wird, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Auch bei der Dekarbonisierung wurden praktisch keine Fortschritte erzielt;5 es ist davon ausgehen, dass sich die Lage in diesem Bereich in der nächsten Zeit aufgrund der steigenden Lebenshaltungskosten und der Energiekrise noch weiter verschlechtern wird.

Warum hat der Berlin-Prozess nicht mehr erreicht?

Es gibt vier erkennbare Gründe, warum der Berliner Prozess nicht mehr erreicht hat. Der erste Grund ist, dass der Prozess in den Westbalkanländern immer als ein schlechter Ersatz für die EU-Erweiterung angesehen wurde. Zwar haben die beteiligten EU-Mitgliedstaaten eine solche Zweitrangigkeit nie erklärt, doch wurde auch nie glaubwürdig gesagt, dass der Berliner Prozess auf eine Förderung der Staaten mit Blick auf eine mögliche EU-Mitgliedschaft ziele. Die Kommunikation der letztlichen Zielsetzung blieb vage. Da der Prozess nach der Ankündigung der EU-Erweiterungspause eingeleitet wurde, entstand unweigerlich der Eindruck, dass es sich gewissermaßen um einen Trostpreis für die Region handelt.

Der zweite Grund ist, dass der Berliner Prozess in den Westbalkanländern immer als etwas wahrgenommen wurde, das der Region von außen aufgezwungen wurde und gleichzeitig in seinen Ambitionen halbherzig war. Die Idee wurde nie von den Menschen vor Ort getragen, und die Politiker vor Ort haben den Prozess nie wirklich vorangetrieben. In der Öffentlichkeit auf dem Westbalkan hat sich der Eindruck breitgemacht, dass der Berliner Prozess ein paternalistisches Projekt ist, bei dem die Weichen aus dem Ausland gestellt werden und die lokalen Akteure einfach den Anweisungen folgen. Auch der Name „Berliner Prozess“ deutet symbolisch darauf hin, dass der Prozess von oder für Berlin und nicht von dem oder für den Balkan vorangetrieben wird. In ähnlicher Weise wurden die Gipfeltreffen fast immer in einem EU-Staat abgehalten, was zu freundlichen Bildern führte, welche die Realitäten der armen Westbalkan-Länder jedoch nicht widerspiegeln. So wurde mancherorts das ausländische Engagement sogar als unehrlich und bestenfalls lauwarm empfunden.

Der dritte Grund ist, dass der Berliner Prozess einige der wichtigsten wirtschaftlichen und sozialen Probleme in der Region ignoriert hat. Ein Großteil der wirtschaftlichen Misere ist auf eine schlechte Infrastruktur und fehlende öffentliche Investitionen zurückzuführen, sei es in Straßen, Eisenbahnen, Abwassersysteme, Abfallentsorgung oder Energieerzeugung. Der einzige Weg, diese Probleme zu lösen, sind höhere öffentliche Investitionen, und der Berliner Prozess unternimmt hier zu wenig, um einen Big Push für die Infrastruktur zu mobilisieren. Ebenso sind die hohe Armut und soziale Ungleichheit in der Region auf unzureichende öffentliche Ausgaben für Sozialschutz, Bildung und Gesundheitsfürsorge zurückzuführen. Auch auf diese Probleme geht der Berliner Prozess nicht ein und bietet der jungen Bevölkerung der Region somit keine langfristige Perspektive für ein menschenwürdiges Leben in den Westbalkanstaaten.

Der vierte Grund ist, dass die lokalen Politiker nur geringe politische Anreize hatten, das Projekt voranzutreiben. Der Berliner Prozess als ein Projekt, das sich in erster Linie auf die Verbesserung der regionalen Zusammenarbeit konzentriert, vernachlässigt die besondere politische Ökonomie kleiner, armer Länder und ihre begrenzten staatlichen Kapazitäten. Aus wirtschaftlicher Sicht ist der potenzielle Nutzen einer verbesserten regionalen Zusammenarbeit in den Westbalkanstaaten eher begrenzt: Selbst, wenn man das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der gesamten Region zusammenrechnet, erreicht es nicht einmal die Hälfte des BIPs Tschechiens – rund drei Prozent des deutschen. Aus politischer Sicht ist es dasselbe – die Beilegung offener Streitigkeiten mit den Nachbarn bringt auf dem Westbalkan kaum zusätzliche Wählerstimmen. Im Gegenteil, wie der jüngste Fall der Lösung der Namensfrage zwischen Nordmazedonien und Griechenland zeigt, ist die Beilegung offener Streitfragen für die Politiker auf dem Balkan sehr kostspielig – Syriza verlor die griechischen Parlamentswahlen nach der Einigung, und die Unterstützung für die Sozialdemokraten in Nordmazedonien ging erheblich zurück.

