Fake News, also Nachrichten, die absichtlich auf die Verbreitung falscher Inhalte setzen, um andere in die Irre zu führen, sind kein neues Phänomen. Gleiches gilt für Populismus, der sich durch die Berufung auf den „gesunden Menschenverstand“, die Dichotomie zwischen dem „reinen Volk“ und der „korrupten Elite“, Anti-Elitarismus, Institutionenfeindlichkeit, Moralisierung, Polarisierung und Personalisierung der Politik auszeichnet. Gerade in der Sicherheitspolitik sind Konzepte wie Propaganda, die Medien als erweiterter Schauplatz der Kampfhandlungen und „Rally ‘round the flag“ wohlbekannt. In den letzten Jahren haben sich derartige Kommunikationsmuster aber zunehmend auf die innenpolitische Debatte übertragen: Im Juni 2016 stimmte im Vereinigten Königreich eine Mehrheit für den Ausstieg aus der EU. Die Brexit-Befürworter hatten im Vorfeld unverhohlen mit falschen Zahlen für den EU-Austritt geworben. Im November 2016 wählten die Amerikaner Donald Trump zum Präsidenten, obwohl ihn Faktenchecks im Wahlkampf als notorischen Lügner entlarvt hatten. Auch in der deutschen politischen Debatte haben beide Konzepte zur Zeit Hochkonjunktur. In diesem Papier werden die Herausforderungen benannt, denen sich verantwortungsbewusste Politiker in einem Zeitalter von Populismus und Fake News gegenübersehen, und Verhaltensvorschläge angeboten, ihnen zu begegnen.
I. Herausforderungen von Populismus und Fake News für die Politikvermittlung
Die Komplexität politischer Probleme im Inneren wie im Äußeren nimmt zu. Der Wunsch nach Vereinfachung und Erklärung ebenso. Die Ursache-Wirkungszusammenhänge von Krisen übersteigen oft die Kompetenz einzelner Fachleute, so beispielsweise die Dynamiken der Finanzkrise seit 2007, der Eurokrise seit 2010 oder der Flüchtlingskrise seit 2014. Die Gesellschaft erwartet von der Politik Lösungen, doch kein Staat ist dazu noch alleine in der Lage. Auch den internationalen Institutionen wie der Europäischen Union oder den Vereinten Nationen fällt es angesichts innerer Blockaden und eines komplexen internationalen Umfelds schwer, Lösungen zu entwickeln und diese umzusetzen. Deutlich wird das etwa in der Syrienkrise, vergleichbare Entwicklungen finden sich aber in vielen Konfliktregionen weltweit. Einfache Einteilungen in Gut und Böse oder nützlich und schädlich sind kaum noch zu treffen; gleichzeitig verlangen Bürgerinnen und Bürger ob der Omnipräsenz von Krisen und Berichterstattung nach Orientierungsmustern zur Einordnung und Vereinfachung sowie zu einer verlässlichen Erklärung des Geschehens.
Die Geschwindigkeit, in der uns Nachrichten zu politischen Entwicklungen erreichen und wir diese einordnen und kommentieren müssen, nimmt zu. Durch verschiedene technologische Weiterentwicklungen können uns Informationen von nahezu jedem Ort der Welt in Echtzeit erreichen: als Text, Bild oder Video. Sie befriedigen ein natürliches Informationsbedürfnis und erweitern unser Wissen, tragen aber nicht zwangsläufig zu einer ausgewogenen und verantwortungsbewussten Berichterstattung bei. Für letztere braucht es journalistische Selbstverpflichtungen, eine qualifizierte Ausbildung und schlichtweg ausreichend Personal, um Quellen zu überprüfen, Informationen zu kontextualisieren und alternativen Meinungen Raum einzuräumen. Gerade diese Expertise hat allerdings im Laufe der Einsparungen im klassischen Journalismus gelitten. Auch Expertinnen und Experten beziehungsweise Politikerinnen und Politiker sehen sich immer wieder gezwungen, medial vermittelte Ereignisse möglichst schnell zu kommentieren, um ihren Status zu rechtfertigen und Deutungshoheit im Wettstreit der Meinungen zu erlangen. Das geschieht oft, bevor die Faktenlage klar ist.
