Die erste Station des Führungskräfteseminars zur Lage im Mittleren Osten führte die Seminargruppe in die iranische Hauptstadt Teheran.
Die erste Etappe seiner Studienreise in den Mittleren Osten führte das Führungskräfteseminar 2017 nach Teheran. Der dreiwöchige Kurs für Führungspersonal aus Ministerien, Behörden, Wirtschaft, Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaft und Medien legt den Schwerpunkt auf direkte Gespräche und Vor-Ort-Eindrücke in sicherheitspolitischen Brennpunktregionen. Mit beispielhafter Unterstützung der Deutschen Botschaft in Teheran konnte in zwei Tagen ein dichtes Netz von hochrangigen Gesprächen geführt werden. Dabei konzentrierten sich die Diskussionen auf zwei Aspekte: Wie sehen deutsche Akteure im Iran, darunter Diplomaten, Wirtschaftsvertreter und Journalisten, die Entwicklung des Landes? Und wie nimmt der Iran selbst seine Situation und die Probleme in der Region wahr?
Ein ambivalentes Bild
Aus deutscher Sicht ist die Lage des Iran nach wie vor von einem zentralen Widerspruch gekennzeichnet: Einerseits existiert eine selbstbewusste, leistungsbereite und gut ausgebildete Bevölkerung sowie eine Regierung, die auf den ersten Blick demokratischer scheint, als die in vielen Nachbarländern. Andererseits besteht ein äußerst repressiver Staatsapparat mit vielen sich gegenseitig blockierenden Führungsschichten – wie Klerus, Revolutionsgarden (Pasdaran) und Justiz – dem offenbar Regimeerhalt und eigene Bereicherung wichtiger sind als die Entwicklung des Landes. Deutlich wurde aber, dass dieses scheinbar undurchdringliche System von einer immer kritischeren öffentlichen Debatte in den sozialen Medien aufgeweicht wird, in welcher Korruption und Misswirtschaft angeprangert werden. Nachdem noch 2009 öffentlicher Protest unterdrückt worden war, trifft diese Entwicklung das Regime weitgehend unvorbereitet und löst entsprechende Sorgen aus.
Aus der Sicht deutscher Wirtschaftsvertreter bietet der Iran nach der Lockerung der internationalen Sanktionen durchaus interessante Handels- und Investitionsmöglichkeiten. Allerdings klaffen iranische Erwartungen und deutsche Einschätzungen deutlich auseinander. Vertreter deutscher Firmen berichteten, dass sie von der nun sichtbar werdenden Verschuldung und teils sogar vom Bankrott ganzer iranischer Wirtschaftszweige, die mehrheitlich in staatlicher Hand sind, überrascht worden seien. Entsprechend vorsichtig gehe man an Investitionen heran. Die Wendungen der amerikanischen Politik – für die der Iran nicht verantwortlich ist – täten ein Übriges, um die Erwartungen zu dämpfen.
Die iranische Sicht
Die Bewertung der Lage aus iranischer Sicht kreist derzeit wiederum um das internationale Atomabkommen und die damit verbundenen Hoffnungen in der Region. Die Aufhebung der Sanktionen sollten die internationale Isolation des Iran beenden, die Wirtschaftslage verbessern und es dem Land ermöglichen, die selbst wahrgenommene Rolle als regionale Großmacht einzunehmen. Nicht ohne Grund betrachtet der Iran das Handeln des amerikanischen Präsidenten mit Sorge. Der iranische Verhandlungsführer des Atomabkommens erinnerte die Europäer an ihre Verantwortung für den Erhalt eines Abkommens. Hierbei stehe auch die internationale Glaubwürdigkeit der EU auf dem Spiel.
Von deutscher Seite wurde darauf verwiesen, dass Deutschland und die EU die Klage des amerikanischen Präsidenten über mangelnde iranische Vertragstreue nicht teilten und zu dem Abkommen stehen. Europa versuche intensiv, die amerikanische Administration von dieser Sichtweise zu überzeugen. Das sei übrigens auch ein Beleg dafür, dass der iranische Vorwurf, die Europäer in NATO und EU folgten stets "blind" den amerikanischen Vorgaben, nicht zutrifft. Es wurde gegenüber der iranischen Seite aber auch betont, dass die Europäer bei allem Verständnis für die Relevanz des Atomabkommens dessen Erhalt nicht über den Fortbestand von NATO und EU stellen würden. Bemerkenswert an diesem Gespräch, das von dem zum iranischen Außenministerium gehörenden Institute for Political and International Studies (IPIS) organisiert wurde, war die Offenheit der Debatte und die Bereitschaft auf beiden Seiten, auch unangenehme Wahrheiten zur Kenntnis zu nehmen.
Autoren: Redaktion