Wie befasst sich das Parlament mit Sicherheitspolitik? Gemeinsam mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages warf das Kernseminar einen Blick in die parlamentarische Praxis.
Zum Abschluss des ersten Seminarmoduls befasste sich das Kernseminar 2017 mit den parlamentarischen Prozessen und politischen Positionen gegenüber aktuellen sicherheitspolitischen Fragen. BAKS-Vizepräsident Thomas Wrießnig begrüßte dazu die drei Mitglieder des Deutschen Bundestages Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Fritz Felgentreu (SPD) und Stefan Liebich (Die Linke).
Umgang mit Russland: Abschreckung und Dialog
Den ersten Schwerpunkt der Diskussion bildete die gewandelte sicherheitspolitische Lage in Osteuropa. Die Bundesregierung setzt hier weiterhin auf umfassenden Dialog mit Russland und die gleichzeitige militärische Abschreckung zum Schutz der osteuropäischen NATO-Partner. Insbesondere die zur Rückversicherung dieser Partner jüngst verstärkte Präsenz von NATO-Verbänden im Baltikum und in Polen wurde im Seminar kontrovers debattiert.
So stellte Felgentreu heraus, dass die Annexion der Krim im Frühjahr 2014 und der Krieg in der Ostukraine seitdem gezeigt hätten, dass den machtpolitischen Ambitionen Russlands entschlossen begegnet werden müsse. Es gehe um Solidarität mit den östlichen NATO- und EU-Mitgliedern, deren „reale Sicherheit wieder gestärkt“ werden müsse, so der SPD-Außenpolitiker. Der Grünen-Abgeordnete Ströbele hielt dem entgegen, dass die Entsendung weiterer Streitkräfte kontraproduktiv und der Schwerpunkt auf Gespräche zu legen sei: „Es muss wieder ein Dialog stattfinden, auf dessen Grundlage Vertrauen geschaffen werden kann. Nur so kann ein neuer Eiserner Vorhang verhindert werden.“
Mali und die Ertüchtigungsinitiative
Da das Kernseminar im Sommer auch nach Mali reisen wird, fand das dortige zivil-militärische Engagement der Bundesrepublik besondere Resonanz in der Diskussion. Einen großen Teil dieses Engagements bildet der Aufbau der malischen Sicherheitskräfte durch Ausbildung und Ausrüstung – die Bundesregierung stellt im Rahmen ihrer Ertüchtigungsinitiative eigens für solche Maßnahmen in Krisenregionen jährlich 130 Millionen Euro zur Verfügung. Auch hierüber gingen die Meinungen der Abgeordneten auseinander.
Während Felgentreu die Bedeutung des deutschen Mali-Engagements zur Sicherheitsvorsorge Europas unterstrich, wies Liebich auf die möglichen Risiken der Ertüchtigung regionaler Sicherheitskräfte hin. So gab er zu bedenken, dass deutsche Soldaten "zwar das Militär in Mali ausbilden, allerdings letzten Endes nicht darüber entscheiden können, was diese dann mit den Kenntnissen anstellen“.
Deutschlands Rolle in der Flüchtlingspolitik
Flucht und Migration bildeten einen weiteren Diskussionsschwerpunkt. „In der Flüchtlingspolitik gibt es keine europäische Lösung“ sagte Ströbele für viele Seminarteilnehmer überraschend, was die Perspektiven eines gemeinschaftlich-europäischen Vorgehens betreffe. Allerdings könne dies auch als Chance für Deutschland verstanden werden, denn aufgrund der bisweilen geringen Solidarität einiger EU-Mitglieder müssten jene Staaten, die bereit sind, bei der Aufnahme Geflüchteter mit gutem Beispiel voran zu gehen, eine „Coalition of the Willing“ bilden, so Ströbele.
Zugleich zeichnete sich in der Diskussion ab, dass der Bekämpfung von Fluchtursachen mehr Beachtung geschenkt werden müsse. Dabei waren sich die Abgeordneten einig, dass diese eines umfassenden zivilen Maßnahmenpakets und stärkerer wirtschaftlicher Förderungen bedürfe. Ein erster Schritt, sagte Ströbele, könnte die Verbesserung der Handelsbeziehungen Afrikas mit Europa sein. Momentan hätten etwa landwirtschaftliche Betriebe aus Afrika kaum eine Chance, auf den stark subventionierten europäischen Märkten Fuß zu fassen, so der Grünen-Politiker.
Falschmeldungen, Hasskommentare und die Bundestagswahl 2017
Beim abschließenden Ausblick auf die Bundestagswahl im September 2017 standen die Chancen und Gefahren des Internets im Mittelpunkt. Als Konsens zeichnete sich ab, dass hier mittlerweile eine der zentralen Arenen der politischen Diskussion liege – viele Abgeordnete überlassen ihren Onlineauftritt deshalb mittlerweile Social-Media-Experten. Problematisch werde es hingegen dann, wenn etwa in sozialen Medien durch den gezielten Einsatz von „Hasskommentaren“ ein bestimmtes Meinungsbild erzeugt werde. Solche Postings richten sich in der Regel gegen Minderheiten, sind beispielsweise homophob oder antisemitisch geprägt und beinhalten häufig auch Aufrufe zu Gewalt.
Ein gezieltes Vorgehen dagegen, so die Abgeordneten, sei zugleich nicht einfach. Der Linken-Politiker Liebich etwa betonte, es sei auf die Vernunft der Bürgerinnen und Bürger zu setzen und besser über die Gefahren im Netz zu informieren. Der SPD-Abgeordnete Felgentreu wies darauf hin, dass Falschmeldungen kein neues Phänomen, sondern so alt wie die Menschheit selbst seien: „Man muss damit eben umgehen können und die Bürger aufklären.“ Sorgen bereiteten ihm eher Angriffe auf die Infrastrukturen rund um den Wahlprozess. Hacker könnten etwa bei Angriffen auf Meinungsforschungsinstitute sensible Daten manipulieren und somit zur Verzerrung von Meinungsumfragen beitragen. Spätestens ab hier handele es sich eindeutig um einen Fall für die Sicherheitsbehörden.
Gegenwärtig hält sich das Kernseminar zu einer einwöchigen Studienreise in den USA auf. In Washington, DC und New York City treffen die Seminarteilnehmer unter anderem zu Gesprächen mit Vertretern des US-Außenministeriums, Mitarbeitern des Kongresses sowie Experten der Vereinten Nationen zusammen.
Autoren: Martin Roscher und Robbin Schacht