Aus den Augen, aus dem Sinn
Die internationale Koalition (Operation Inherent Resolve, OIR) gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS), zu der auch Deutschland gehört, hat erhebliche Fortschritte gemacht und die Terrormiliz an den Rand der Niederlage gebracht. Noch vor wenigen Monaten kämpften von der OIR unterstützte Truppen der Syrian Democratic Forces (SDF), einer breiten Koalition bestehend aus kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) und arabischen Milizen, um die IS-Hochburg Raqqa, während der syrischen Regierung der Entsatz der jahrelang belagerten Stadt Deir ez-Zor gelang. Somit wurde das IS-Herrschaftsgebiet auf das Euphrattal und einige kleinere Exklaven im übrigen Syrien reduziert. Doch dann begann der Kampf zu stocken. Syrische Truppen und Verbündete wurden an andere Fronten verlegt, während durch türkische Truppen unterstützte Oppositionsgruppen die kurdische Enklave Afrin stürmten. Die YPG, die einen Großteil der SDF stellen, zogen Kämpfer von der Frontlinie zum IS ab, um den neuen Feind zu bekämpfen. Die mediale Aufmerksamkeit verschob sich nach Afrin und Ost-Ghouta, was durch den vermuteten Einsatz von Giftgas durch die syrische Regierung noch verstärkt wurde. Während sich die Augen der Welt gebannt auf die geopolitischen Entwicklungen im türkischen Grenzgebiet richteten, erholt sich der fast, aber eben doch nicht ganz besiegte IS langsam aber stetig.
Während der Westen im Irak mit den irakischen Streitkräften und den Peschmerga zuverlässige und politisch akzeptierte Partner im Kampf gegen den IS hatte, war für Syrien eine andere Strategie nötig. Operationen gegen den IS wurden zwar durch westliche Streitkräfte vor allem aus der Luft unterstützt, der Großteil des Kämpfens (und Sterbens) fiel jedoch den SDF, und damit auch der YPG, zu. Die zentrale Rolle der durch die USA ausgebildeten und schließlich auch ausgerüsteten YPG-Einheiten offenbarte auch eine Schwäche der amerikanischen Strategie, führte die Stärkung der kurdischen Kräfte doch zu einem immer größer werdenden Zerwürfnis mit der Türkei, das seinen Ursprung in der Nähe der YPG zur PKK hat. Dies führte schließlich zum türkischen Angriff auf Afrin. Die YPG zog Teile ihrer Truppen und Kommandeure in Schlüsselrollen aus dem Süden ab, um Afrin zu verteidigen. Nun fehlten den USA die Bodentruppen, um den verbleibenden IS-Herrschaftsraum in Ostsyrien einzunehmen, wodurch sie schließlich gezwungen waren, eine „operationelle Pause“ im Kampf gegen den IS zu verkünden. Es ist vielleicht zu verlockend, die Schuld hierfür der Türkei zu geben, bietet sie und ihr Präsident doch ein willkommenes Ziel, zumal Kritiker der Türkei sich des Applauses aus einer Vielzahl politischer Lager sicher sein können. Doch der Kampf gegen den IS, welcher die offizielle Legitimation für die amerikanische Truppenpräsenz in Syrien ist, versandete bereits Monate vor dem Beginn der türkischen „Operation Olivenzweig“. Das amerikanische Interesse an einem schnellen Vormarsch in Ostsyrien schien deutlich nachzulassen, als es syrischen Truppen und Verbündeten gelang, die an der irakischen Grenze gelegene Stadt Al Bukamal einzunehmen und somit eine Landverbindung zum Iran herzustellen. Diese Landverbindung war lange Ziel des iranischen Engagements, denn sie ermöglicht die Aufrüstung der libanesischen Hisbollah über Land und somit an der seeseitigen Überwachung durch die UNIFIL-Mission der Vereinten Nationen vorbei. Eine Blockierung dieses Landweges wäre sowohl in amerikanischem als auch in israelischem Interesse gewesen. Das Rennen zur irakischen Grenze verloren die SDF jedoch gegen die syrische Armee. Seitdem gab es von Seiten der SDF keine größeren offensiven Aktionen mehr. Vor diesem Hintergrund fällt es schwer, die wiederholten russischen Vorwürfe, dass die USA dem IS im Euphrattal nicht den Todesstoß versetzt hätten, um weiterhin ihre Präsenz in Syrien zu rechtfertigen, komplett von der Hand zu weisen. Eins ist klar: Die Mission is not accomplished, und der IS hat nun eine Atempause. Wie er diese nutzt, das bleibt abzuwarten.
