Im aktuellen Handelsstreit zwischen den Vereinigten Staaten und China sind Seltene Erden von chinesischer Seite als mögliches Druckmittel ins Spiel gebracht worden. Dabei ist die dominante Stellung Chinas bei diesen strategischen Rohstoffen kein geopolitisches Modethema, sondern bereits seit einiger Zeit ein strukturelles Marktproblem mit technologischen und sicherheitspolitischen Implikationen für die Industriestaaten des Westens. Allein die Tatsache, dass ein einzelner Staat über das Potenzial verfügt, technologische Schlüsselrohstoffe für politische Verhandlungszwecke zu instrumentalisieren, sollte Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Das russische Beispiel energiepolitischer Erpressungsversuche drängt sich reflexartig auf. Doch bei Seltenen Erden ist die Lage weitaus dramatischer und ungleich schwieriger zu lösen als im Falle von Russlands Energiedominanz. Dennoch hat der Westen das Problem viel zu lange nicht hinreichend beachtet und die Lösung weitgehend dem Markt überlassen.
Warum sind Seltene Erden wichtig?
Seltene Erden sind eine Gruppe von 17 Metallen der Lanthanoid-Gruppe des Periodensystems, die aufgrund ihrer physikalischen und chemischen Eigenschaften in zahlreichen Technologien benötigt werden. Sie werden in Kleinstmengen verbaut und fungieren als sogenannte technologische Gewürzmetalle in Katalysatoren, Legierungen, Magneten, Solaranlagen und Computern. Ohne sie würden viele Geräte schlicht nicht funktionieren. Für die (Zukunfts-)Technologien der Energiewende, wie zum Beispiel vollelektrische Autos, Batterien und vernetzte Industrie 4.0-Anwendungen sind sie zusammen mit einer Reihe weiterer Rohstoffe wie Kobalt oder Lithium die elementare Grundlage.
Da all diese zivilen Technologien auch im Militärbereich verwendet werden, haben sie eine strategische Bedeutung für die Funktionsfähigkeit moderner und zunehmend vernetzter Hightech-Armeen. Um im Bilde zu bleiben: Ein amerikanisches Unterseeboot der Virginia-Klasse benötigt beispielsweise etwa vier Tonnen Selten-Erd-Materialien, ein Zerstörer der Arleigh Burke-Klasse mehr als zwei Tonnen und ein Kampfjet des Typs F-35 immerhin noch über 400 Kilogramm. Weitere Einsatzfelder sind in der Luft- und Raumfahrttechnik, in Überwachungssystemen und in Lasern. Je moderner und technologisch anspruchsvoller das Militärgerät wird, desto vielfältiger sind der Einsatzbereich und damit der Gebrauch von Seltenen Erden für die Streitkräfte der Zukunft. Das ist ein Trend, dem sich keine Armee der NATO-Staaten verschließen kann. Derzeit beträgt die Importabhängigkeit der NATO von Chinas Seltenen Erden nahezu 100 Prozent. Das ist weit höher als etwa die Energieabhängigkeit von Moskau, die je nach Staat variiert und für die notfalls Alternativen existieren. Die USA und die EU stufen Seltene Erden daher seit mehr als zehn Jahren als sogenannte kritische beziehungsweise strategische Rohstoffe ein. Das heißt, dass diese Rohstoffe gleichermaßen eine hohe wirtschaftliche Bedeutung und ein hohes Versorgungsrisiko haben. Es ist daher unerlässlich das chinesische Monopol, potenzielle alternative Lieferanten und damit verbundene Versorgungsrisiken eingehender zu betrachten.
Vom Erz bis zum Endprodukt: China kontrolliert fast die gesamte Wertschöpfungskette
In den meisten Analysen zu Chinas Rolle im Seltene-Erden-Markt wird übersehen, dass die Volksrepublik nicht nur die meisten Rohstoffe produziert, sondern mittlerweile auch alle nachgeordneten Sektoren der Wertschöpfungskette bis zum Endprodukt fast vollständig durch chinesische Firmen dominiert werden. Auf der ersten Stufe – dem Abbau der Rohstoffe – kontrolliert China aktuell etwa 80 Prozent der Weltproduktion, was einer Größenordnung von „nur“ 170.000 Tonnen Selten-Erd-Materialien (vor allem Oxide) im Jahr entspricht. Der chinesische Anteil ist dabei in den letzten Jahren von knapp 100 Prozent auf 80 Prozent gesunken, da andere Unternehmen in die Produktion eingestiegen sind. Zugleich ist die Volksrepublik größter Konsument Seltener Erden für die eigene Industrie. Größter auswärtiger Konkurrent ist das australische Unternehmen Lynas, das etwa 20.000 Tonnen Selten-Erd-Materialien produziert und damit für knapp zwölf Prozent des Marktes steht. Lynas ist jedoch seit Jahren hochverschuldet und nur deshalb noch solvent, weil Japan das Unternehmen seit 2011 finanziell unterstützt, um eine Lieferalternative zu China zu haben.
