Digitale Themen haben derzeit Hochkonjunktur. Auch die deutsche Sicherheitspolitik scheint aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht zu sein. Bester Zeitpunkt für den Arbeitskreis „Junge Sicherheitspolitiker“ sich ein Bild vom Status Quo zu machen. Unter dem Hashtag #DigitalisierungundSicherheitspolitik besuchte der #AKJS bei seiner zweitägigen Exkursion vier sicherheitspolitische Institutionen in Berlin und Bonn.
Zwischen digitaler Vorhersage und Cyber-Resilienz
Wie können Krisen in einem durch die Digitalisierung zunehmend dynamisch werdenden Handlungsumfeld vorhergesagt werden? Das Projekt „PREVIEW“ vom Auswärtigen Amt (#AA) als Teil der Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung versucht darauf eine Antwort zu finden. Der englische Begriff „Preview“ setzt sich als Akronym zusammen, dass für „Prediction“, „Visualisation“ und „Eearly Warning“ steht. PREVIEW ist ein Computersystem, das auf der Basis öffentlich verfügbarer Daten mit transparenten und replizierbaren Analysemethoden - inklusive maschinelles Lernen - Krisenrisikoprognosen erstellt, wie der Referent Georg von Kalckreuth von PREVIEW dem Arbeitskreis erläuterte. Doch bei aller Digitalisierungsbegeisterung gelte auch hier, so Kalckreuth weiter, dass zukünftige Ereignisse niemals eindeutig vorhergesagt werden können. Das AA nutzt daher die Prognoseergebnisse von PREVIEW zur Unterstützung von Entscheidungen und nicht zu deren Ersetzung.
Auch Dr. Monika John-Koch vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (#BBK) in Bonn ist sich sicher, dass es hundertprozentige Sicherheitsvorsorge schlichtweg nicht geben kann. Vielmehr müsse man aus der Beobachtung eines sich ständig verändernden Handlungsumfeldes neue Schlüsse für die Prognose ziehen. Das Stichwort für sie lautet: Cyber-Resilienz. John-Koch zufolge geht es hierbei nicht nur darum, präventive Maßnahmen aufzubauen, wie es meist herkömmliche Methoden der Sicherheitsvorsorge versuchen, sondern die Widerstands- und Anpassungsfähigkeiten zu stärken. Sie meint: „Wir müssen lernen, sich ständig in Unsicherheit bewegen zu können“. Denn, und das betont John-Koch, „wir können uns nur sicher sein, unsicher zu sein.“
Wie damit umgehen, wenn auf einmal alles anders ist?
Oberst Rohde aus dem Kommando Cyber- und Informationsraum (#KdoCIR) betonte gegenüber dem Arbeitskreis, dass sich die Regeln des Krieges aufgrund der Digitalisierung grundsätzlich verändert hätten. Am Ende des Tages könne man sich nie sicher sein, worauf man sich einstellen müsse, beschreibt er die Herausforderung der Cyber-Verteidigung und ergänzt, dass es erst der Anfang eines Prozesses sei, dessen weitere Entwicklung nicht gänzlich abschätzbar ist.
Dies habe zugleich den Nebeneffekt, dass die Digitalisierung einen „Innovationsdrang“ auslöse, wie es der Chef des Stabes des Kommando CIR Konteradmiral Dr. Thomas Daum betonte. Die Entwicklung um „Cyber as a Military Domain“ löst hier ihm zufolge einen nie dagewesenen „Spirit“ aus, der ein zentraler Charakterzug für die neue Schnelllebigkeit sei. Dies biete aber, und das ist ihm an dieser Stelle wichtig zu betonen, neben neuen Risiken auch eine Vielzahl an Chancen für die digitale Sicherheitsarchitektur.
Zu einer ähnlichen Bewertung kommt auch der Vizepräsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (#BSI) in Bonn Dr. Gerhard Schabhüser. Natürlich seien die neuen Formen der Vernetzung eine zunehmende Herausforderung für die deutsche Sicherheitsarchitektur, so Schabhüser. Aber Deutschland befinde sich in einer Situation, in der man auf die Gefahren der Digitalisierung vorbereitet sein muss, da man als Wirtschaftsstandort Deutschland am Ende des Tages schlicht und ergreifend nicht auf technologische Veränderungsprozesse verzichten kann.
Steigender Veränderungsdruck für das digitale Deutschland
„Wir sind nicht in einer digitalen Poleposition“, meint Hinrich Thoelken als digitaler Botschafter des #AA. Konkret meint er damit, dass die Prozesse in öffentlichen Institutionen nach wie vor zu langsam sind. „Wir können nicht seriös wirken, wenn wir uns immer noch gegenseitig Faxe zuschicken“, gab er dem Arbeitskreis auf eindringliche Weise zu verstehen.
Auch Thoelken meint, dass das digitale Deutschland ein Bekenntnis zu Innovationen ablegen sollte. Als einer der Gründe der verschleppten Digitalisierung führte er mit Blick auf die Privatwirtschaft an, dass im öffentlichen Sektor ein wenig der Veränderungsdruck mangels Wettbewerb fehle. „Kann eine analoge Verwaltung eine digitale Wirtschaft regulieren?“, fragte er den Teilnehmenden des Arbeitskreises suggestiv, um im nächsten Satz anzufügen: „Die Frage beantwortet sich wohl von selbst.“
Autor: Jonas Jacholke