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Endstation für Illusionen. Trumps Optionen für die amerikanische Nordkoreapolitik

5/2017
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Seit Jahrzehnten sorgen die nuklearen Ambitionen des nordkoreanischen Regimes für einen Dauerkonflikt auf der koreanischen Halbinsel. Nun scheint sich das Kernwaffenprogramm an einem Scheidepunkt zu befinden, da Pjöngjang schon bald über die nuklearen Kapazitäten verfügen könnte, um sogar die Vereinigten Staaten direkt zu bedrohen. Wollen die USA unter diesen Vorzeichen weiter am Ziel einer atomwaffenfreien koreanischen Halbinsel festhalten, muss die bisherige US-Strategie ebenso grundlegend wie dringend überdacht werden.

Totgesagte leben länger. Diese Erkenntnis scheint auch in der internationalen Politik und dabei insbesondere für die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) zuzutreffen. Denn entgegen der andauernden Spekulationen über einen bevorstehenden Systemzusammenbruch ist das Störpotential des nordkoreanischen Regimes weiterhin ungeschmälert. In beständiger Regelmäßigkeit macht Pjöngjang durch rhetorische Provokationen, als Auslöser von regionalen Krisen und insbesondere durch das Streben nach Nuklearwaffen auf sich aufmerksam.

In seiner diesjährigen Neujahrsansprache verkündete der nordkoreanische Staatsführer Kim Jong-un, dass die DVRK mit dem Test einer Wasserstoffbombe in 2016 den epochalen Schritt hin zur Atommacht vollzogen habe und verwies dabei auch auf laufende Vorbereitungen für den Test einer ballistischen Interkontinentalrakete. Die nordkoreanische Führung scheint langsam aber sicher an einem zentralen Ziel ihrer nuklearen Ambitionen anzukommen: Experteneinschätzungen zufolge könnte Nordkorea schon innerhalb der nächsten fünf Jahre über einsatzfähige Gefechtsköpfe und weitreichende Trägersysteme verfügen, um auch Nuklearschläge gegen das Kernland der USA durchführen zu können. Angesichts der gesicherten amerikanischen Zweitschlagfähigkeit würde ein solcher Angriff für Nordkorea unzweifelhaft die sichere Vernichtung bedeuten, weswegen nicht davon auszugehen ist, dass Pjöngjang diese Waffen proaktiv einsetzen wird. Gleichwohl würden aber Nordkoreas neue Fähigkeiten nicht nur die strategische Balance zwischen den beiden Staaten grundlegend ändern, sondern auch das ohnehin schon eingeschränkte Repertoire der USA an diplomatischen und militärischen Optionen gegenüber dem Regime weiter empfindlich begrenzen. In einer seiner unzähligen Twitter-Nachrichten hielt der neue US-Präsident Donald Trump als Reaktion auf die jüngsten Ankündigungen aus Pjöngjang dagegen: „Nordkorea hat gerade erklärt, dass es sich in der Endphase der Entwicklung einer Nuklearwaffe befindet, die in der Lage ist, Teile der USA zu erreichen. Das wird nicht passieren.“1

Unklar bleibt dabei, wie er diese Ankündigung umzusetzen gedenkt, denn bisher hat sich Trump nur äußerst schlaglichtartig zu den Konturen der US-Nordkoreapolitik unter seiner Präsidentschaft geäußert. Will er jedoch am strategischen Ziel einer nuklearwaffenfreien koreanischen Halbinsel festhalten, dann muss die neue US-Administration nicht nur die Priorität Nordkoreas in der außenpolitischen Agenda der USA deutlich erhöhen, sondern auch die bisherigen Strategien ebenso dringend wie auch grundlegend überdenken. Es bleibt jedoch äußerst fraglich ob es noch gelingen wird, Nordkorea zur nuklearen Abrüstung zu bewegen. Die Vorzeichen dafür stehen gegenwärtig denkbar schlecht. Die neue US-Regierung und insbesondere der außenpolitisch noch unerfahrene Präsident wären daher gut beraten, sich keinen Illusionen hinzugeben.