Was sollte getan werden? Vier Empfehlungen, damit der Prozess besser funktioniert

All dies bedeutet jedoch nicht, dass der Berliner Prozess nutzlos wäre und verworfen werden sollte. Zu viel Zeit und Mühe wurde in ihn investiert und der Prozess hat tatsächlich auch einige Erfolge vorzuweisen. Der Weg in die Zukunft sollte daher darin bestehen, die oben genannten Schwächen des Gesamtprojekts zu beseitigen und eine überarbeitete Version davon zu entwickeln. Die erste wichtige Änderung sollte darin bestehen, die Unterstützung und Beschleunigung des EU-Beitritts der Westbalkanländer offiziell als das erste und wichtigste Ziel des Berliner Prozesses zu benennen. Andernfalls wird der Prozess weiterhin als billiger Ersatz für die EU-Mitgliedschaft wahrgenommen werden, was auch seine Attraktivität für lokale Politiker, Entscheidungsträger und Interessengruppen sowie die breite Öffentlichkeit untergraben wird.

Die zweite, damit zusammenhängende Neuerung sollte darin bestehen, dass sich der Prozess nicht nur auf Akteure aus den Westbalkanstaaten, sondern auch auf Akteure aus der EU konzentriert. In einem symbolischen Sinne ist es „Berlin“, das in dem Prozess mehr leisten sollte. Die Gründe für die langsamen und unbefriedigenden Fortschritte der Westbalkanländer in Bezug auf den EU-Beitritt liegen nicht nur auf dem Balkan. Die Erweiterungsmüdigkeit vieler in der EU und die internen Probleme der Union haben wenig mit den Westbalkanstaaten zu tun. Die Länder des Westbalkans erleiden in diesem Fall einen Kollateralschaden und zahlen den Preis für die Fehler auch der anderen. Deshalb muss sich der Berliner Prozess zusätzlich darauf konzentrieren, den Willen zur Erweiterung bei den bestehenden EU-Mitgliedsstaaten zu verbessern und weitere Hindernisse, die von ihrer Seite ausgehen, zu beseitigen. Deutschland und Frankreich sollten als führende Länder der Union zum einen ihr politisches Gewicht in einem koordinierten Verfahren einsetzen, um konkrete Meilensteine für den EU-Beitritt der Westbalkanländer festzusetzen. Zum anderem sollten sie auch die entsprechenden finanziellen Mittel für einen Big Push an Infrastrukturinvestitionen in der Region bereitstellen.

Darüber hinaus ist es wichtig, dass die etablierten EU-Mitgliedstaaten begreifen, dass es auch in ihrem eigenen Interesse liegt, ein wirtschaftliches und politisches ‚schwarzes Loch‘ inmitten des europäischen Kontinents aufzulösen. Insbesondere die EU-Nachbarn rund um den Westbalkan sollten die Möglichkeit nutzen, ihre eigene wirtschaftliche und politische Situation zu verbessern, indem sie den Westbalkan bei seiner Entwicklung in den Gemeinsamen Markt unterstützen, von dem nach den Erfahrungen vergangener Beitrittswellen ein starker regionaler Wirtschaftsschub zu erwarten ist. Die Rolle der weiter entwickelten EU-Mitgliedsstaaten bestünde auch darin, den Verwaltungen in den Westbalkanländern verstärkt zu helfen, den Beitrittsprozess in technischer Hinsicht zu bewältigen, wie sie es zuvor in den Fällen von beispielsweise Bulgarien und Rumänien getan haben, insbesondere aus Gründen des politischen Eigeninteresses. Auch weil die Frage der Governance stark vom Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig ist, brauchen die Westbalkanländer in der Verwaltung eine ganz besonders starke Unterstützung.