Verbleibende Herrschaftsräume nähren den IS
Der IS ist weit von seinem einstigen Zenit entfernt. Der OIR gelang es, die Kampfkraft des IS zu erodieren und den einst weite Teile Syriens und Iraks umfassenden Herrschaftsraum auf das Euphrattal und kleinere Exklaven einzuschränken. Diese nach wie vor bestehenden Herrschaftsräume geben dem IS die Möglichkeit, weiterhin Videos für seine Propagandazwecke zu erstellen, welche bisweilen Gräueltaten der Islamisten dokumentieren und den bewaffneten Kampf für die Organisation verherrlichen. Auch wird in der IS-Propaganda nach wie vor das Fortbestehen des „Kalifats“ und eine funktionierende Verwaltung inszeniert. Bilderserien, die die Bürokratie des IS im Euphrattal oder sein „Bildungssystem“ im Jarmuk-Tal präsentieren, sollen den Anhängern suggerieren, dass die Organisation weiterhin Bestand hat und noch lange nicht besiegt ist. Um diese Propaganda bloßzustellen und auch den Kampf gegen das „Cyber Kalifat“ zu gewinnen, ist die endgültige Zerschlagung des Herrschaftsraumes der Terrormiliz in Syrien unabdinglich.
Dass dem IS weiterhin ermöglicht wird, seine Herrschaftsräume zu halten, erhöht die Wirkung dieser Propaganda und verleiht dem IS eine gewisse Legitimationsgrundlage, die wohl auch die Rekrutierung von neuen Anhängern weltweit erleichtert. Auch in militärischer Hinsicht ist der IS weit von seinem Zenit entfernt, verfügt jedoch immer noch über ausreichende Truppen und Material, um vereinzelt kleinere Offensiven auszuführen. Die britische BBC deckte auf, dass die SDF es dem IS ermöglichten, tausende Kämpfer aus dem eingeschlossenen Raqqa nach Süden zu evakuieren. Aus Sicht der SDF ist dieser Schritt nachvollziehbar, da die Alternative ein zäher Kampf in urbanem Gebiet gegen einen umzingelten Gegner gewesen wäre. Diese IS-Kämpfer befinden sich nun im Euphrattal, wo sie eine anhaltende Bedrohung darstellen. Falls es dem IS durch die ihm gewährte Pause gelingen sollte, seine Kräfte neu zu ordnen und in einem Blitzangriff größere Geländegewinne zu erzielen – und seien sie nur temporär – könnte dies ein Propaganda-Coup für die in Bedrängnis geratene Terrormiliz werden.
IS im Irak: „back to the roots“
Schaut man auf die Entstehungsgeschichte des IS, ist die aktuelle Situation als Rückentwicklung zu verstehen. Der IS entstand als eine von vielen aufständischen Gruppierungen im Irak, die jahrelang einen Kleinkrieg gegen die irakische Regierung und die amerikanischen Streitkräfte führten.1 Seines zwischenzeitig erlangten Herrschaftsraums beraubt, hat nun eine Rückkehr zu diesen Wurzeln begonnen. Der offene Kampf weicht Guerilla-Taktiken, Terroranschlägen und der Vermeidung offener Konfrontation mit den irakischen Sicherheitskräften. Besonders die an die verbleibenden IS-Gebiete in Syrien grenzende irakische Provinz Ninawa ist als ein Raum begrenzter Staatlichkeit besonders anfällig. Solche Gebiete sind bedeutende Katalysatoren für die Aktivitäten des IS im Irak, was ihre Befreiung zu einem Kerninteresse der irakischen Regierung werden lässt.
