Nach der Münchner Sicherheitskonferenz 2020 hat der Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik seine Kurzanalyse „#angeBAKS*t“ mit den Worten „Ernstfall Europa“ überschrieben. Er konnte noch nicht ahnen, dass es nur wenige Wochen dauern würde, bis der Ernstfall für Europa, für die Europäische Union eintritt. Eine weltweite Pandemie, ausgelöst durch die rasante Verbreitung des Corona-Virus, hat nun auch die Staaten des europäischen Kontinents erfasst und stellt Bürger, Gesellschaften und die Leistungs- und Durchhaltefähigkeit freiheitlich-demokratischer Staaten und Staatenverbünde auf eine Bewährungsprobe, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gekannt haben.
Was haben Pandemien und Seuchen mit Sicherheitspolitik zu tun? In der Politischen Wissenschaft und in der politischen Praxis haben diese bei der Betrachtung von Bedrohungen und Risiken als sogenannte „Grenzüberschreitende Risikofaktoren“ Erwähnung gefunden, aufgezählt in einer Reihe mit den Folgen des Klimawandels, der demografischen Entwicklung und Urbanisierung und unkontrollierten Migration. Sicherheitspolitisch inhaltlich ausreichend behandelt oder gar durchdrungen wurden Pandemien und Seuchen allerdings weder durch die Wissenschaft und Think-Tanks noch in der Politik und ihren Administrationen. Die gegenwärtige Corona-Pandemie wird mit ihren schon jetzt erkennbaren und den derzeit eher zu erahnenden Auswirkungen sehr weitreichende Folgen für die zukünftige transatlantische, europäische und deutsche Sicherheitspolitik haben. Das gilt gerade, wenn man den heute relevanten weit gefassten Sicherheitsbegriff zugrunde legt und anerkennt, dass innere und äußere Sicherheit nicht mehr voneinander zu trennen sind.
Dazu nur zwei Gedanken vorweg. Politik und damit auch Sicherheitspolitik basiert auf, ja „lebt“ von gegenseitigem Vertrauen, von Verlässlichkeit, aber auch von Solidarität und Beistand, sowohl innerhalb von Gesellschaften als auch zwischen Staaten und in Bündnissen. Einiges von diesen politischen „Grundsubstanzen“ ist in dieser Krise, aber auch schon früher verloren gegangen, im transatlantischen Verhältnis und in der EU selbst. Die nationale, häufig nationalistische Rückbesinnung hat offensichtlich Besitz von unseren Köpfen ergriffen, ein egoistisches „Ich zuerst“ und jüngst „Rette sich wer kann“ werden wieder zur Maxime. Vermutlich wurden die politisch-gesellschaftlichen Konsequenzen dieser Entwicklung unterschätzt.
Der zweite Gedanke bezieht sich auf die absehbaren wirtschaftlichen und sozialen Folgen eines „Shutdown“, wenn dieser über einen längeren Zeitraum aus medizinischen Gründen nötig wird. Dann könnte daraus eine Weltwirtschaftskrise werden, wie sie die Menschheit noch nicht erlebt hat. Die Geschichte lehrt uns, dass aus den damit einhergehenden ökonomischen Verwerfungen politisches Zerstörungspotential entstehen kann, mit weitreichenden Folgen für Frieden und die innere und äußere Sicherheit.
Europäische Politik – kritische Bilanz und Ausblick
Welches Bild gibt die Europäische Union zu Zeiten dieser Pandemiekrise ab? In der öffentlichen Wahrnehmung, und diese ist vermutlich von der Realität nicht sehr weit entfernt, zeigt sich die EU auf eine solche Lage nicht ausreichend vorbereitet. Die politisch Verantwortlichen haben weder zügig noch koordiniert gehandelt. Die Nationalstaaten agieren vorwiegend nur für sich selbst, schließen unabgestimmt zu ihren Nachbarländern die Grenzen. Eine Eindämmung der Verbreitung des Virus wird damit nicht erzielt.Eine Konzentration auf die am stärksten betroffenen Infektionscluster durch gezielte Eindämmung und gegenseitige Unterstützung, gerade grenzüberschreitend, ist anfangs ganz ausgeblieben und befindet sich nun in mühsamen Anfängen. Öffentlich wird perzipiert, dass China schneller und hilfreicher in Europa unterstützt als die EU und ihre Mitgliedsstaaten untereinander. Ein verheerendes Bild, wo doch gerade bei einer solchen Pandemie nachgewiesen werden könnte, dass die EU in der Lage ist, auf der Grundlage gemeinschaftlich vereinbarter Standards und Schutzmaßnahmen koordiniert vorzugehen und solidarisch zu handeln.