Die Logik dieses aus betriebswirtschaftlicher Sicht abwegig erscheinenden Projekts ist simpel: Japanisches Steuergeld für ein australisches Rohstoffunternehmen, um mehr Versorgungssicherheit für die japanische Industrie zu haben. Gleichzeitig sinkt dadurch das politische Druckpotenzial Pekings gegenüber Tokio. Im Westen ist die Lage aus rohstoffstrategischer Sicht indessen dramatischer. In den USA stellte Molycorp, das letzte Unternehmen, das Seltene Erden im Land förderte, 2015 aufgrund niedriger Rohstoffpreise die Produktion ein. Zwei Jahre später wurden die Reste des Unternehmens von einem Investmentkonsortium aus zwei amerikanischen und einem chinesischen Partner übernommen. Damit legte Washington vorerst sein letztes eigenes Selten-Erd-Unternehmen teilweise in chinesische Hände. Mittlerweile hat die US-Regierung die strategische Bedeutung Seltener Erden für Amerikas Wirtschaft und Militär zwar wieder erkannt. Ob daraus konkrete Schritte folgen und Washington bereit ist, Steuergeld einzusetzen, um amerikanische Produzenten für Seltene Erden zu unterstützen, bleibt aber abzuwarten.
In Europa ist die Lage ähnlich besorgniserregend wie in den USA: Nicht nur, dass es in der EU trotz hinreichender Vorkommen keine einzige Mine gibt, die Seltene Erden für Europas Industrie fördert. Die strategische Bedeutung dieser Elemente für die Energiewende und die militärische Autonomie der EU scheint seit der letzten Hochpreisphase 2011/12 in den politischen Entscheidungsebenen schlicht vergessen zu sein. Um einen Ausdruck des australischen Historikers Christopher Clark zum Weg in den Ersten Weltkrieg zu bemühen: Die EU scheint in die nächste Rohstoffkrise zu „schlafwandeln“. Brüssel und Berlin wollen zwar Energiewende, Klimaschutz und größere sicherheitspolitische Autonomie. Die strategische Bedeutung von Versorgungssicherheit mit den dafür notwendigen Rohstoffen wie Seltene Erden und weiterer Metalle haben die politisch Verantwortlichen jedoch nach wie vor nicht hinreichend erkannt. Dabei gibt es in Europa vielversprechende Lagerstätten, die einen Abbau erlauben würden. In Grönland und Schweden etwa sind Vorkommen von Seltenen Erden bekannt oder werden seit einiger Zeit ausgiebig erforscht. Nur werden sie nicht von europäischen Unternehmen abgebaut, da die Preise zu niedrig sind und das chinesische Monopol zu erdrückend ist.
Peking könnte mit seinen sechs staatlichen Unternehmenskonglomeraten den Markt mit seinen Überkapazitäten fluten und damit das Angebot erhöhen, was jedes Investment zunichtemachen würde.[1] China besitzt somit auf der ersten Produktionsstufe mehrere Hebel: etwa 40 Prozent der weltweiten Reserven, 80 Prozent der Produktion und damit Einfluss auf Angebot und Preisentwicklung. Eine der beiden potenziellen europäischen Lagerstätten mit Vorkommen von Seltenen Erden in Grönland wird zudem von einer chinesischen Firma entwickelt. Westliche privat geführte Unternehmen stehen einem ungleichen staatlich unterstützten Konkurrenten aus Ostasien gegenüber.