Wie konnte es soweit kommen?

Die nordkoreanische Führung strebt nicht erst seit gestern nach Nuklearwaffen. Beobachter gehen davon aus, dass die nukleare Karriere Nordkoreas bereits Mitte der 1970er Jahre begann. Keimzelle des Programms ist der Nuklearforschungskomplex Yongbyon, in dem sich neben einem fünf Megawatt-Versuchsreaktor auch eine für zivile Zwecke augenfällig überdimensionierte Wiederaufbereitungsanlage für Plutoniumbrennstäbe befindet. Teile des in den 1980er Jahren erheblich erweiterten Komplexes wurden schon damals versteckt und geschützt in Stollen errichtet, was auf eine relativ frühe militärische Nutzung schließen lässt. Erste Verdachtsmomente erhärteten sich dann im Vorfeld der ersten Nuklearkrise von 1994, als Unregelmäßigkeiten im Brennstoffkreislauf des Reaktors festgestellt wurden.

Nachdem Nordkorea 2003 aus dem internationalen Nichtverbreitungsabkommen (Non-Proliferation Treaty, NPT) ausgetreten war, überschritt Pjöngjang drei Jahre später mit dem ersten Kernwaffentest die nukleare Schwelle. Seitdem hat Nordkorea vier weitere Tests durchgeführt, die letzten beiden im Januar und September 2016. Die Ergebnisse zeigen, dass Pjöngjang offenbar immer besser in der Lage ist, den Prozess der Kettenreaktion zu kontrollieren und damit auch die freigesetzte Explosionskraft zu steigern. Eigenen Angaben zufolge habe Nordkorea im Rahmen der letzten beiden Tests nicht nur eine Wasserstoffbombe kontrolliert zur Explosion gebracht, sondern auch ein miniaturisiertes Waffendesign erfolgreich getestet, was jedoch von unabhängigen Experten stark angezweifelt wird. Falls dies dennoch zuträfe könnten beide Entwicklungen als Meilensteine auf dem Weg zum einsatzfähigen Gefechtskopf angesehen werden.

Derzeit gehen Beobachter davon aus, dass Nordkorea über ein relativ kleines Arsenal von etwa sechs bis acht Nuklearwaffen verfügen könnte. Über deren tatsächliche Einsatzfähigkeit wird rege diskutiert, denn trotz aller offensichtlichen und mutmaßlichen Fortschritte scheint Nordkorea noch einige technische Hürden auf dem Weg zur Atommacht nehmen zu müssen. Trotzdem scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis Pjöngjang über die technologischen Komponenten und das notwendige Wissen verfügt, um einen einsatzfähigen Gefechtskopf und ebenso verlässliche wie auch weitreichende Trägersysteme herstellen zu können.

Die Zeit des Hoffens und Wartens ist vorbei

Soll die nordkoreanische Führung noch an der Vollendung ihrer nuklearen Ambitionen gehindert werden, dann ist der Faktor Zeit heute wichtiger denn je. Problematisch erscheint in diesem Zusammenhang, dass die bisherige Strategie der Obama-Administration zwar den Faktor Zeit beinhaltet, diesen aber lediglich als gegeben ansieht. Ausgehend von den bisherigen Verhandlungserfahrungen und insbesondere als Lehre aus der fortgesetzten Weigerung Pjöngjangs, getroffene Abkommen und Zusagen auch einzuhalten, entschied sich Washington für eine Politik der „strategischen Geduld“. Im Kern sieht dieser Ansatz vor, dass zunächst Pjöngjang glaubwürdig in Vorleistung gehen muss bevor die USA ihrerseits darauf reagieren werden.

