Im Gespräch mit dem Handelsblatt nimmt BAKS-Präsident Karl-Heinz Kamp die Temperatur der deutschen Sicherheitspolitik – angesichts rasant aufeinanderfolgender Schlagzeilen aus Nizza, Würzburg oder Ankara und Istanbul.
"Bei einer Million Flüchtlingen, die nach Deutschland gekommen sind – welche Folgen haben solche Vorfälle wie das Attentat im Regionalzug bei Würzburg?" So wandte sich Kevin O’Brien, Chefredakteur der Handelsblatt Global Edition, im Videointerview in Berlin an den Präsidenten der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. "Das ist bisher der einzige solche Angriff durch einen Flüchtling", stellte Karl-Heinz Kamp fest, die Kriminalitätsrate habe sich durch die vielen Zugewanderten nicht erhöht. "Aber Sicherheitspolitik wird wieder einmal am Küchentisch diskutiert, denn die Menschen fühlen sich unmittelbar betroffen."
Mit dem neuen Weißbuch zur Sicherheitspolitik und Zukunft der Bundeswehr hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bereits im Vorfeld eine Forderung an 130 Milliarden Euro für Rüstungsausgaben verknüpft. Das hält O’Brien für eine bemerkenswerte Kehrtwende deutscher Verteidigungspolitik und fragte daher, wie realistisch die Umsetzung wäre. "Das passiert natürlich nicht über Nacht", erklärte Kamp. Er könne auch nicht abschätzen, wieviel zusätzliche Ausrüstung die Bundeswehr in den nächsten 15 Jahren tatsächlich beschaffe, "aber das Wichtigste an der Ankündigung war, dass es keinen öffentlichen Aufschrei gab". Größere Ausgaben für Verteidigung in Sicherheit würden mittlerweile als notwendig akzeptiert, auch wenn "das niemand wirklich mag".
Das Verhältnis der Türkei zu
den Werten der NATO
In Bezug auf die Zahl der deutschen Soldaten, die sich in Einsätzen weltweit befinden, stellte Kamp fest, dass die Bundeswehr "sicherlich die Zahl der einsatz- und kampfbereiten Truppen erhöhen muss – für das Krisenmanagement und die Verpflichtungen in der NATO". Das sei allerdings keine Frage einer Wiedereinsetzung der Wehrpflicht, sondern vielmehr eine personalplanerische und technische Angelegenheit.
Nach dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli in der Türkei stehen für O’Brien Stabilität und Verlässlichkeit dieses NATO-Mitgliedstaates in Frage. Für Kamp hat die Allianz aber einen gewissen Minimalkonsens an Werten. "Wenn das Land jetzt die Todesstrafe wieder einführt, sorgt das bei vielen NATO-Partnern und EU-Ländern für mehr als nur ein Stirnrunzeln", warnte der BAKS-Präsident. Er hoffe, dass sie die Türkei davon überzeugen können, sich an bestimmte Regeln und politische Prinzipien zu halten – "damit die Partnerschaft in Zukunft keine holprige wird".
Trotz aller Probleme an der Südflanke der Allianz gelte der Lage in Osteuropa bleibend die Besorgnis Deutschlands. Der wichtige Akteur Russland habe die europäische Friedensordnung "ruiniert". Die Bundesrepublik betrachte sich dagegen als resoluten Verteidiger einer Sicherheitsordnung in Europa, die erhalten bleiben müsse.
Autor: Redaktion
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