Politische Entscheidungsträger und Politikvermittler berichten von einem Gefühl der Getriebenheit, in dem vor allem die Vermittlung von Politikentscheidungen in der notwendigen Komplexität zu kurz kommt. Durch die Gleichzeitigkeit von Krisen haben Entscheidungsträger und Vermittler selten die notwendige Zeit, sich in die komplexe Thematik einzuarbeiten, bevor sie reagieren beziehungsweise kommentieren müssen und sich mit immer neuen Ereignissen konfrontiert sehen. Wo schon die Reaktion zu kurz kommt, bleibt für Politikvermittlung, die der Komplexität der Situation angemessen ist, geschweige denn für Prävention kaum Zeit.
Menschen fühlen sich von Entwicklungen globaler Herkunft wie etwa Migration oder Terrorismus heute direkter betroffen und zugleich zunehmend ohnmächtig gegenüber den Ursachen. Die Auswirkungen der globalen Krisen erreichten in den letzten Jahren auch ganz konkret Europa und Deutschland. Waren die Folgen der Finanzkrise zunächst für den einzelnen Bürger noch relativ abstrakt, so wurden die Ankunft einer Vielzahl von Flüchtlingen oder die Zunahme terroristischer Anschlagsversuche und Anschläge in Deutschland und dem europäischen Ausland von einer zunehmenden Zahl von Bürgern als verunsichernd wahrgenommen. Der steigenden Verunsicherung steht das Gefühl gegenüber, man selbst, aber auch der Staat, sei diesen Entwicklungen hilflos ausgeliefert. Dazu kommt, dass manche Menschen sich schlicht nicht mit außen- und sicherheitspolitischen Krisen auseinandersetzen wollen und glauben, „die Politik“ bürde ihnen unnötig Lasten auf.
Durch die veränderte Kommunikationsstruktur in sozialen Medien werden immer mehr Menschen zu Sendern von Informationen – doch zugleich bilden sich Filterblasen. Diese Informationen, die oft gar nicht den Anspruch haben, journalistischen Kriterien guter Berichterstattung zu entsprechen, werden in Netzwerken verteilt und so einer großen Anzahl von Menschen zugänglich gemacht. Eine Unterscheidung zwischen persönlicher Meinung und sachlicher Berichterstattung – oder in anderen Worten, zwischen Meinungen und Fakten – findet oft nicht mehr statt. Durch die Struktur der sozialen Netzwerke – Nutzer erhalten nur Informationen von Personen, Medien und Organisationen denen sie folgen oder mit denen sie „befreundet“ sind – stehen meist viele Informationen gleicher Konnotation nebeneinander. Dadurch entstehen Filterblasen, in denen sich Gleichgesinnte mit Gleichgesinnten austauschen und eigene Positionen und Wahrnehmungen weit weniger hinterfragt werden. Es kommt zu relativ abgekoppelten Kommunikationsräumen, die über den virtuellen Raum hinaus auch die Wahrnehmung der realen Lebenswelt durch die betroffenen Personen beeinflussen – so als spräche man von beziehungsweise lebe in unterschiedlichen Welten, wenngleich man doch im selben Haus wohnt. Die Nutzer haben dabei fatalerweise das Gefühl, sich ausreichend und umfassend über die Nachrichtenlage zu informieren, da sie ja eine große Anzahl an Nachrichten konsumieren, ohne zu realisieren, dass die Masse an Informationen nicht die Bandbreite der Fakten und Meinungen reflektiert. Das gilt insbesondere dann, wenn ein Abgleich mit der realen Welt schwierig ist, also wenn es sich beispielsweise um Ereignisse dreht, die singulär auftreten (Terroranschläge), die weit weg geschehen (Konfliktregionen) oder wenn der direkte Kontakt zu Betroffenen schwierig ist, weil man sich diesen verschließt oder einfach keine Ansprechpartner zur Verfügung stehen (Flüchtlinge).
