Afrika steht auf der politischen Agenda Europas und Deutschlands ganz oben. Vor diesem Hintergrund haben die Bundesakademie für Sicherheitspolitik und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) eine internationale Konferenz zur Zukunft der Afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur ausgerichtet.
2017 war ein besonderes Jahr für die deutsche Afrikapolitik. Die öffentliche und politische Aufmerksamkeit richteten sich mehr als einmal auf den afrikanischen Kontinent. Zwei prominente Beispiele dafür sind der G20-Gipfel in Hamburg, bei dem zum ersten Mal in der Geschichte Afrika als regionaler Schwerpunkt behandelt wurde, sowie der Marshallplan mit Afrika, den das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Anfang 2017 vorgelegt hat. Einige Beobachter fühlten sich gar bewogen, von einem neuen „Hype“ um Afrika zu sprechen. Ob man diese Art Rhetorik nun befürwortet oder nicht, ein Sache ist gewiss: Afrika wird auch weiterhin von entscheidender Bedeutung für Europa und Deutschland sein, und es gibt allen Grund, sich unseres Nachbarkontinents anzunehmen, insbesondere vom Standpunkt einer umfassenden Sicherheitspolitik aus. Vor diesem Hintergrund luden die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die BAKS Ende Juni zu einer internationalen Konferenz über die Zukunft der Afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur (African Peace and Security Architecture – APSA) ein.
APSA – mehr als bloß ein weiteres Akronym
BAKS-Präsident Dr. Karl-Heinz Kamp eröffnete die Konferenz mit einer klaren Absicht: „Heute sprechen wir nicht über Afrika, wir sprechen mit Afrika“. Diesem Leitsatz folgend, kamen internationale und deutsche Vertreter sowie namhafte Experten aus verschiedenen regionalen und staatlichen Insitutionen sowie aus Forschungseinrichtungen auf dem afrikanischen Kontinent zu Wort. Ziel der Konferenz war es, einen Beitrag zu einem tiefergehenden Verständnis für afrikanischen Friedens- und Sicherheitsfragen und insbesondere für die Rolle der APSA zu leisten.
APSA wurde im Jahr 2004 von der Afrikanischen Union in Zusammenarbeit mit den Regionalen Wirtschaftsgemeinschaften (Regional Economic Communities – RECs) in Afrika aufgestellt. APSA beruht auf Werten, Strukturen und Entscheidungsprozessen, die auf die Prävention, Bewältigung und Lösung von Konflikten in Afrika zielen. Anders ausgedrückt: APSA ist ein starkes Bekenntnis der afrikanischen Staaten, bei der Förderung von Frieden und Sicherheit auf dem gesamten afrikanischen Kontinent mehr Verantwortung zu übernehmen. APSA soll einen Beitrag leisten zu dem ehrgeizigen Ziel, „die Waffen zum Schweigen zu bringen“ und ein Afrika ohne Konflikte Realität werden zu lassen. So viel zur Theorie und den ehrgeizigen Ansprüchen - aber wie sieht die Realität aus? Wo stehen wir nach fast 15 Jahren APSA und – noch wichtiger – was sind unsere Aussichten für die Zukunft?
Das Rezept für weiteren Fortschritt: Flexibilität und Mut auf beiden Seiten
Laut John Dramani Mahama, ehemaliger Präsident der Republik Ghana Vorsitzender des Tana High-Level Forum on Security in Africa (gewissermaßen das afrikanische Pendant zur Münchener Sicherheitskonferenz) trägt APSA zu einem Umfeld bei, in dem Afrika das eigene Potential entfalten und auf Grundlage gemeinsamer Werte neue Formen der Partnerschaft entwickeln kann. Afrika sei in der Lage, beim Umgang mit den komplexen sicherheitspolitischen Problemen des Kontinents die Zügel in der Hand zu halten. Zusätzlich zum stärkeren Engagement der afrikanischen Länder wies Mahama jedoch auch auf die besondere Wichtigkeit einer in sich schlüssigen und einheitlichen Politik seitens der internationalen Gemeinschaft hin. So stoßen beispielsweise die Bemühungen afrikanischer Länder zur Stärkung der haushaltspolitischen Tragfähigkeit von ASPA-Instrumenten, wie zum Beispiel Importzöllen, regelmäßig auf wenig Begeisterung bei ihren westlichen Partnern, da diese hierdurch eigene wirtschaftliche Nachteile fürchten. Mahama betonte, dass die bestehenden friedens- und sicherheitspolitischen Herausforderungen in Afrika sowohl als Ergebnis „innerer Widersprüche“ als auch der „Beziehungen Afrikas zum Rest der Welt“, insbesondere Afrikas Einbettung in die Weltwirtschaft, zu betrachten seien. Da Afrika gerüstet sei, seiner eigenen Verantwortung nachzukommen, unter anderem durch die effektive Nutzung des APSA-Rahmens, sei die „gemeinsame Bewältigung" friedens- und sicherheitspolitischer Herausforderungen des Kontinents der vielversprechendste Ansatz.