Doch damit nicht genug. Chinesische Firmen dominieren zunehmend alle weiteren Produktionsstufen des globalen Selten-Erden-Marktes. Sie sind führend in der Aufbereitung der Erze sowie in der Fertigung von Komponenten und zunehmend auch den Endprodukten wie Batterien und Computern. Im Bereich der Weiterverarbeitung sind in den letzten beiden Jahrzehnten zudem wichtige Technologien und Know-how nach China abgewandert. In einigen Bereichen, wie der Separation und bestimmten Patenten sind chinesische Unternehmen und Forschungseinrichtungen mittlerweile führend. Die größte Sparte betrifft sogenannte Permanentmagnete aus den Selten-Erd-Elementen Neodym und Dysprosium. Diese besonderen Hochleistungsmagnete werden außerhalb Chinas nur noch in Japan hergestellt. Die wenigen verbliebenen europäischen Magnetproduzenten haben ihre Fertigungen fast allesamt nach China verlegt, da sie dort günstiger Seltene Erden beziehen können. Der chinesische Anteil an der weltweiten Magnetproduktion wird auf über 80 Prozent geschätzt. Auch für die nächsten beiden Jahrzehnte wird kein anderes Land Chinas Anteil streitig machen können. Vom Erz bis zum Endprodukt ist und bleibt die Volksrepublik ein Monopolist auf mehreren Stufen. Auch Recyclingtechnologien für Seltene Erden existieren bisher nicht in größerem Maßstab oder haben nur geringe Wirkungsgrade. Dieser Zustand hat erhebliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche und militärische Sicherheit des Westens und seine Versorgungslage im Konfliktfall.
Existierende und mögliche Folgen des chinesischen Rohstoffmonopols
Das chinesische Monopol vom Erz bis zum Endprodukt zeigt im Brennglas mehrere Versäumnisse des Westens – auf beiden Seiten des Atlantiks. Zum einen nahm die US-Regierung über Jahrzehnte sehenden Auges hin wie die Volksrepublik ab den 1980er Jahren immer mehr in Grundlagen – und anwendungsspezifische Forschungen für Seltene Erden investierte. Mit niedrigen Produktionskosten, strategischen Firmenübernahmen, staatlicher Unterstützung (Subvention), Technologietransfers und laxen Umweltauflagen wandelte sich die vormalige amerikanische Dominanz bei Seltenen Erden in eine chinesische. Washington erkannte zwar frühzeitig die strategische Bedeutung eines gesicherten Zugriffs auf diese und weitere kritische Metalle für seine Wirtschaft und das Militär. Der Staat wurde jedoch nur unterstützend aktiv und überließ den Unternehmen die Rohstoffsicherung. Die Befürworter einer marktgesteuerten Lösung behielten die Oberhand, weshalb man die eigenen Firmen nicht vor dem Niedergang schützte und pleite gehen ließ. Marktdenken triumphiert(e) über berechtigte Sicherheitsbedenken.
Dass eine zu große Abhängigkeit von nur einem Lieferanten nicht nur nachteilig für einzelne Firmen, sondern für ganze Volkswirtschaften sein kann, musste Japan 2010 spüren. Nach einer kleineren Auseinandersetzung zwischen japanischen und chinesischen Booten in den umstrittenen Gewässern des Ostchinesischen Meeres wurden sämtliche Lieferungen von Seltenen Erden aus China nach Japan für mehr als zwei Monate ausgesetzt. Die Folge waren ein bis dahin nie gesehener Preisanstieg und ein hektisches Investieren in neue Erkundungsprojekte und Verarbeitungstechnologien auf der gesamten Welt. Japan überstand den Lieferengpass vergleichsweise unbeschadet, aber die großen japanischen Unternehmen wie Toyota bemühen sich seit dem noch aktiver um einen sicheren Zugang zu Seltenen Erden außerhalb Chinas.
Im aktuellen Handelskonflikt zwischen Washington und Peking könnte China Seltene Erden erneut als zeitweiliges politisch-ökonomisches Druckinstrument verwenden. Eine künstlich herbeigeführte Angebotsverknappung durch ein Exportverbot könnte zu einem Preisanstieg führen und die Suche nach ausreichend Rohstoffen für Amerikas, Europas und Japans Hightech-Industrien befeuern. Insbesondere die großen Verbraucher wie die Automobilkonzerne, aber auch Hersteller moderner Rüstungsgüter könnten von einem kurzfristigen Lieferengpass betroffen sein. Momentan gäbe es zwar ausreichend geförderte Mengen Seltener Erden auf dem Markt. Diese stammen aber zum überwiegenden Teil aus chinesischen Quellen. Andere Anbieter produzieren entweder zu wenig oder könn(t)en nicht genügend Mengen in der notwendigen Qualität herstellen. Um solch ein Szenario zu vermeiden und die allgemeine Versorgungssicherheit des Westens zu erhöhen, sollte daher über realisierbare Lösungsoptionen nachgedacht werden.