Einzelne Akteure versuchen aus diesen Kontextbedingungen gezielt politischen Profit zu schlagen, indem sie emotionalisieren und damit einen Vertrauensverlust in öffentliche Institutionen und das politische Personal (dem sie ironischerweise meist selbst angehören) konstatieren beziehungsweise befördern.
Populistische Akteure, die die Ohnmachtsgefühle schüren, um dann zu versprechen, mit Hilfe relativ einfacher Lösungen Sicherheit und Ordnung zu schaffen, erscheinen in diesem Kontext als vielversprechende Alternative. Weiter suggerieren sie, Staaten und Gesellschaften könnten sich ohne Folgekosten einfach von internationalen Problemen wie der Flüchtlingskrise oder der Euro-Schuldenkrise abschotten, statt sich mit ihnen auseinandersetzen zu müssen.
II. Verhaltensvorschläge im Umgang mit Populismus und Fake News
Diesen Herausforderungen müssen politische, mediale und gesellschaftliche Akteure begegnen. Die Diskussion über adäquate Antworten auf die neuen Dimensionen des Populismus und der Fake News und ihre Erprobung in der politischen Praxis hat gerade erst begonnen. Deswegen sollen hier einzelne Lösungsvorschläge zur Debatte gestellt werden. Sie alle zielen darauf ab, die Widerstandskraft der Demokratie zu stärken.
Entschleunigen wo möglich: Grundsätzlich wäre Entschleunigung, vor allem in der Bewertung von Fakten und Vorstellung von Lösungsansätzen, eine erstrebenswerte Reaktion auf die gegenwärtigen Entwicklungen. Wer die Zeit hat, Fakten zu überprüfen und Lösungsansätze abzuwägen, der trifft in der Regel belastbare und qualitativ hochwertige Aussagen. Allerdings funktioniert eine derartige Entschleunigung nur dann, wenn sich alle Akteure daran halten, also eine Art „Reaktionsmoratorium“ besteht. Ein solches zu erreichen ist schwierig, und populistische Parteien könnten es als Zeichen eines vermeintlichen Elitenkonsenses definieren. Denn gerade sie versuchen selbst in den ersten Stunden, zum Beispiel nach Terroranschlägen, mit provokanten Statements die Deutungshoheit zu erlangen. So wurde der Anschlag auf den Bus von Borussia Dortmund unmittelbar benutzt, um politische Forderungen aufzustellen, obwohl sich einige Tage später herausstellte, dass es sich nicht um einen politisch motivierten Anschlag handelte. Ein solcher Missbrauch sollte Folgen haben. Dabei sollte deutlich gemacht werden, dass diese Art von vorschneller Instrumentalisierung gesellschaftlich nicht akzeptiert wird. Hierzu bedarf es jedoch eines breiten gesellschaftlichen Konsenses, der noch entwickelt werden muss. Eine Antwort wäre die Entwicklung eines freiwilligen Verhaltenskodex durch Politik und Medien, der als Richtschnur dienen könnte.
Stärkere Trennung von Fakten und Bewertung vorantreiben: Vereinfacht gesagt gab es früher Einigkeit über bestehende Fakten; die politische Debatte drehte sich um die Interpretation der Fakten und die daraus folgenden politischen Antworten. In der heutigen Debatte ist bei vielen Akteuren, medialen wie politischen, eine starke Vermischung von Fakten und Meinung oder Bewertung derselbigen zu beobachten. Dies ist in Teilen eine Reaktion auf das zuvor konstatierte Vereinfachungs- und Ordnungsbedürfnis, dient aber auch dazu, im politischen Wettstreit die “Nase vorne“ zu haben und den eigenen Deutungsrahmen zu setzen. Gleichzeitig steht einer verantwortungsbewussten und sachlichen Berichterstattung eine Fülle an Desinformation gegenüber.
