Der zweite Tag des Deutschen Forums Sicherheitspolitik am 13. Oktober im Bundesinnenministerium hat sich um Rolle und Handlungsfähigkeit Europas in Syrien-Krieg und in Ukraine-Krise gedreht. Für viele Experten steht an oberster Stelle, eine gemeinsame Strategie mit den USA zu finden.
„Der Westen nutzt seine Stärken nicht aus“ – so ernüchtert sah Ian Brzezinski, Resident Senior Fellow des Washingtoner Think Tanks Atlantic Council, die Reaktion der NATO auf die vier „Fronten“, mit denen sich die atlantische Gemeinschaft auseinandersetzen müsse. „Deutschland, Europa und die USA vor gemeinsamen Herausforderungen“ war das Thema des ersten Panels am zweiten Konferenztag des Deutschen Forums Sicherheitspolitik (DFS) 2015. Wie kann der Westen sowohl auf die Kriege und Konflikte im Nahen Osten, auf die „hybride“ Kriegführung Russlands in Osteuropa als auch auf die globale „asymmetrische“ Bedrohung durch Terrorismus reagieren?
Das Urteil des amerikanischen Wissenschaftlers fiel scharf aus: Obwohl die NATO-Partner erhebliche wirtschaftliche und militärische Stärken besäßen, setzten sie sich nicht genug ein, um den vielfältigen und gleichzeitigen Konflikten zu begegnen. „Gerade im Nahen Osten haben wir einfach keine gemeinsame Strategie, und gegenüber Russland treten wir nicht nachdrücklich genug auf“, so Brzezinski. Zu einem bestimmteren Auftreten gehörten auch noch weitere, härtere Sanktionen und Truppenstationierungen der NATO in Osteuropa.
Einen Kontrapunkt dazu setzte Stefan Liebich, Obmann der Fraktion Die Linke im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags. Er forderte, den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wieder handlungsfähig zu machen. Insbesondere die Bundesregierung solle sich darum bemühen, die fünf ständigen Ratsmitglieder zu substantiellem Handeln zu bewegen.
Der ehemalige Botschafter Polens in Deutschland Janusz Reiter verlegte sich im zweiten Podium des Tages, „Russland und Ukraine – die Zukunft einer europäischen Friedensordnung“, auf andere Akzente. Für ihn lasse sich der Schaden, den die westlich-russischen Sicherheitsbeziehungen genommen hätten, kurz- und mittelfristig zwar kaum reparieren. Von einer Sicherheitsgemeinschaft ließe sich somit keinesfalls sprechen. Die vielfältigen gegenwärtigen Krisen, Moskaus jüngstes Engagement in Syrien einbezogen, schlössen aber wiederum eine punktuelle Zusammenarbeit zwischen dem Westen und Russland auch nicht aus.
Weiter führte der Diplomat aus, dass Europa in der Auseinandersetzung mit seinem östlichen Nachbarn sich durchaus nicht habe auseinanderdividieren lassen, aber es müsse „sein Bedürfnis nach Harmonie ad acta legen“ und lernen, „Werte, Moral und Interessen“ besser zu verknüpfen. Denn die außenpolitische Abstinenz der Union, einst als Tugend gepriesen, erweise sich jetzt als eine Schwäche. „Mit seiner Nahostpolitik, und gerade in der Syrienkrise, hat Europa endgültig seine außenpolitische Unschuld verloren“, meinte Reiter.
Bedarf es eines „Icebreakers“ zwischen NATO und Russland,
um wieder an einen Tisch zu kommen?
Die Position Russlands im Panel vertrat Alexej Gromyko, Direktor des Europainstituts in Moskau. Es verfolge eine sehr aktive Außenpolitik, sei dabei aber immer berechenbar. In Syrien beispielsweise setze Russland nicht die NATO unter Druck, sondern den gemeinsamen Gegner „Islamischer Staat“. Für Gromyko verfolge Russland dabei keine Weltmachtambitionen und sei klar darauf bedacht, sich strategisch nicht zu überspannen. Er schloss seine Ausführungen damit, dass es eines „Icebreakers“ bedürfe – wie bei der Abrüstung syrischer Chemiewaffen und jüngst dem Atomabkommen mit Iran geschehen –, um wieder an einen Tisch zu kommen. Die gegenwärtige Entwicklung in Syrien sei ihm zufolge eine Gelegenheit hierfür.
Schon am Vorabend hatte sich die „Nigh Owl Session“ des DFS 2015 mit dem Vormarsch des extremistischen Islamismus im Nahen Osten und dem resultierenden Risiko auch für Europa befasst. „Wie nahe stehen wir dem ‚Clash of Civilizations‘?“, hatte Grant Hammond, Professor für internationale Beziehungen am Air War College, Alabama, und ehemaliger Schüler Samuel Huntingtons, gefragt. Von letzterem stammt die umstrittene These, dass die Welt in der Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges in eine Periode der Konflikte zwischen Kulturkreisen verfallen würde. Hammond vertrat die Auffassung, dass wir heute nicht mit dem Kampf zwischen den Kulturen, sondern innerhalb der Kulturen konfrontiert seien.
Am Ende des zweiten Konferenztages resümierte Walter Kolbow, ehemaliger Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium und wiedergewählter Sprecher des Beirats der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. „Die Krise scheint für uns zum Normalfall geworden zu sein.“ Deshalb, stellte er heraus, seien solche Gelegenheiten, miteinander über strategische Fragen kommunizieren zu können, umso wichtiger. Genauso wie es aber auch notwendig sei, die Erkenntnisse solcher Diskussionen nach außen zu tragen. Am Ende der Konferenz blickte er voraus: „Wir freuen uns auf das nächste Deutsche Forum Sicherheitspolitik!“
Autor: Redaktion