Die Bilanz dieser Strategie fällt ambivalent aus. Zwar ist es den USA gelungen, den von Pjöngjang in der Vergangenheit immer wieder geschickt genutzten Kreislauf von „Provokation – Krise – Verhandlungen – Zugeständnissen“ aufzubrechen; dem Ziel der atomaren Abrüstung Nordkoreas ist man jedoch keinen Schritt näher gekommen. Kritiker warfen der Obama-Administration daher vor, dass die Strategie im Kern in wenig mehr bestanden habe als dem Abwarten auf ein Greifen der gegen Pjöngjang gerichteten Sanktionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und der Hoffnung auf den mäßigenden Einfluss Pekings, wohingegen die Rolle der USA auf die eines mehr oder minder interessierten Zuschauers beschränkt war.

Für Washington scheint Nordkorea, wie US-Außenminister John Kerry einst so treffend bemerkte, zum „Land der lausigen Optionen“ geworden zu sein.2 Für die gezeigte Passivität der USA während der zweiten Amtszeit Obamas mag daher auch ein gewisses Maß an aufgestauter Frustration und vielleicht sogar Resignation verantwortlich gewesen sein. Dazu würde auch der rhetorische Rückzug Obamas auf das alte, aber wenig bewährte und gegenwärtig schwerlich hilfreiche Argument passen, dass Regime wie Nordkorea über Zeit unweigerlich zusammenbrechen würden.3 Die Zeit, auf die der scheidende Präsident hier im Januar 2015 verwies, läuft im Moment jedoch gegen die Interessen der USA.

Was nun, Mr. President?

Nun wird sich die neue US-Administration unter Donald Trump mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie Nordkorea doch noch zur nuklearen Abrüstung bewegt werden kann. Bisher hat sich Trump nur sporadisch und teils auch widersprüchlich zu den Leitlinien und Inhalten der künftigen Nordkoreapolitik der USA geäußert, weswegen derzeit noch keine kohärente Strategie erkennbar ist. Um diese auszuformulieren stehen dem amerikanischen Präsidenten prinzipiell vier strategische Optionen zur Verfügung:

(1) Trump könnte den Ansatz seines Vorgängers fortführen und versuchen, das Problem weiter auszusitzen. Diese Option erscheint aber mit Blick auf die beständige Vitalität des nordkoreanischen Regimes und seiner nuklearen Ambitionen nicht erfolgversprechend zu sein. So sitzt Kim Jong-un gegenwärtig fester im Sattel der Macht als ihm das zu Beginn seiner Regentschaft von vielen Beobachtern zugetraut worden ist. Zudem scheint sich auch die innerstaatliche Versorgungssituation stabilisiert zu haben. Weiteres Abwarten würde darüber hinaus auch die Proliferationsgefahr erhöhen, denn Pjöngjang könnte zur Aufbesserung der notorisch klammen Devisenkassen versuchen, spaltbares Material und Kernwaffentechnologie ins Ausland oder an nichtstaatliche Akteure zu verkaufen. Dass die nordkoreanische Führung wenig Skrupel, aber umso mehr Erfahrung mit solchen Geschäftsmodellen hat, zeigen die bereits laufenden staatlich-organisierten illegalen Aktivitäten des Landes im Bereich des transnationalen Handels mit Drogen, gefälschten Pharmazeutika, Bargeld und Zigaretten, sowie dem Handel mit geschützten Arten und auch Menschen.

(2) Die USA könnten andererseits versuchen, das Problem durch die Anwendung von wesentlich drastischeren Maßnahmen zu lösen. Denkbar wäre beispielsweise eine weitere Verschärfung der bestehenden Sanktionen, auch wenn diese wenig erfolgversprechend erscheint. Der neue US-Präsident ging in seinem Wahlkampf sogar noch einen Schritt weiter. Wiederholt stellte Donald Trump ein militärisches Vorgehen gegen das nordkoreanische Regime und dessen Kernwaffenprogramm zur Diskussion. Diese Überlegungen wird er in seinem neuen Amt ebenso schnell wie nachhaltig verwerfen müssen, denn eine – zwar theoretisch vorstellbare –militärische Lösung des Problems besteht de facto nicht. Jede Anwendung von militärischer Gewalt birgt in diesem Konflikt das Risiko einer mit unabsehbaren Folgen einhergehenden unkontrollierbaren Eskalation und würde zudem unweigerlich Peking auf den Plan rufen, da der militärische Beistandspakt zwischen Nordkorea und China unverändert fortbesteht. Und obwohl Peking sich in jüngerer Vergangenheit äußerst unzufrieden angesichts der Eskapaden der nordkoreanischen Führung gezeigt hat, hat die koreanische Halbinsel insbesondere vor dem Hintergrund der derzeit zunehmenden chinesisch-amerikanischen Spannungen für China weiterhin großen strategischen Wert. Unterm Strich haben die USA somit militärisch keine Handhabe gegen das nordkoreanische Atomprogramm.