Doch auch in anderen Provinzen Iraks verhindern anhaltende Unruhen und Aufstände die Rückkehr zur Normalität. So bietet unter anderem das bergige Umland von Kirkuk im Nordirak ideale Bedingungen für einen langatmigen Guerillakrieg. Irakische Streitkräfte übernahmen nach dem Unabhängigkeitsreferendum der Regionalregierung der autonomen Region Kurdistan die Kontrolle über die Stadt Kirkuk und das Umland. Die autonome Region hatte im Zuge des Kampfes gegen den IS die Schwäche der irakischen Zentralregierung genutzt und der Terrororganisation die Kontrolle der Stadt abgenommen. Es stehen Vorwürfe im Raum, dass die Kurden vor dem Einrücken der irakischen Armee gefangene IS-Kämpfer freigelassen hätten, die nun unter anderen islamistischen Bannern die Gegend terrorisierten. Ein Motiv hierfür wäre die Diffamierung der Zentralregierung durch eine verschlechterte Sicherheitslage und das Bestreben, diese in Kontrast zur vorherigen Situation unter kurdischer Herrschaft zu stellen.
Doch die irakischen Sicherheitskräfte haben den Kampf gegen die Islamisten bereits aufgenommen und vermelden erste Erfolge – die irakische Armee ist nicht mehr dieselbe, die Mossul 2014 fast kampflos aufgab. Zwar hat der mehrjährige Kampf gegen den IS zahlreiche Opfer gefordert, doch die irakischen Sicherheitskräfte sind inzwischen kampferprobt und weit besser ausgerüstet als vor vier Jahren. Eine langfristige Befriedung des Landes wird jedoch nicht ausschließlich mit militärischen Mitteln zu erreichen sein. Viel wird von Ministerpräsident Haider al-Abadi abhängen. Er steht vor der monumentalen Aufgabe, nicht nur zwischen Sunniten und Schiiten zu vermitteln, sondern gleichzeitig auch Brücken zur kurdischen Autonomieregion zu schlagen. Nur wenn alle Bevölkerungsgruppen des Iraks ökonomisch und politisch gleichberechtigt sind, wird ein Ende der IS-Aktivitäten möglich und damit eine wichtige Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden geschaffen sein.
Den Krieg gewinnen
Der IS ist noch nicht besiegt. Für die syrische Regierung hat die Rückeroberung des Euphrattals niedrige Priorität und eine Offensive könnte noch Jahre entfernt sein. Es liegt an der Koalition, ihre Aufgabe zu beenden und dem IS alle Herrschaftsräume zu entziehen. Doch der amerikanisch-türkische Streit über die Rolle der YPG verhindert einen weiteren Fortschritt. Alles deutet darauf hin, dass die USA an der Partnerschaft zu den SDF festhalten werden, während die Türkei diese weiterhin als terroristische Gruppierung betrachten wird. Darum wird Deutschland zu einer Schlichtung dieses Streits wohl nicht in der Lage sein. Sollten die SDF nicht für eine Fortführung von offensiven Aktionen gewonnen werden, muss eine Alternative gefunden werden. Eine Kooperation mit der syrischen Regierung würde politisch sehr heikel werden, vor allem vor dem Hintergrund der erneuten Vorwürfe des Einsatzes chemischer Waffen. Falls sich die Koalition entgegen aller Erwartungen doch zu einer Kooperation mit Assad entschließen sollte, könnte der syrischen Regierung im Austausch für den Einsatz von Truppen im Euphrattal zum Beispiel eine Aufhebung oder eine Lockerung von Sanktionen angeboten werden.
Die irakische Regierung und Teile der im Irak aktiven schiitischen Milizen der Volksmobilisierungseinheiten sind enge Partner der Koalition und weitgehend frei von den an syrischen Truppen haftenden Stigmata. Zusätzlich sind die syrisch-irakischen Beziehungen sehr stabil. Diese Faktoren könnten einen Einsatz der schiitischen Milizen oder der irakischen Armee auf syrischem Boden ermöglichen. Präsident Assad hätte hierbei keinen Gesichtsverlust zu befürchten, vor allem da die Iraker die Kontrolle über das Euphrattal nach der Vertreibung des IS wohl bereitwillig an Syrien übergeben würden, weil hier keine territorialen Ambitionen bestehen. Zusätzlich sind ohnehin schon zahlreiche irakische Milizionäre auf der Seite Assads aktiv, was die Präsenz irakischer Kräfte im Euphrattal politisch leicht vermittelbar machen sollte. Hier könnte Deutschland ansetzen und der irakischen Regierung für ihre Kooperation erhöhte Wiederaufbauhilfe, Güter zur Ausstattung der irakischen Armee oder Vergleichbares anbieten. Trotz Allem ist der Irak eine vergleichsweise funktionierende Demokratie, von der keine Angriffskriege zu erwarten sind und die sich inmitten einer massiven Aufrüstung befindet, welche aber im Moment verstärkt durch Russland erfolgt. Hier könnte russischer Einfluss durch eine Belieferung der irakischen Armee mit europäischen oder amerikanischen Waffensystemen zurückgedrängt werden. Besonders der irakische Bestand an Schützenpanzern ist veraltet.