Die Konferenzteilnehmer stimmten darin überein, dass afrikanische und regionale Organisationen seit der Aufstellung der APSA große Fortschritte im Bereich Frieden und Sicherheit auf dem afrikanischen Kontinent erzielen konnten. Afrikas Fähigkeiten bezüglich Prävention, Bewältigung und Lösung von Konflikten seien beträchtlich gewachsen. Nach wie vor gebe es jedoch größere Schwächen. So ist beispielsweise die African Standby Force, der militärische und polizeiliche Zweig der APSA, auch nach fast 15 Jahren noch nicht voll einsatzfähig. Außerdem klaffen weiterhin Lücken bei der Zusammenarbeit und Koordination aller unter dem APSA-Schirm gebündelten Instrumente. Die wachsende Einbindung internationaler Partner stellt zusätzliche Herausforderungen dar. Während die AU und die RECs unterhalb von ihr die gemeinsamen Anstrengungen bei der Intervention in gewaltsamen Konflikten schrittweise verstärkt haben – im Jahr 2015 leitete die AU beispielsweise Friedenseinsätze in Somalia, Lesotho und Darfur – erschweren externe Akteure und Partnerschaften, insbesondere mit den Vereinten Nationen und anderen globalen Akteuren, die Gesamtsituation und machen es APSA so sogar noch schwerer, die Führung zu übernehmen.
Darüber hinaus verdeutlichen neue institutionelle Einrichtungen, wie die 2012 zur Bekämpfung des Boko Haram-Aufstandes in der Region des Tschadbeckens gegründete Multinational Joint Task Force, oder die 2017 zur Bekämpfung von Terrorismus, Drogen- und Menschenhandel in der Sahelzone gegründete G5-Sahel Joint Force den anhaltenden tiefgreifenden Wandel der Praktiken in der Konfliktbewältigung in Afrika. „Ad-hoc-Mechanismen und subregionale Task Forces kommen im selben Operationsgebiet zum Einsatz“, sagte Dr. Emma Birikorang vom Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre. Mit Michelle Ndiaye vom Institute for Peace and Security Studies der Universität Addis Abeba diskutierte sie über Erfolge und Misserfolge der APSA. Beide stimmten darin überein, dass es ebenfalls wichtig sei, APSA und ihre Instrumente umfassend mit solchen Initiativen zu vernetzen, deren Schwerpunkt im Bereich der Regierungsführung liegt.
Deutschland ist ein verlässlicher Partner der APSA
Eine weitere entscheidende Frage der Konferenz lautete: Wie kann Deutschland zur Stabilität der APSA beitragen und bei der Bewältigung der zu meisternden Herausforderungen helfen? Laut Martin Jäger, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), will die Bundesregierung ihre Partnerschaft mit Afrika ausbauen und weiter vertiefen, unter anderem durch eine noch verlässlichere und umfangreichere finanzielle sowie eine strategische Unterstützung für Frieden und Sicherheit. Jäger wies darauf hin, dass allein das BMZ seit 2006 etwa 130 Millionen Euro für die APSA und die RECs bereitgestellt hat.
Die Stärkung der Fähigkeiten zur Konfliktfrühzerkennung, geeignete Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung zu entwickeln sowie die Belastbarkeit zu erhöhen und das Ressourcenmanagement zu verbessern, bilden hierbei die Schwerpunkte der deutschen Unterstützung in den kommenden Jahren. Jäger bezog sich explizit auf den Marshallplan mit Afrika, der eine klare Vorstellung davon beinhalte, "wie Afrika, die AU und die RECs befähigt werden sollen, Konflikte und Krisen selbstständig zu lösen“. Eine der Voraussetzungen hierfür seien starke und effizient arbeitende Institutionen. Besonderes Augenmerk legte Jäger darüber hinaus auf den Zusammenhang zwischen Sicherheit und Entwicklung und auf deren Wechselwirkungen. Ohne ein Mindestmaß an Sicherheit, so Jäger, seien selbst die aufopferungsvollsten Bemühungen zum Scheitern verurteilt. Ebenso wenig sei langfristige Sicherheit ohne nachhaltige Entwicklung kaum zu erwarten. In diesem Zusammenhang wies Jäger auf die Notwenigkeit eines Modus Operandi hin, der deutlich über ministerielle Grenzen hinausgeht und fügte hinzu, dass es in der vernetzten Welt "eines ganzheitlichen Ansatzes" bedürfe.
Zum Ende des Konferenztages blieben drei zentrale Schlussfolgerungen zu ziehen: Erstens weist APSA heute zwar immer noch erhebliche Schwächen auf; sie steht jedoch, und das ist noch wichtiger, langfristig für einen grundlegenden Paradigmenwechsel, der das frühere Prinzip der Nicht-Einmischung in ein gemeinsames Bekenntnis zur Nicht-Gleichgültigkeit verwandelt. Dies stellt zugleich einen grundlegenden Wandel und eine deutliche Botschaft der afrikanischen Länder bezüglich ihrer Bereitschaft, Verantwortung für die drängenden Sicherheitsfragen auf ihrem eigenen Kontinent zu übernehmen dar. Zweitens ist nicht nur die Welt insgesamt, sondern vor allem das Sicherheitsumfeld auf dem afrikanischen Kontinent seit Gründung der APSA noch komplexer und anspruchsvoller geworden. Dies macht, neben einem zuverlässigen Engagement der afrikanischen Staaten, noch stärkere Anstrengungen in Bezug auf die nationale, regionale und internationale Zusammenarbeit und Koordination erforderlich. Drittens folgt man nicht lediglich einem „Hype“, wenn man die Herausforderungen, vor denen Afrika steht, beleuchtet und sich gemeinsam der Vielzahl zentraler Zukunftsthemen annimmt. Diese Herangehensweise ist vielmehr alternativlos, denn ein stabiles Afrika bedeutet letztendlich auch ein stabiles Europa.
Autoren: Martin Schuldes und Philipp Fritz