(3) Eine weitere Option wäre, China stärker als bisher dazu zu bewegen, seinen eigenen, vor allem wirtschaftlichen, Einfluss auf Nordkorea geltend zu machen und damit den Druck auf das Regime zu erhöhen, nuklear abzurüsten. Dieser Ansatz scheint ein zentrales Element von Trumps Nordkoreastrategie zu werden. So hatte er im Wahlkampf angekündigt, er werde die „enorme wirtschaftliche Macht“ der USA gegenüber China nutzen, um Peking dazu zu bringen, das Problem im Rahmen „eines Treffens oder eines Telefonats“ im Sinne der USA zu lösen.4 Obwohl in dieser saloppen Einschätzung die tatsächlichen Gegebenheiten nur äußerst übersimplifiziert reflektiert werden, ist der Kern des Arguments durchaus zutreffend: Nordkorea ist hochgradig abhängig von China, weswegen Peking bei der Lösung des Nuklearkonflikts eine entscheidende Rolle zukommt. Zu dieser Einsicht waren jedoch auch schon die Regierungen Clinton, Bush und Obama gelangt und hatten dementsprechend versucht, Peking verstärkt einzubinden. Die Intensivierung des China-Faktors ist somit kein genuin neues Element in der US-Nordkoreapolitik.

Was Trump aber offenbar unterschätzt, ist, dass Pekings tatsächlicher Einfluss auf Pjöngjang bei weitem nicht so übermächtig zu sein scheint, wie dies der Abhängigkeitsgrad Nordkoreas vom einzigen Verbündeten und internationalen Unterstützer suggeriert. Denn Peking sieht sich seit geraumer Zeit durch die chinesische Doppelrolle als Systemgarant und Sanktionsmacht mit einem Dilemma konfrontiert: Einerseits hat China ein strategisches Interesse, die nukleare Bewaffnung Nordkoreas zu verhindern und den Dauerkonflikt auf der koreanischen Halbinsel einzuhegen, weswegen Peking die mittlerweile empfindlich verschärften Sanktionen des UN-Sicherheitsrats gegen die DVRK mitträgt und auch vor wütenden Tönen gegenüber Pjöngjang nicht länger zurückschreckt. Zieht jedoch Peking andererseits die Zügel zu hart an, riskiert China den unkontrollierten Zusammenbruch des nordkoreanischen Staates mit potentiell schwerwiegenden Folgen für die Volksrepublik und ihre Interessen in der Region. Da die chinesische Führung offenbar noch keinen Ausweg aus dem eigenen Nordkorea-Dilemma gefunden hat, hält Peking gegenwärtig am Interesse der Aufrechterhaltung einer minimalen Stabilität des Systems fest. Es ist davon auszugehen, dass Peking diesen Ansatz weiter verfolgen wird, insbesondere wenn Donald Trump als US-Präsident weiterhin diplomatisches Porzellan wie den für Peking äußerst sensitiven Status Taiwans und den Grundsatz der Ein-China-Politik derartig unbeholfen und wenig hilfreich handhabt wie bisher.