Falls es Deutschland gelingen sollte, eine entsprechende Initiative in die Wege zu leiten, läge es an den USA, diese zu unterstützen und zu beweisen, dass der Kampf gegen den IS ihre tatsächliche Motivation für die Präsenz in Syrien ist. Zwar befinden sich die durch den IS kontrollierten Gebiete östlich des Euphrat, und damit auf der „amerikanischen Seite“ der durch den Fluss gebildeten Deeskalationslinie, doch der Kampf gegen die Terrormiliz muss oberste Priorität haben.
Den Frieden gewinnen
Eine dauerhafte Stabilisierung der Region kann nur eingebettet in einer politischen Lösung funktionieren. Unabhängig von einem eventuellen Einsatz irakischer Kräfte in Syrien darf der Irak daher mit der Mammutaufgabe, das Erbe des IS zu überwinden und eine dauerhafte Erosion seiner staatlichen Strukturen zu verhindern, nicht alleine gelassen werden. Besonders die sunnitischen Gebiete wurden durch den Krieg schwer verwüstet, und die Zentralregierung ist in Bezug auf ihren Wiederaufbau nicht immer motiviert; so liegen in Mossul auch ein Jahr nach dem Ende der Kämpfe noch zahlreiche Leichen unter den Trümmern. In einem solchen Umfeld kann keine dringend benötigte Normalität entstehen. Die sunnitischen Gebiete spielen jedoch eine Schlüsselrolle für die Stabilität des Landes und somit der gesamten Region, denn sie könnten Rekrutierungsbecken für zukünftige terroristische Gruppierungen sein.
Hier kann und muss Deutschland dem Zweistromland unter die Arme greifen. Die Bundesrepublik hat die Mittel und die Expertise um sowohl kurzfristig die Grundversorgung der betroffenen Menschen sicherzustellen, als auch langfristig den Irakern eine tatsächliche Perspektive zu bieten. Die Voraussetzung für ein Gelingen jeglicher entwicklungspolitischer Maßnahmen ist jedoch eine stabile Sicherheitslage im Land. Der Ausbau der Ertüchtigung irakischer Sicherheitskräfte ist ein wichtiger erster Schritt, dem jedoch noch weitere folgen sollten. Ein größeres deutsches Engagement wäre auch ein eindeutiges Signal an die Trump-Administration, die zuletzt mit dem Gedanken gespielt hatte, amerikanische Truppen aus der Region abzuziehen. Es würde nicht nur zeigen, dass die USA mit den Kosten der Einsätze nicht alleine gelassen werden, sondern auch den Anspruch Deutschlands als Gestaltungsmacht untermauern. Den Irak mit den gewaltigen Herausforderungen, vor denen er steht, alleine zu lassen, wäre kurzsichtig und gefährlich.
Ausländische Hilfe alleine kann die Spaltungen innerhalb der irakischen Gesellschaft jedoch nicht überwinden. Es liegt an den Sunniten Iraks, endlich anzuerkennen, dass die Zeiten Saddams, in denen sie brutal über die schiitische Mehrheit herrschten endgültig vorbei sind. Nach 15 Jahren des Krieges und der Gewalt müssen die sunnitischen Eliten Bereitschaft zeigen, eine politische Lösung zu erarbeiten. Gleichzeitig dürfen die Schiiten nicht die Fehler der früheren Machthaber wiederholen und Dissens mit Gewalt begegnen. Grundlage für einen Ausgleich der Konfessionen muss eine gerechte Aufarbeitung der Geschehnisse der letzten Jahre sein. Sexuelle Sklaverei, Folter und Massenmord wären nicht ohne Kollaboration von Teilen der sunnitischen Gemeinde möglich gewesen. Es gilt nun, statt kollektiver Bestrafung die Täter zu ermitteln und gerecht zu bestrafen. Hier wiederum kann Deutschland helfen, in dem es dem irakischen Justizsystem mit Expertise und finanziellen Mitteln zur Seite steht. Ein wirtschaftlicher Aufschwung verbunden mit einer politischen Gleichberechtigung der Konfessionen würde dem geplagten Land zumindest eine Chance auf ein Ende der Gewalt geben. Eine Schlüsselrolle für eine Mäßigung der schiitischen Gemeinde spielen die Geistlichen, allen voran Großayatollah Ali as-Sistani. Sistani bewies schon in den Jahren nach dem Fall Saddams, dass er durchaus zur Kooperation mit dem Westen bereit ist, solange er von dessen Absichten überzeugt ist.