Was getan werden könnte – Mögliche Lösungsoptionen für Amerika und Europa
Grundsätzlich ist das Problem mit Seltenen Erden eines, das eine gemeinsame rohstoffökonomische, politische und geostrategische Lage- und Lösungsbeurteilung verlangt. Allein auf die Marktkräfte zu vertrauen, wäre naiv und strategisch verantwortungslos. Die Hoffnung, dass privatwirtschaftlich geführte westliche Unternehmen in den von China kontrollierten Markt einsteigen und sich zu ernsthaften Konkurrenten entwickeln, wird sich auf absehbare Zeit nicht realisieren. Die letzten zehn Jahre haben gezeigt, dass hier nicht allzu viel geschehen ist und China sein Monopol festigen und ausbauen konnte. Westliche Unternehmen scheuen die damit verbundenen Risiken. Auch sind die Gewinnaussichten für Minenprojekte und Verarbeitungsanlagen, die sich meist erst nach Jahren amortisieren – unter der Voraussetzung hoher Rohstoffpreise und hoher Nachfrage – nicht abzuschätzen. Hinzu kommt, dass ungewiss ist, welche der Seltenen Erden in fünf bis zehn Jahren benötigt werden. Die Technologien der Zukunft verlangen möglicherweise nur noch bestimmte Seltene Erden oder neuartige Verbindungen aus diesen mit anderen Metallen. Aus heutiger Sicht werden auch künftig die Selten-Erd-Elemente Neodym, Dysprosium, Praseodym, Lanthan und Cerium von großer Bedeutung sein. Trotz dieser Erkenntnis scheuen jedoch selbst die großen kapitalstarken Endkonsumenten wie VW, BMW oder Siemens strategische Investments in eigene Rohstoffprojekte. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist dies nachvollziehbar, aus marktstrategischer Sicht ist es jedoch bedenklich. Letztendlich müsste die gesamte chinesisch kontrollierte Wertschöpfungskette durchbrochen werden, um die verlorengegangene Rohstoffsouveränität des Westens zumindest teilweise zurückzugewinnen.
Wenn der Westen eine grundlegende Weichenstellung in diese Richtung einleiten will, muss er das Problem als gekoppeltes politisch-ökonomisches begreifen. Damit käme auch dem Staat – im deutschen Fall konkret der Bundesregierung oder in europäischen Handelsfragen der EU-Kommission – eine stärkere aktive Rolle zu. Bisher beschränkten sich die verantwortlichen Bundesministerien für Äußeres, Wirtschaft, Bildung und Forschung sowie Umwelt in Deutschland auf eine eher passiv-flankierende Rolle aus schlecht funktionierenden Rohstoffpartnerschaften (unter anderem mit Kasachstan und der Mongolei), punktuellen Investitionsunterstützungen für die Industrie und Forschungsausgaben. Das ist alles richtig und wichtig, reicht aber in Summe nicht aus, um das chinesische Monopol zu schwächen. Überhaupt sollte es in Deutschlands Kerninteresse liegen, die ungleichen Wettbewerbsbedingungen – staatlich unterstützte Rohstoffkonzerne in China auf der einen Seite gegen privatwirtschaftliche Unternehmen ohne maßgebliche Staatsunterstützung im Westen auf der anderen Seite – künftig zu beseitigen.
Das heißt konkret, dass Deutschland und die EU diesen Markt als strategisch einstufen und sich mit einer kohärenten, ressortübergreifenden Rohstoff- und Industriestrategie neu positionieren sollten. In Deutschland gab es mit der sogenannten Rohstoffallianz bereits einen Versuch, ein rein privatwirtschaftliches Industriekonsortium aus führenden deutschen Unternehmen ins Leben zu rufen, um gemeinsam Rohstoffe auf den Weltmärkten für den deutschen Markt einzukaufen. Nach der letzten Hochpreisphase 2011/12 wurde die Rohstoffallianz gegründet, jedoch bereits 2015 wieder eingestellt.
Von Seiten der beteiligten Unternehmen bestand kein Interesse mehr, da die Preise für Seltene Erden und andere Rohstoffe wieder sanken und von Seiten der Bundesregierung wurde das Projekt von Anfang an nicht entsprechend politisch unterstützt – eine vertane Chance, den Industriestandort Deutschland vor künftigen Rohstoffkrisen besser aufzustellen. Die überarbeitete deutsche Rohstoffstrategie muss hier anknüpfen und dem Staat eine stärkere strategische Rolle als Partner der Industrie zuweisen.
