Akademiepräsident Karl-Heinz Kamp äußert sich zu zentralen Fragen des heute beschlossenen Bundeswehreinsatzes in Syrien.
Warum schickt Deutschland Soldaten nach Syrien?
Eine Bekämpfung des Islamischen Staats und der übrigen islamistischen Terrorgruppen in der Region ist nur militärisch möglich. Natürlich kann das Problem nicht allein militärisch gelöst werden, aber die Zerstörung der Kommandostrukturen oder die Unterbindung des Ölschmuggels durch Angriffe auf die Transportwege sind wichtige Maßnahmen. Diese sollen den IS nachhaltig schwächen und den Weg für eine politische Lösung in der Region frei machen. Auch gebietet die Solidarität mit unseren französischen Freunden eine Entlastung der französischen Streitkräfte. Frankreich ist uns für die Zahl von 1.200 Soldaten außerordentlich dankbar, weil es dann mehr eigene Soldaten für den Kampf gegen den IS im Nahen Osten zur Verfügung hat.
Was kann die Bundeswehr, was die Amerikaner, Franzosen und Araber nicht selbst schaffen können?
Nur gemeinsam sind wir stark. Im Kern geht es um drei Aspekte: Solidarität mit Frankreich, einem der engsten Partner Deutschlands; ein sichtbares Zeichen, dass auch Deutschland sich aktiv an den internationalen Bemühungen gegen den IS beteiligt; und zuletzt um ein deutliches Bekenntnis zu Europa und seinen Werten. Welches Signal hätten wir gesetzt, wenn der deutsch-französische Motor der europäischen Entwicklung in einer so wichtigen Frage versagen würde?
Wäre es nicht klüger, sich aus dem Konflikt herauszuhalten?
Niemand kann sich aus dem Konflikt heraushalten. Weil der Terror von anderen zu uns getragen wird. Man erinnere sich daran, dass Al Kaida 2005 den "7 Schritte Plan" zum Kalifat verkündet hat. In Phase 6 sollte die totale Konfrontation mit dem Westen beginnen. Was aus unserer Sicht völlig absurd erscheint, wird von islamistischen Terrorgruppen mit großem Ernst umgesetzt und dabei wird kein grundsätzlicher Unterschied zwischen Frankreich, Großbritannien oder Deutschland gemacht.
Wird Deutschland in einen unkalkulierbaren Krieg hineingezogen?
Bei dem Einsatz gegen den IS geht es um einen Kampfeinsatz. Ob man das Krieg nennt, sei dahingestellt, weil wir bei dem Begriff Krieg immer an Staaten denken. In jedem Fall ist es ein gefährlicher Einsatz, dessen Ausgang heute noch niemand voraussehen kann. Nichts tun, daneben stehen und auf das beste hoffen ist aber keine Option. Das haben Politik und Öffentlichkeit begriffen - deshalb gibt es für den Einsatz auch viel Akzeptanz in der Bevölkerung.
Wächst wegen der deutschen Beteiligung die Terrorgefahr in Deutschland?
Diese ist ohnehin hoch. Es war immer schon einen Illusion, dass man durch Nichtstun kein Ziel von Terrorismus würde. Wir haben islamistische Terroristen jetzt schon in unserem Land - Deutschland exportiert mittlerweile sogar schon Terror: junge, verblendete Deutsche reisen nach Syrien aus, um sich dort terroristischen Gruppen anzuschließen. Später importieren wir diese Terrorgefahr dann wieder, wenn diese Kämpfer zurückkehren. Wir werden sehr lange unter einer akuten Terrorgefahr leben müssen.
Muss nicht zunächst eine Gesamtstrategie gefunden werden?
Das ist eine populäre, aber gleichwohl wenig sinnvolle Forderung. Angesichts der unterschiedlichen Interessen von Assad-Regime, unzähligen Rebellengruppen, Russland, Iran, Saudi Arabien und anderen, kann es derzeit keine Gesamtstrategie geben. Gleichzeitig setzt gerade die Bundesregierung auf Diplomatie und verfolgt z.B. in den Verhandlungen in Wien eine politische Lösung. Wie die Ordnung in der Region langfristig aussehen wird, weiß derzeit noch niemand. Der IS wartet keine Strategiedebatte bei uns ab. Hier ist sofortiges Handeln erforderlich – auch unter der Maßgabe, dass man in ein paar Monaten natürlich die Entwicklung überprüfen und nachsteuern muss.
Interview: Redaktion