Um Fake News entlarven und also solche benennen zu können, sollten Politik und Medien stärker zwischen Fakten und Meinung in der Argumentation trennen und eine systematische Überprüfung von Desinformationskampagnen vorantreiben. Was sind die Fakten und welche Akteure haben bezüglich der Faktenlage einen Konsens? Was kann geglaubt werden und was sind ganz klare Lügen? Bei scheinbarer Koexistenz von Fakten: Wer verfolgt welche Interessen und wessen Interessen dienen diese Fakten? Erst auf der Basis eines derartigen Faktenchecks, der vor allem Kern guten Journalismus sein sollte, sollte eine Interpretation der Fakten im Sinne der eigenen politischen Agenda oder journalistischen Kommentierung stattfinden. Gezielte Desinformationskampagnen gilt es aufzudecken, so wie es beispielsweise die EU mittels ihrer eigens hierfür ins Leben gerufenen Taskforce zur Strategischen Kommunikation in Bezug auf russische Propaganda tut. So verbreitert sich der gesellschaftliche Konsens bezüglich dessen, was passiert ist (Grundlage der Debatte), und es bleibt dennoch Raum für politische Meinungsbildung und Überzeugung, die Kern der demokratischen Auseinandersetzung sind.
Sachorientierte Streitkultur einhalten und einfordern: Grundsätzlich tun Debatten und Streit der Demokratie gut. Sie signalisieren den Bürgerinnen und Bürgern, dass ihre Ansichten im System repräsentiert sind, selbst wenn sie von der aktuellen Regierung nicht geteilt und umgesetzt werden. Die Große Koalition im Bund war einer derartigen Streitkultur zwangsläufig abträglich; der Wahlkampf zur Bundestagswahl 2017 verspricht hier wieder mehr Kontroverse. Allerdings ist Streit um des Streits willen nicht förderlich. Daher gilt es eine Reihe von Regeln zu beachten: Kontroversen sollten vor allem grundlegende Fragen debattieren und sich nicht in Detailfragen verlieren. Der Einsatz von vereinfachenden Kampfbegriffen (Populisten, „die da oben“, Nazis, Gutmenschen) ist wenig hilfreich, egal aus welcher Richtung sie kommen. Grundregeln des demokratischen und respektvollen Umgangs miteinander sollten eingehalten und eingefordert werden, auch wenn einzelne Akteure immer wieder versuchen werden, diese gezielt zu übertreten.1 Kernpunkte der Debatte sollten klar benannt, von einer zu starken Vereinfachung aber abgesehen werden. Eine Orientierung an diesen Grundsätzen ist nichts Neues und erfordert im konkreten Fall schwierige Gratwanderungen. In potentiell aufgeheizten Debatten ist es dennoch sinnvoll, immer wieder an sie zu erinnern und Akteure, die gegen sie verstoßen, deutlich aber sachlich darauf hinzuweisen.
Nicht treiben lassen: Der gegenwärtige Populismus versucht insbesondere etablierte Parteien und mediale sowie politische Akteure durch penetrantes Setzen kontroverser Themen, darunter insbesondere Flucht, Migration und innere Sicherheit, vor sich her zu treiben und eine Diskursverschiebung zu erreichen („Agenda Setting“) – was ihm in den letzten Monaten öfter gelang. Das Thema Flüchtlinge war überproportional häufig Gegenstand politischer Talkshows und Veranstaltungen. Andere Themen mindestens gleicher Wichtigkeit gerieten darüber in den Hintergrund. Dagegen hilft die bereits angesprochene Entschleunigung, aber auch eine Versachlichung der Debatte bei gelegentlichem Aussitzen. Eine stabile Demokratie wie die der Bundesrepublik hält solche Entwicklungen aus.
