„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“, soll Helmut Schmidt einmal gesagt haben. Ob der Altbundeskanzler sich zumindest mit Visioning als Foresight-Methode hätte anfreunden könnte? Vielleicht, denn sie eröffnet einen Weg, um konkrete Wege zu einer besseren Zukunft zu entwickeln.
Die Methoden der Strategischen Vorausschau können bei der Vorstellung möglicher Zukünfte helfen. Die Leitfrage von zum Beispiel Szenario-Konstruktionen oder Wild Cards lautet daher oft: Was wäre, wenn? Beim Visioning geht es in erster Linie nicht nur um plausible, sondern auch um wünschenswerte Zukunftsbilder, mit der Leitfrage: Wohin wollen wir? Visioning kann somit insbesondere sogenannte Change-Prozesse unterstützen, die Unternehmen oder Behörden konzeptionell und organisatorisch weiterentwickeln sollen.
Im kreativen, strukturierten und meist schnell umsetzbaren Visioning-Prozess geht es zunächst darum, das Umfeld zu analysieren, ein gemeinsames System- und Werteverständnis zu entwickeln und Denkblockaden zu beseitigen. Visioning kann auch durch Methoden wie die Analyse von Trends und Treibern oder die Causal Layered Analysis ergänzt werden. Letztere hilft, tief verwurzelte Denksysteme und eingeschliffene Weltanschauungen zu identifizieren, die eine idealisierte Zukunft entweder fördern oder behindern können.
Auch im Zusammenspiel mit weiteren Foresight-Methoden, wie Zukunftswerkstätten oder dem Zukünftelabor können auf vielfältige Weise positive Visionen entstehen. Unabhängig davon, ob Visioning als eigenständige Methode oder als Ergänzung eingesetzt wird, bedarf es dabei stringenter Moderation, um aus den verschiedenen wünschenswerten Bildern der Zukunft eine Essenz von gemeinsamen Werten und Zielen herauszuarbeiten. Für Menschen, die von einer solchen Vision überzeugt sind, wird sie zur Inspiration oder zum Treiber, um die angestrebte Zukunft zu erreichen.
Phasen im Visioning und Funktionen der Vision
Die Erarbeitung einer solchen Vision verläuft typischerweise in mehreren Phasen. In der ersten Phase findet die Umfeldanalyse und Werteklärung statt. Anschließend folgt die kreative Ideengenerierung mit Konsensfindung und Priorisierung. Dann folgen die Entwicklung eines narrativen Zukunftsbildes und schließlich die Verbindung der Vision mit konkreten Maßnahmen im hier und jetzt.
Die Innovationsforschung im Fraunhofer-Forschungsverbund fasst die wichtigsten Funktionen einer solchen Vision zusammen: als gemeinsame Zukunfts- und Wertevorstellung (Identitätsfunktion/Legitimitätsfunktion), als Richtungsangabe (Orientierungsfunktion) und als Raum für kreative neue Lösungen auf dem Weg zum Ziel (Inspirationsfunktion).
Auch die Europäische Union setzt neben Horizon Scanning, Szenarioplanung und Megatrend-Analysen in der Strategischen Vorausschau gezielt darauf, positive Visionen für die Zukunft vieler Politikfelder zu erarbeiten. Damit erzielt sie eine „konkrete Beschreibung und Auslegung der Zukunftsvision sowie Festlegung eines mittelfristigen Fahrplans mit spezifischen Maßnahmen zu deren Verwirklichung“, wie es auf der EU-Website heißt. Auf diese Weise konnte die Europäische Kommission zum Beispiel ihre langfristige Vision für die ländlichen Gebiete der EU erstellen.
Weitere Informationen zu Strategischer Vorausschau an der BAKS finden Sie hier und unter dem Stichwort Foresight auf unserer Website.
Autor: Sebastian Bollien