Hierfür und für die Befriedung des Iraks essentiell ist das Verhindern einer Eskalation des Konfliktes mit dem Iran. Sollten die USA oder Israel den Iran direkt angreifen, würden iranische Kräfte mit hoher Wahrscheinlichkeit amerikanische Ziele im Irak angreifen. Eine erneute Eskalation der Gewaltspirale und eine Atempause für den IS wären die Folge. Deutschland und Europa dürfen die Stabilität im Mittleren Osten nicht für kurzfristige ökonomische Interessen opfern. Das Atomabkommen mit dem Iran ist dabei ein wichtiges Puzzleteil für den Frieden.
Noch nötiger wird Hilfe für Syrien sein. Es gibt durchaus Stimmen, die Wiederaufbauhilfe für Syrien mit Verweis auf die Machterhaltung Assads strikt ablehnen. Doch eine Verweigerung der Unterstützung beim Wiederaufbau des Landes würde nicht Assad oder die Eliten Syriens treffen. Die wahren Opfer einer solchen Politik wären eher die einfachen Syrer, die mit den Trümmerhaufen, die von ihrer einstigen Heimat übriggeblieben sind, alleine gelassen würden. Ebenso wäre es nicht in Deutschlands Interesse, wenn Syrien in naher Zukunft zum Hort von Instabilität und Armut würde oder wenn es Russland, Iran und China gelänge, ihren Einfluss weiter auszubauen. Das freiwillige Überlassen jeglicher Einflussmöglichkeiten an diese Länder würde auch die Interessen deutscher Verbündeter, allen voran Israel gefährden.
Der Krieg gegen den IS im Irak scheint fast gewonnen und die Gewalt ebbt ab. Nun muss sichergestellt werden, dass der Kreislauf der Gewalt, der den Irak seit Jahren heimsucht, endgültig gestoppt wird und dass Frieden in das Zweistromland einkehrt. Eine Befriedung des zentral gelegenen Iraks wäre mehr als nur ein positives Signal. Es wäre eine Kernvoraussetzung für dauerhafte Stabilität in der Region. In Syrien (und im Cyberraum) steht das letzte Gefecht gegen den IS noch bevor. Ein finaler diplomatischer und militärischer Kraftakt ist nötig, bevor die Aufgabe der Koalition als erledigt betrachtet werden kann. In Syrien wie im Irak sollte sich die Zivilmacht Deutschland beim Wiederaufbau stärker engagieren, um die zaudernde, mehr als zögernde Haltung bei der militärischen Beteiligung auszugleichen – nicht zuletzt als Signal an die hunderttausenden Syrer, die in Deutschland Schutz gefunden haben.
Doch selbst damit wird der Kampf gegen den IS nicht beendet sein. In dem klassischen Konsolenspiel „Whac-A-Mole“ muss der Spieler Maulwürfe durch einen Schlag zurück in den Boden treiben. Doch nach jedem Schlag taucht der Maulwurf anderorts wieder auf. Ähnlich verhält es sich mit dem IS im Speziellen und dem salafistischen Dschihadismus im Allgemeinen. Selbst wenn dem IS immer wieder mit gezielten Schlägen zugesetzt wird, taucht er erneut dort auf, wo prekäre ökonomische Zustände auf begrenzte Staatlichkeit treffen. Ob Sinai, Afghanistan, Somalia oder Indonesien: Die Liste der Regionen mit einer
IS-Präsenz wächst stetig und erzeugt neuen Handlungsbedarf.
Thomas Martinez Perez ist Student im Masterstudiengang War and Conflict Studies an der Universität Potsdam. Der Autor gibt seine persönliche Meinung wieder.
1 Siehe hierzu auch das Arbeitspapier Sicherheitspolitik Nr. 21/2016 der Bundesakademie für Sicherheitspolitik.
Copyright: Bundesakademie für Sicherheitspolitik | ISSN 2366-0805 Seite 1/5