Klar den eigenen Standpunkt vertreten: Durch das Erstarken einer neuen Partei wie der AfD hat sich der Diskurs in Deutschland nach rechts verschoben. Konkrete Politikverschärfungen, vor allem in der Sicherheits- und Asylpolitik gingen damit einher. Eine Diskursverschiebung mit einhergehender Neu-Ausrichtung politischer Entscheidungen ist zunächst wenig problematisch – im Gegenteil, beides sind zentrale Bestandteile politischer und gesellschaftlicher Weiterentwicklung. Problematisch ist die derzeitige Lage aber, weil die Diskursverschiebung nur bedingt den tatsächlichen Wählerwillen abbildet. Während Akteure im rechtskonservativen Spektrum laut, deutlich und prägnant formulieren und zitiert werden, fällt es Akteuren etablierter Parteien und der Politikvermittlung erheblich schwerer, gehört zu werden, sobald sie deutlich und zugleich differenziert und ausgewogen für ihre eigenen Positionen eintreten. Nur so aber kann einer Diskursverschiebung, die nicht den realen Mehrheitsverhältnissen und Meinungen entspricht, entgegengewirkt werden. Politiker müssen wieder stärker für eigene Standpunkte kämpfen und die Wähler überzeugen, statt zu versuchen, Populisten das Wasser abzugraben, indem sie deren Aussagen kopieren. Schließlich legitimiert ein solches Vorgehen populistische Stimmen, statt die Scheinantworten der „Vereinfacher“ als solche zu entlarven.
Die Bürger mitnehmen – „Klinken putzen“, Beteiligung einfordern, politische Bildung fördern: Das Erstarken populistischer Positionen und Parteien ist immer auch ein Hinweis auf einen realen Vertrauensverlust in das bestehende System Bei aller Kritik am Auftreten und den Positionen populistischer Akteure muss es auch gelingen, dieser Ursache zu begegnen. Hier lassen sich drei konkrete Maßnahmen identifizieren.
- Politiker stehen in der Pflicht, ihre Abwägungen und Entscheidungen zu kommunizieren, und zwar auf eine Art und Weise, die dem Bürger verständlich ist und dennoch nicht unlauter verkürzt. Das heißt auch, ansprechbar zu sein, „Klinken zu putzen“, das Gespräch zu suchen, nicht nur im gleichgesinnten Umfeld, sondern gerade da, wo Kontroverse zu erwarten ist. Dieser Aspekt muss wieder einen größeren Bestandteil in der Jobbeschreibung von Politikerinnen und Politikern wie auch Politikvermittelnden einnehmen.
- Auch wenn die Politik eine Bringschuld hat, fußt ein freiheitlich-demokratisches System auf dem Konzept des mündigen Bürgers, eines Bürgers also, der sich informiert und diese Informationen zur Meinungsbildung nutzt. Der Einzelne hat eine Verantwortung, sich aus diversen Quellen zu informieren, zu diskutieren und eine Meinung zu bilden.
- Der Staat muss Informationen bereitstellen und zu solchen Diskussionen anregen. Um dieser Pflicht gerecht zu werden, ist ein Ausbau der Angebote politischer Bildung sowohl im Kinder- und Jugendbereich als auch für Migrantinnen und Migranten essentiell. Nur wer weiß, woher er sich Informationen besorgen kann, wo und wie er mit anderen ins politische Gespräch kommt und wie und an welcher Stelle er seine Anliegen einbringen kann, bekommt das Gefühl, Teil des politischen Systems zu sein und in ihm etwas bewegen zu können. Bildungseinrichtungen und auch Lehrpläne in Schulen dahingehend zu verändern ist keine einfache Aufgabe, aber eine, deren Lösung mittel- und langfristig essentiell ist. Hier wurde in den letzten Jahren an der falschen Stelle gespart.
Ausblick: Politische Debatte hält die Demokratie lebendig
Neben aller berechtigten Problembeschreibung und der Ableitung von Lösungsvorschlägen sollte man nicht aus den Augen verlieren, dass die gegenwärtige Debatte um Fake News und Populismus durchaus auch positive Erkenntnisse in sich birgt und Chancen mit sich bringen kann. Die etablierten Parteiensysteme und politischen Konzepte sind robuster, als mancher befürchtet hat: Die Parlamentswahlen in den Niederlanden und die jüngsten Wahlen in Frankreich haben gezeigt, dass eine deutliche Mehrheit in beiden Staaten nach wie vor besonnene Politiker bevorzugt. Die hart geführten Debatten bis zum jeweiligen Tag der Wahl haben die Menschen mobilisiert, für ihre Position ein Kreuz zu machen. Das ist erfreulich! Auch der Wunsch vieler Schotten nach einem Verbleiben in der Europäischen Union ist ein positives Signal in Richtung europäischer Integration und eine Absage an politische Abenteurer und Heilsversprecher. Wer nach dem Brexit und der Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten ein populistisches „Umfallen“ der europäischen Staaten ganz im Sinne einer neuen Domino-Theorie erwartet hatte, stellt nun fest, dass die etablierten Politikvorstellungen in Westeuropa doch immer noch eine hohe Attraktivität ausstrahlen.