Diese Pandemie sollte die Europäer endlich wachrütteln, denn sie werden die Folgen nur gemeinsam bewältigen. Dazu bedarf es einer schonungslosen Analyse der EU-Politik der letzten Jahrzehnte, weit über diese Krise hinaus. Vielleicht wäre ein Blick 25 Jahre zurück hilfreich. In dem Dokument der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag „Überlegungen zur europäischen Politik“ vom 1. September 1994 (!), besser bekannt als „Schäuble-Lamers-Papier“ werden folgende wesentliche Ursachen für die damalige Lage der EU genannt:
- „[…] zunehmende Differenzierung der Interessen, die auf unterschiedlichem gesellschaftlich-ökonomischen Entwicklungsgrad beruht und welche die fundamentale Interessen-Übereinstimmung zu überdecken droht;
- unterschiedliche Wahrnehmungen in einer vom Nordkap bis Gibraltar reichenden Union von der Vorrangigkeit innerer, mehr aber noch äußerer Aufgaben (z.B. Maghreb-Osteuropa);
- ein tiefer, wirtschaftsstruktureller Wandel, welcher mit seiner massenhaften, kurzfristig nicht behebbaren Arbeitslosigkeit die ohnehin überlasteten Sozialsysteme und die Stabilität der Gesellschaften bedroht. Diese Krise ist ein Teilaspekt der umfassenden Zivilisationskrise der westlichen Gesellschaften;
- Zunahme eines „regressiven Nationalismus“ in (fast) allen Mitgliedsländern, der die Folge einer tiefen Verängstigung – hervorgerufen durch die problematischen Ergebnisse des Zivilisationsprozesses und durch äußere Bedrohungen wie der Migration – ist. Die Ängste verleiten dazu, wenn nicht Lösungen, so doch mindestens Abschirmung in einem Zurück zum Nationalen und zum Nationalstaat zu suchen; […]“
Beim Studium dieser Zeilen fragt man sich zwangsläufig, was sich zu heute, 25 Jahre später, geändert hat. Es ist wenig bis gar nichts, einige der erwähnten Ursachen haben sich eher noch verschärft. Eine „Ursachenbekämpfung“, ein interessanter Begriff aus einem anderen politischen Kontext, hat offensichtlich nicht stattgefunden oder hat nicht zu den beabsichtigten Ergebnissen geführt. Selbstverständlich hat sich die Lage der EU in diesen 25 Jahren auch verändert. Die Union konnte in einem langwierigen und schwierigen Prozess ein neues Vertragswerk beschließen. Ihr Zusammenhalt wurde und wird in Krisen und Konflikten auf harte Bewährungsproben gestellt – „9/11“-Terrorismus, Afghanistan und Irak-Kriege, Finanz- und Schuldenkrise, Migrationskrise, Brexit und nun Corona-Pandemie. Einige davon wurden in beeindruckender Weise gemeistert, aber die bisher ungelösten und die absehbaren Krisen und Konflikte könnten sich nun zur größten Herausforderung subsumieren.
Weiterhin hat sich das globale Umfeld in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt. Die EU steht heute mit Blick auf die Krisen und Konflikte in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft, einer sich verschiebenden globalen Mächtekonstellation und den ökonomischen,technologischen und ökologischen Entwicklungen vor der klaren Erkenntnis, dass sie zu einem globalen machtpolitischen Akteur, zu einer politischen Einheit werden muss, will sie ihre gemeinsamen Werte und Interessen schützen und letztlich verteidigen.