Die dritte Änderung bezieht sich auf die Idee, dass der Berliner Prozess eine größere finanzielle Unterstützung für die Region bereitstellen sollte, damit sich die Region wirtschaftlich entwickeln und die sozialen Ungleichheiten abnehmen können. Dies ließe sich am besten dadurch erreichen, dass der Westbalkan noch vor dem Vollbeitritt vollständig in den EU-Haushaltsprozess einbezogen wird. Auf diese Weise würden sich die Mittel, die die Staaten des Westbalkans von der EU erhalten, um das Zwei- bis Dreifache erhöhen, was sich enorm auf die Einkommen in der Region auswirken würde, während es für die etablierten EU-Mitglieder eine quantité négligeable darstellen würde. Wenn dies nicht möglich ist, sollten der Berliner Prozess und seine Hauptakteure aus der EU (und möglicherweise andere interessierte Parteien wie Norwegen, die Schweiz oder Japan) eine gewisse eigene Unterstützung für Infrastrukturinvestitionen in der Region und für höhere Sozialausgaben bereitstellen. Dies sollte die bestehenden Investitionsinstrumente wie den Investitionsrahmen für den westlichen Balkan (WBIF) ergänzen.

Der vierte Bereich, in dem Verbesserungen möglich sind, sollte sich darauf konzentrieren, die lokalen Akteure für den Berliner Prozess zu gewinnen. Dies könnte sich als schwierig erweisen, da es den Prozess schon seit einiger Zeit gibt, ohne dass die regionale Ownership erkennbar zugenommen hätte. Eine kürzlich entstandene lokale Initiative könnte sich jedoch für diesen Zweck als nützlich erweisen. Als eine Art Revolte gegen die EU, die dem Westbalkan immer wieder die kalte Schulter zeigt, haben Albanien, Nordmazedonien und Serbien eine Initiative für regionale Zusammenarbeit mit dem Namen Open Balkan gestartet. Die Initiative ist zwar nicht unproblematisch, vor allem, weil sie nicht alle Volkswirtschaften des Westbalkans umfasst, sondern nur drei von ihnen, hat aber einen klaren Vorteil gegenüber dem Berliner Prozess: Sie wird von lokalen Akteuren getragen und vorangetrieben, und die Politiker und politischen Entscheidungsträger des Balkans setzen sich viel stärker für sie ein als für jede andere Initiative. Der Berliner Prozess sollte versuchen, mit Open Balkan zu verschmelzen oder diesen zumindest unterstützen und mit ihm zusammenarbeiten. Die lokale Eigenverantwortung und der Antrieb des Open Balkan und der breitere Fokus des Berliner Prozesses und seine Unterstützung durch Deutschland wären eine hervorragende Kombination, die viel erreichen könnte. Gleichzeitig muss klar sein, dass alle Bemühungen letztlich auf die Übernahme des acquis communautaire der EU und das Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit abzielen müssen, der Grundlage für ein friedliches und regelbasiertes Zusammenleben und eine hoffentlich sogar fruchtbare Zusammenarbeit.

Des Weiteren sollten auch in einem kommunikativen Sinne neue Wege eingeschlagen werden, um in der Öffentlichkeit den bisherigen paternalistischen Beigeschmack des Berliner Prozesses zu beseitigen. Das könnte unter anderem einen Relaunch des Prozesses unter neuem Namen beinhalten, wie auch Jahrestreffen in der Region, bei denen bewusst auch Orte besucht werden, die nicht nur einen schönen Schein reflektieren, sondern an denen die lokalen Probleme deutlich sichtbar sind und konkret angesprochen werden können.