Politischer Wettbewerb belebt die Demokratie: Der Erfolg populistischer Parteien bleibt nicht ohne Einfluss auf die sogenannten Altparteien. Sie sehen sich durch die neue Konkurrenz veranlasst, noch stärker über die eigenen Positionen und deren Vermittlung nachzudenken. Geräuschlose Wahlkämpfe, bei denen die Unterschiede in den Meinungen kaum noch sichtbar wurden, lassen sich so nicht mehr führen. Manch einer, der seit Jahrzehnten Politik macht, nutzt nun auch eine Art des „milden Populismus“ als bewusstes Stilmittel. Das ist nichts Schlechtes. Auch Willy Brandt und Franz Josef Strauß wussten sehr gut, wie man mit Volkes Stimme spricht. Wem es gelingt, viele Zuhörer zu adressieren, ohne hierbei so sehr zu vereinfachen, dass Feindbilder entstehen, der tut Gutes an der Demokratie. Die Streit- und Parteienkultur wird dadurch lebendiger.
Populisten entzaubern sich selbst: Nicht nur der Untergang der fast vergessenen Schill-Partei in Hamburg vor einigen Jahren und der Misserfolg von Geert Wilders im März diesen Jahres, sondern auch der jüngste Parteitag der AfD in Köln zeigen, dass Populisten sich oft und immer wieder selbst entzaubern und so dem eigenen Erfolg im Wege stehen. So hat die AfD sich nun bewusst gegen einen bürgerlichen und für einen rechtsnationalen Kurs entschieden. Doch wer sich zu weit von der bürgerlichen Mitte entfernt und sich gegen anschlussfähige Sachpolitik entscheidet, der fährt ein hohes Risiko. Er setzt seine Wählbarkeit aufs Spiel und läuft damit akut Gefahr, seine Relevanz zu verlieren. Auch das ist ein gutes Zeichen für den Zustand der Demokratie in Deutschland.
Zweifellos fordern Populismus und Fake News die Politik und die Gesellschaften des Westens. Zugleich zeigt sich jedoch, dass die liberale Demokratie widerstandsfähig ist. Die in diesem Papier präsentierten Maßnahmen können helfen, ihre Resilienz und Vitalität weiter zu stärken. Wenn die Diskussion um Populisten und Fake News am Ende dazu beiträgt, das politische Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger zu schärfen, die politische Partizipation zu erhöhen und eine neue Leidenschaft für Politik zu entfachen, erwächst aus der Krise eine Chance. Schließlich hält nur eine engagierte politische Debatte die Demokratie lebendig.
Der Arbeitskreis „Junge Sicherheitspolitiker“ wurde im April 2015 gemeinsam durch die BAKS und den Freundeskreis der BAKS gegründet. Ein Ziel dieses Nachwuchsnetzwerkes ist die Förderung des Austausches zwischen angehenden Führungskräften aus Politik, Wissenschaft, öffentlicher Verwaltung, Wirtschaft, Kirche und Bundeswehr über sicherheitspolitische Themen.
1 Dazu zählen etwa: kein Rassismus, keine Ausgrenzung einzelner Bevölkerungsgruppen, keine selektive Interpretation von Daten oder historischen Ereignissen, geschlechtergerechte Sprache, zuhören und ausreden lassen.
Copyright: Bundesakademie für Sicherheitspolitik | ISSN 2366-0805 Seite 1/5