(4) Damit verbleibt als vierte und letzte Option, wieder in direkte Verhandlungen mit Pjöngjang einzutreten. Die damit verbundene Abkehr von der bisherigen US-Strategie hat der neue Präsident bereits während des Wahlkampfs angekündigt: Anders als sein Vorgänger werde er mit der nordkoreanischen Führung reden. Sollte sich die Gelegenheit ergeben, bestünde eine zehn- bis zwanzigprozentige Chance, dass er Kim zur Aufgabe des Kernwaffenprogramms überreden könne, so die Einschätzung Trumps.5

Möglicherweise waren es Ankündigungen wie diese, die Trump eine bemerkenswerte Wahlempfehlung durch Pjöngjang bescherte: Ein dem Regime nahestehender Autor ließ in einem Editorial für DPRK Today die Welt wissen, dass Trump der einzige Präsidentschaftskandidat sei, der die Bürger der USA von der ständig über ihnen drohenden Gefahr eines nordkoreanischen Nuklearangriffs erlösen könnte, indem er die in Südkorea stationierten US-Truppen abziehen wolle und sich zu direkten Verhandlungen bereiterkläre.6 Vielleicht ist Trumps hemdsärmeliger Pragmatismus nicht der schlechteste Ansatz, um im Umgang mit festgefahrenen Dauerproblemfällen wie Nordkorea neue Impulse zu setzen. Zumindest dürfte die angekündigte Bereitschaft Trumps, wieder Verhandlungen mit der DVRK beginnen zu wollen, in Pjöngjang positiv aufgenommen worden sein. Aber auch Trump sollte sich nicht der Illusion hingeben, der nordkoreanischen Führung die Nuklearwaffenambitionen einfach ausreden zu können.

Neben der Intensivierung des China-Faktors erscheint der Verhandlungsansatz gegenwärtig die einzige Option der USA zu sein, um weiter am Ziel einer kernwaffenfreien koreanischen Halbinsel festhalten zu können. Die Verhandlungsbereitschaft Pjöngjangs und damit auch die Erfolgsaussichten einer Verhandlungsstrategie sind jedoch von zwei grundlegenden Parametern abhängig: dem Verhandlungsziel und dem Verhandlungsangebot Washingtons. Wie die bisherigen Erfahrungen gezeigt haben, hat sich die Maximalforderung der USA nach einer „vollständigen, nachweisbaren und unumkehrbaren atomaren Entwaffnung“ - bei gleichzeitig fortgesetzter, feindlicher Grundhaltung der USA gegenüber Nordkorea - als hoffnungslos unrealistisch erwiesen. Daher sollte das Verhandlungsziel primär darin bestehen, ein Einfrieren des Nuklearwaffenprogramms zu erreichen. Unter den gegenwärtigen Bedingungen scheint dies das noch am ehesten realisierbare Zwischenziel zu sein. Damit wäre zwar der Nuklearkonflikt nicht gelöst, aber Washington hätte die dringend benötigte Zeit gewonnen, um auf Basis eines wenn auch fragilen status-quo weitere Schritte zu ermitteln.

Es bleibt die Frage offen, was die Vereinigten Staaten der nordkoreanischen Führung im Gegenzug dafür anbieten könnten. Eine Lockerung der bestehenden Sanktionen ist wohl ebenso wenig ausreichend wie ökonomische Anreize. Sollen mit der nordkoreanischen Führung ernsthaft Fortschritte am Verhandlungstisch erzielt werden, muss Washington beginnen, sich ebenso ernsthaft mit den Forderungen Pjöngjangs auseinanderzusetzen. Neben der Anerkennung von Nordkorea als Nuklearmacht bestehen diese vor allem in der Forderung nach Abschluss eines Friedensvertrags und der damit verbundenen diplomatischen Anerkennung der DVRK durch die USA. Bisher weigert sich Washington konsequent, insbesondere auf die letztgenannte Forderung einzugehen, was wiederum von Pjöngjang als fundamentales Absprechen der Existenzberechtigung des nordkoreanischen Staates wahrgenommen wird. Zusammen mit der massiven konventionellen und atomaren Übermacht der amerikanischen Streitkräfte und ihrer Verbündeten in der Region speist sich daraus ein mehr als akutes Sicherheitsdefizit für das nordkoreanische Regime, was von diesem wiederum als Begründung für das Streben nach nuklearen Abschreckungsmitteln herangezogen wird.