Die Union befindet sich dabei in einer geopolitisch schwierigen, ja bedrohlichen Lage.Der Krisenbogen umschließt die EU im Süden und im Osten, von Afrika mit Libyen und der Sahelzone, über die Nah-Mittelostregion mit Syrien, Irak, Iran, Jemen und der ungelösten Israel-Palästina-Frage, bis hin zum europäischen Kontinent mit dem Russland-Ukraine-Konflikt, den verunsicherten Baltischen Staaten und einem immer noch nicht befriedeten Balkan. Zusammengefasst betrachtet, ist die EU mit einer Vielzahl von Konflikten konfrontiert, die unter Gewaltanwendung von unberechenbaren autokratischen Staaten selbst geführt oder unterstützt werden. Dies löst eine fortgesetzte unkontrollierte Migration nach Europa aus. Eine EU-Migrationspolitik fehlt bisher. Insgesamt ist der äußere und der innere Frieden gefährdet.
Im globalen Kontext erodieren die USA, der bisher wichtigste Partner der EU, als liberale Ordnungsmacht. In manchen Regionen dieser Welt, wie beispielweise in Afrika und Nah-Mittelost marginalisieren sich die Vereinigten Staaten selbst. Während die USA mehr und mehr als gestaltender und auch ausgleichender Akteur ausfallen, meldet sich China auf der Weltbühne. Es drängt mit seiner ökonomischen Macht bis auf den europäischen Kontinent und wird dadurch nicht nur Handelspartner, sondern auch politischer Rivale. Eine gemeinsame politisch-strategische Antwort der EU auf China muss erst noch gefunden werden.
Weiterhin wird die EU selbstverständlich wesentlich beeinflusst durch die Meta-Entwicklungen wie die fortgeschrittene Globalisierung der Weltwirtschaft und den daraus entstandenen Abhängigkeiten, die schnelle Digitalisierung der Lebens- und Arbeitsumwelt, den Klimawandel und die demografische Entwicklung innerhalb der Union selbst und in ihrer Nachbarschaft. Diese komplexen Herausforderungen sind durchaus nicht neu, da die Wissenschaft darauf schon lange hingewiesen hat. Nun aber ist es höchste Zeit, Antworten zu finden und in konkrete Maßnahmen umzusetzen, unter Wahrung europäischer Werte und Interessen. Dieses Handeln hat schon jetzt und wird erst recht künftig auch eine Sicherheitsrelevanz nach innen und nach außen haben.
Hinzu kommt eine innere Krise der EU durch ein Infragestellen der freiheitlichen Demokratie als das grundlegende Modell, in einigen Staaten verbunden mit einem „Flirt mit autokratischen Verführungen“. Ergänzt und verstärkt wird dies mit einem Rückgriff auf das Nationale, ja Nationalistische. Vielleicht ist diese innere Krise gefährlicher als all die äußeren Krisen und Konflikte. Worauf es nun für die EU ankommt, hat die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wie folgt zum Ausdruck gebracht: „If we are united on the inside, nobody will divide us from the outside”.
Abschließend zu dieser Lagebeurteilung noch ein Gedanke zur regelbasierten internationalen Ordnung und der Anerkenntnis internationalen Rechts, für deren Wahrung und Ausbau die EU sich bisher mit Nachdruck eingesetzt hat. Internationales Recht wird verletzt, Staaten verabschieden sich aus Verträgen und Abkommen, was zu fehlender Berechenbarkeit, zum Verlust an Vertrauen und Verlässlichkeit führt. Diese Entwicklungen sind Gift für die Diplomatie und damit für jegliche friedliche Konfliktlösung. Dem muss die EU mit aller Kraft entgegenwirken.
Die EU muss im Ernstfall zur Handlungsfähigkeit finden! Jetzt!