Schließlich sollte uns der anhaltende Krieg in der Ukraine daran erinnern, dass die Welt in einen neuen Kalten Krieg zurückfallen könnte – einen weltweit ausgetragenen Systemkonflikt um die globale Vorherrschaft mit einer Reihe von Stellvertreterkriegen an den Bruchlinien zweier konkurrierender Blöcke demokratischer und autokratischer Systeme. Es liegt in Europas ureigenstem Interesse, nicht zum Hauptschauplatz dieser Konflikte zu werden. Die Aktivitäten Russlands und Chinas auf dem Westbalkan sollten ein Weckruf für die europäischen Politiker sein. China investiert mit Blick auf seine geoökonomischen Interessen stark in Infrastrukturbauprojekte in der gesamten Region. Im Jahr 2019 führten China und Serbien sogar gemeinsame Polizeiübungen durch. Russland hat wichtige Energielieferanten in der Region im Griff. Auch die Türkei und die Golfstaaten sind involviert, wenn auch in geringerem Maße. Die Europäer sollten schnell eine politische Lösung für das politische Problem dieser kriegsanfälligen Region in Südosteuropa finden, um zu verhindern, dass fremde Mächte ihre Stützpunkte in der Mitte Europas errichten. Da auch frühere EU-Erweiterungen eine stark politische Dimension hatten, ist die EU-Mitgliedschaft für alle Länder des Westbalkans für eine friedliche Entwicklung unabdingbar, auch wenn sie in einem gestuften Prozess erfolgt und in einer ersten Phase vor allem den Beitritt zum Binnenmarkt und zum EU-Transfersystem beinhaltet.

Der kürzlich in Berlin zu Ende gegangene neunte Westbalkan-Gipfel des Berliner Prozesses hat erfreulicherweise bei einigen dieser Verbesserungsvorschläge erste Schritte in die richtige Richtung eingeleitet. So ist es zu begrüßen, dass Bundeskanzler Scholz sich deklarativ für die Erweiterung der Europäischen Union um die Staaten des Westbalkans eingesetzt und den Erfolg dieser EU-Erweiterung mit dem Berliner Prozess in Verbindung gebracht hat. Auch wenn der Fokus noch immer übermäßig auf der regionalen Kooperation liegt anstelle konkreter Maßnahmen zur Beschleunigung der Übernahme des acquis communautaire, sind selbstverständlich die beim Gipfel abgeschlossenen Mobilitätsabkommen für die Bewegungsfreiheit der Bürger am Westbalkan äußerst begrüßenswert. Diese erlauben das Reisen mit Identitätsnachweisen innerhalb der Region sowie die Anerkennung von Qualifikationen. Ein weiterer Schritt in die richtige Richtung ist, dass vereinbart wurde, den nächsten Gipfel des Berliner Prozesses in Albanien abzuhalten. Des Weiteren ist hervorzuheben, dass die EU-Kommission dazu bereit ist, zur Linderung der Energiekrise in der Region kurzfristig eine halbe Milliarde Euro an Budgethilfen zur Unterstützung von Haushalten und Unternehmen auszuzahlen. Kurz- bis mittelfristig soll eine weitere halbe Milliarde Euro über den WBIF für die Diversifizierung der Energieversorgung bereitgestellt werden. Nichtsdestotrotz sollte auch hier nochmals angemerkt werden, dass dies kein valider Ersatz für das nachhaltige Anheben der EU-Beihilfen für den Westbalkan ist, um die Region langfristig aus der wirtschaftlichen und politischen Misere zu führen.

Branimir Jovanovic und Dr. Mario Holzner sind am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) tätig. Die Autoren geben ihre persönliche Meinung wieder.

[1] Nechev/Velinovska (2022): The Berlin Process! Why it must continue? (Balkans in Europe Policy Advisory Group) (online), eingesehen am 21.11.2022.

[2] Siehe die offzielle Website des Berliner Prozesses: https://www.berlinprocess.de/.

[3] Siehe Brändle et al. (2020): Democracy and the State of Emergency: New Upsurge of the Corona Crisis in the Western Balkans, Croatia and Slovenia (Berlin/Belgrad: Friedrich-Ebert-Stiftung) (online) eingesehen am 21.11.2022.

[4] Siehe Bertelsmann Stiftung/Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (2020): Pushing on a string? An evaluation of regional economic cooperation in the Western Balkans (online) sowie Bertelsmann Stiftung/Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (2022): The long way round: Lessons from EU-CEE for improving integration and development in the Western Balkans (online), jeweils eingesehen am 21.11.2022.

[5] Esch/Palm (eds) (2021): Implementing the Green Agenda for the Western Balkans (Berlin: Aspen Institute Germany) (online), eingesehen am 21.11.2022.

 

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