Endstation für Illusionen

Soll Nordkorea wieder an den Verhandlungstisch und zu substantiellen Zugeständnissen bewegt werden, dann müssen die USA das Sicherheitsdefizit des nordkoreanischen Regimes adressieren. Eine Möglichkeit dafür wäre der von Pjöngjang geforderte Friedensvertrag. Das Zustandekommen eines solchen Abkommens wäre ohne Zweifel eine äußerst begrüßenswerte Entwicklung, womit die feindselige Haltung beider Länder zumindest formell beendet werde würde, was sicherlich zur Entspannung der Gesamtlage und zur Stabilisierung der bilateralen Beziehungen beitragen könnte. Auch hinsichtlich der Nuklearproblematik scheint ein Friedensvertrag die derzeit einzig gangbare Option zu sein, um dem Sicherheitsmotiv hinter dem nordkoreanischen Nuklearwaffenstreben mit formalen Sicherheitsgarantien entgegentreten zu können. So hat Pjöngjang bereits angekündigt, zukünftig auf Kernwaffentests verzichten zu wollen, wenn die USA sich zur Durchführung eben dieses Schritts bereit zeigten.7 Auch wenn die US-Regierung dafür über einen gewaltigen Schatten springen muss, sollte Washington diese Gelegenheit angesichts der wenig erfolgversprechenden Alternativen nicht ungenutzt verstreichen lassen. Erstaunlicherweise könnte sich der Unternehmer Donald Trump als der geeignete Kandidat im Weißen Haus erweisen, um entgegen aller bisherigen Konventionen der amerikanischen Nordkoreapolitik ein solches Abkommen pragmatisch zu forcieren.

Markus Liegl, M.A. ist Doktorand an der Professur für Internationale Beziehungen mit Schwerpunkt Weltordnungsfragen an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Der Autor gibt seine persönliche Meinung wieder.

1 Trump, Donald (2017): twitter@realdonaldtrump, 2. Januar, https://twitter.com/realDonaldTrump/status/816057920223846400 (eigene Übersetzung)

2 Kerry, John (2011): U.S. and North Korea: The land of lousy options, in: Los Angeles Times (26. Juni), http://articles.latimes.com/2011/jun/26/opinion/la-oe-kerry-north-korea-20110626 (eigene Übersetzung)

3 Foster-Caren, Aidan (2015): Obama comes out as a North Korea Collapist, in: The Diplomat (30. Januar),
http://thediplomat.com/2015/01/obama-comes-out-as-a-north-korea-collapsist/

4 Byrnes, Jesse (2016): Trump: China has ‘total control’ over North Korea, in: The Hill (1. Juni),
http://thehill.com/blogs/ballot-box/presidential-races/264908-trump-china-should-rein-in-north-korea (eigene Übersetzung)

5 Gass, Nick (2016): Trump: I’ll meet Kim Jong-un in the U.S., in: Politico (15. Juni), http://www.politico.com/story/2016/06/donald-trump-north-korea-nukes-224385

6 Jh, Ahn (2016): North Korean editorial supports Donald Trump, in: NK News (31. Mai),
https://www.nknews.org/2016/05/north-korean-editorial-supports-donald-trump/
Taylor, Adam (2016): North Korea state media offers support for ‘wise politican’ Donald Trump, in: Washington Post (31. Mai),
https://www.washingtonpost.com/news/worldviews/wp/2016/05/31/north-korean-state-media-offers-support-for-wise-politician-donald-trump/?utm_term=.0ad49202b7b5

7 The Telegraph (2016): North Korea offers to stop nuclear tests in exchange for peace treaty (16. Januar), http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/asia/northkorea/12102995/North-Korea-offers-to-stop-nuclear-tests-in-exchange-for-peace-treaty.html

Copyright: Bundesakademie für Sicherheitspolitik | ISSN 2366-0805 Seite 1/5

 

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