Was müssen die EU und ihre Mitgliedsstaaten jetzt tun, angesichts dieser pandemischen Großkrise und ihrer unabsehbaren Folgen? Wie können sie durch Zusammenhalt, Solidarität und Vertrauen bei den Bürgern Relevanz gewinnen für Frieden, Sicherheit und wohl auch Wiederaufbau und Wohlstand in Europa? Dazu drei Vorschläge:
Erstens: Die Europäische Union darf in dieser komplexen, rauen, unsicheren Welt nicht zum Spielball werden von hungrigen Aufsteigern – China, Indien –, oder von auf sich selbst bezogenen Revanchisten – Russland und auch die Türkei –, oder von vom Kurs abgekommenen Egozentrikern – den USA. Die Union muss sich endlich zu einem Akteur im globalen Maßstab entwickeln, „das eigene Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen“ (Angela Merkel), „weltpolitikfähig“ werden (Jean Claude Juncker), „die Sprache der Macht lernen“ (Ursula von der Leyen).
Dabei wird Europa sich nicht als eine bei jeder Frage mühsam zusammenraufende Gruppe von Nationalstaaten behaupten können. Allzu oft gelingt noch nicht einmal dies, wie die Corona-Pandemie überdeutlich aufzeigt. Europa kann zukünftig nur integriert und vernetzt für seine Werte eintreten und seine Interessen vertreten. Deshalb wird der französische Präsident Emmanuel Macron seit seiner Sorbonne-Rede 2017 nicht müde, die Herausbildung einer „Europäischen Souveränität“ zu fordern, um die Regeln einer neu entstehenden Weltordnung mitschreiben sowie in Krisen und Konflikten Lösungen finden und durchsetzen zu können. Konrad Adenauer sprach schon in den Fünfzigerjahren vom europäischen Souveränitätsgewinn durch nationalen Souveränitätsverzicht. Das ist also keine neue Erkenntnis.
In der Ausformung dieser Souveränität bedarf es einer strategischen Ausrichtung der EU, als die Voraussetzung für europäische Handlungsfähigkeit. Voraussetzung dazu ist ein zielführender strategischer Dialog, der zu einem gemeinsamen Verständnis von Risiken und Bedrohungen und einer Übereinkunft zu geeigneten Präventions- und Reaktionsformen führt, in einem umfassenden Sicherheitsverständnis. Letztlich ist die Frage zu beantworten, wie Europa sich zukünftig schützt und, wenn notwendig, verteidigt. Die Antworten dazu bilden die Grundlage für wirksame Krisenprävention und Konfliktmanagement bis hin zu Europäischer Verteidigung, einschließlich nuklearer Abschreckung.
Zweitens: In Zeiten nationalistischer Rückbesinnung und Verkennung historischer Lehren wird es nicht einfach sein, diese Wege erfolgversprechend zu beschreiten. So werden einige EU-Staaten in einem für alle offenen Prozess voranschreiten und den Kurs vorzeichnen müssen. Wolfgang Schäuble und Karl Lamers haben schon 1994 in dem erwähnten Papier die Notwendigkeit eines solchen Kerneuropas, eines Europas der unterschiedlichen Geschwindigkeiten skizziert.
Im Vertrag von Lissabon ist dies zu EU-Recht geworden und verankert, und damit umsetzbar. Es fehlt jedoch am politischen Willen. In der Verantwortung stehen hier zuvorderst Deutschland und Frankreich, unter Mitnahme von weiteren EU-Staaten, die bereit sind, mit voranzugehen. Deutschland trägt dabei in Ausübung der EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 eine besondere Verantwortung, denn man sollte jetzt keine weitere Zeit verlieren. In diesem Kontext eine Anmerkung zu Großbritannien: Auch nach dem Austritt teilt das Vereinigte Königreich mit der EU weiterhin die gleichen Werte und sehr viele Interessen. Sicherheit und Verteidigung der EU und Großbritanniens bleiben untrennbar verbunden. Deshalb wird es wichtig sein, auch in der Außen- und Sicherheitspolitik Wege der Zusammenarbeit zu finden und funktionsfähige Netzwerke und Institutionen – Stichwort Europäischer Sicherheitsrat – zu bilden.