Idealerweise wäre nicht nur eine längerfristige Zusammenarbeit zwischen Industrie und Politik in Deutschland wünschenswert, sondern auch auf europäischer Ebene oder im transatlantischen Rahmen. Die USA, die EU und Japan könnten ihre bereits laufenden Rohstoffdialoge verstärken und um die sicherheits- beziehungsweise rüstungspolitische Dimension, die aus der Abhängigkeit von chinesischen Seltenen Erden resultiert, erweitern. Bisher wurde diesen amerikanisch-europäisch-japanischen Rohstoffdialogen zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft nur wenig Aufmerksamkeit zuteil. Angesichts der strategischen Herausforderung durch China und der vergleichsweise schwachen Rolle der Welthandelsorganisation (WTO) sollten diese Dialoge zwischen Washington, Brüssel (und Berlin) und Tokio politisch aufgewertet und verstetigt werden. Australien als Land mit einer noch funktionierenden Produktion von Seltenen Erden sollte mit einbezogen werden. Ziel dieses Dialogformats könnte sein, ernsthafte Überlegungen anzustellen, Lagerstätten für Seltene Erden außerhalb Chinas zu entwickeln, am Leben zu erhalten und die sich größtenteils in China befindende Wertschöpfungskette zumindest teilweise in den Westen zurückzuholen.
Dazu wäre jedoch ein exaktes, stets aktuelles Lagebild dieses vergleichsweise kleinen und intransparenten Rohstoffmarktes notwendig. Vorstellbar wäre, dass man sich in deutschen oder NATO-Planungskreisen Klarheit darüber verschafft, welche Rohstoffe und Komponenten für welche Waffensysteme von welchen Unternehmen und Zulieferern aus welchen Minen und Verarbeitern bereitgestellt werden – und wie stark China hier dominiert. Das wäre eine wichtige Informationsgrundlage, um bestehende und künftige Beschaffungsrisiken entlang der langen komplexen Wertschöpfungsketten besser beurteilen zu können. An diesem Wissen mangelt es derzeit noch. Wird auch diese Entwicklung verschlafen, ergeht es dem Westen wie bei anderen Zukunftstechnologien, die bereits heute größtenteils in Asien produziert werden (Stichwort: Batterien).
Weiterhin könnte die heimische Rohstoffförderung in Deutschland und Europa gestärkt werden. Vorstellbar wären entweder Steuererleichterungen bei der Rohstoffförderung, schnellere Genehmigungsverfahren oder staatliche Beteiligungen des betreffenden Bundeslandes oder des Bundes. Dies würde nicht nur den Rohstoffstoffstandort Deutschland stärken und die Versorgungssicherheit für die gesamte EU erhöhen, sondern könnte zudem nach hohen Umweltregularien erfolgen, die so in China bisher nicht erfüllt werden. Versorgungssicherheit, (regionale) Wirtschaftsförderung und Umweltschutz könnten miteinander kombiniert werden. Überlässt der Westen diesen Rohstoffmarkt vollends China, wäre nicht nur die Rohstoffsicherheit für die westliche Industrie gefährdet, sondern auch dem Umweltschutz ein Bärendienst erwiesen. All dem vorzubeugen würde jedoch ein Umdenken und abgestimmtes Umsteuern auf der politischen Ebene erfordern.
Will der Westen die Versorgungssicherheit mit Seltenen Erden spürbar erhöhen, müsste er folglich strategisch, antizyklisch und langfristig denken und agieren. Das würde eine stärkere Rolle der Regierungen der maßgeblichen westlichen Industriestaaten, allen voran Deutschlands, erfordern. Die Aversion vor industrie- und ordnungspolitischen Grundsatzdebatten und ungewissen Investitionen hierzulande darf nicht als Ausrede dazu dienen, die Augen davor zu verschließen beziehungsweise das Problem mit den Seltenen Erden unter dem Radar zu belassen. Denn diese werden auf absehbare Zeit kritische Rohstoffe bleiben – ob wir es wollen oder nicht. Es ist daher an der Zeit, sich dieser rohstoff- und sicherheitspolitischen Herausforderung zu stellen.
Jakob Kullik ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an der Professur für Internationale Politik der Technischen Universität Chemnitz und Gastwissenschaftler am Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie.
[1] Dabei handelt es sich um die China Northern Rare Earth Group, China Southern Rare Earth Group, Chinalco Rare Earths Group, Xiamen Tungsten, China Minmetals Rare Earth Group und die Guangdong Rare Earths Group.