Drittens: Nun wird denen, die für eine eigenständige europäische Sicherheit und Verteidigung eintreten, geradezu reflexartig unterstellt, die transatlantische Brücke einreißen beziehungsweise das Nordatlantische Bündnis, die NATO in Frage zu stellen oder gar abschaffen zu wollen. Das kann und darf nicht europäische Politik werden.
Aber schon in den Neunzigerjahren hat der frühere US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzeziński die Europäer gewarnt: „Europa darf sicherheitspolitisch nicht ein De-Facto Protektorat der USA bleiben“. Heute anders ausgedrückt: dem europäischen Geschäftsmodell, bestehend aus eigenem wirtschaftlichem Fortkommen und amerikanischer Sicherheitsgarantie werden derzeit die Grundlagen entzogen. Dies hat die gegenwärtige US-Administration von Anfang an sehr deutlich gemacht. Wie weit eine „America-First“-Politik reichen kann, ist schon jetzt in der Pandemie-Krise erschreckend deutlich geworden. Das sollte die Europäer nachdenklich stimmen. Was dieser US-Politik nach den November-Wahlen folgt, kann niemand vorhersagen. Aber unabhängig davon, kann und wird es künftig auf beiden Seiten des Atlantiks nicht mehr hingenommen werden, dass 340 Millionen Amerikaner für die Sicherheit von 500 Millionen Europäern die Hauptlast tragen. Das „Outsourcen“ europäischer Sicherheit nach Washington muss beendet werden.
In der Umsetzung bedeutet dies mehr europäische Kooperation und Integration, letztlich auch den Aus- und Aufbau europäischer ziviler und militärischer Kapazitäten und Fähigkeiten im Sinne umfassender und vernetzter Sicherheit. Das wird Zeit und auch Geld kosten, aber wer nicht anfängt, kommt auch nicht ans Ziel. Wäre dies schon jetzt erreicht, dann gäbe es auch keine Diskussion darüber, ob die Europäer überhaupt in der Lage sind, eine Sicherheitszone in Nordsyrien zu bilden oder ein Friedensabkommen in Libyen abzusichern.
Es ist und bleibt im höchsten europäischen Interesse, alles dafür zu tun, dass die transatlantische Brücke nicht durch europäisches Zutun weiter bröckelt oder gar einstürzt. Vielleicht werden auch bald die „Abrissarbeiten“ an dieser Brücke in Washington wieder eingestellt. Denn es gilt die NATO mit zwei tragfähigen Pfeilern in dieser konfliktreichen Zeit bestmöglich weiter zu pflegen und wieder zu stärken. Wir brauchen mehr Europa, nicht weniger Amerika.
Die EU muss die „Kraft zu gestalten“ in der Krise entwickeln
In jeder Krise liegt auch eine Chance, auch für die EU. Eine Chance, nationale Egoismen und eine Politik des Sich-Raushaltens in der trügerischen Hoffnung, dass es andere schon richten werden, zu beenden. Ob und wie die Europäer die Pandemie-Krise bewältigen können, wird sich erst erweisen, wenn erkennbar wird, wie das Virus unser Leben tatsächlich verändert hat. Gleichzeitig wird sich die EU aber auch den anderen fortbestehenden Herausforderungen gewachsen zeigen müssen. Dabei kommt es nicht auf die Kraft zur Konfrontation, sondern auf die Kraft zu gestalten an. Die Europäer werden sich dazu besonders die Fähigkeit zur Selbstkritik und Selbstkorrektur bewahren und diese pflegen müssen, im Unterschied zu autoritären Systemen und derzeit leider auch im Unterschied zu Washington. Das sollte die Chance der EU sein, die sie nutzen muss.
Brigadegeneral a.D. Armin Staigis ist Vorsitzender des Freundeskreises der Bundesakademie für Sicherheitspolitik e.V. und war von 2013 bis 2015 Vizepräsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik.
Der Autor gibt seine persönliche Meinung wieder.