Am 20. Januar wurde Donald Trump als 45. Präsident der USA vereidigt. Ausgehend von seiner Rhetorik und seinen bisherigen Entscheidungen stehen die transatlantischen Beziehungen vor einer Zäsur. Doch auch Amerikas Partner im asiatischen Raum müssen sich neu orientieren. Angesichts der möglichen Implikationen für Europa und Asien luden die Bundesakademie für Sicherheitspolitik und die Hanns-Seidel-Stiftung zu einer internationalen Expertentagung ein.
Bereits am Tag seiner Amtseinführung ließ der neue US- Präsident Donald Trump keinen Zweifel daran aufkommen, dass er an seinem zentralen Wahlkampfthema als Ausgangspunkt seiner Politik festhalten wolle: „America First“, also ein Ende des in seinen Augen voranschreitenden US-amerikanischen Niedergangs durch eine Rückbesinnung auf Amerikas Kerninteressen und die nationale Sicherheit anstelle des bisher breitgefächerten internationalen Engagements. Die mittlerweile fortdauernden nationalistischen und isolationistischen Töne des neuen Präsidenten beunruhigen vor allem Amerikas traditionelle Partner in Europa und Asien.
Wie kann sich die internationale Gemeinschaft angesichts eines zunehmend selbstbezogenen Amerikas neu orientieren? Darüber diskutierten unter anderem der Generalkonsul Japans in München Hidenao Yanagi, Prof. Dr. Koji Murata von der Doshisha University in Kyoto, Dr. Hans Binnendijk von der Johns Hopkins University, Dr. Jacob Kirkegaard vom Washingtoner Peterson Institute for International Politics und Dr. Karl-Heinz Kamp, Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik im Münchner Konferenzzentrum der Hanns-Seidel-Stiftung. Der internationale Workshop führte die Experten mit Vertretern aus Wissenschaft, Medien und deutschen Think Tanks, darunter die Stiftung Wissenschaft und Politik, die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik und das ifo Institut für Wirtschaftsforschung zusammen.
Mehr sicherheitspolitische Eigenverantwortung Europas und Asiens
Im Zentrum der Diskussion standen einerseits die sicherheits- und verteidigungspolitischen Konsequenzen für Europa und Asien, andererseits mögliche wirtschafts- und fiskalpolitische Veränderungen unter Präsident Trump. Am Abend wurden die Ergebnisse des Workshops in einer öffentlichen Podiumsdiskussion zugänglich gemacht und mit dem Münchner Publikum erörtert. Bereits während des Wahlkampfes hatten Äußerungen Trumps bezüglich der NATO und der US-amerikanischen Schutzgarantien gegenüber asiatischen Staaten das Vertrauen in die langjährige sicherheitspolitische Zusammenarbeit auf Seiten der Verbündeten unterminiert. Zwar haben Trump und Angehörige seiner Administration zwischenzeitlich Aussagen wie etwa jene, dass die NATO „obsolet“ sei, revidiert und ein Festhalten Washingtons an den bestehenden Allianzen versichert. Die Bündnispartner müssten sich aber nichtsdestoweniger darauf einstellen, dass sich die USA international weniger engagieren würden, so die Einschätzungen in München. Daher müsse man sich in Brüssel, Berlin und Tokio nach dem Wechsel im Weißen Haus mit Trumps außenpolitischen Grundsätzen auseinandersetzen: Sein Weltbild sei von realistisch-hobbesianischer Natur und begreife die internationale Politik als Nullsummenspiel.
Der neue US-Präsident stelle den Nationalstaat ins Zentrum des außenpolitischen Handelns, weshalb er multilateralen Ansätzen mit Skepsis entgegensehe. Daher sei zu erwarten, dass Trump auf einen personalisierten Außenpolitikstil und bilaterale Verhandlungen zurückgreifen werde. Zudem ließen seine bisherigen Ausführungen auf keine großangelegte außenpolitische Strategie schließen. Vor dem Hintergrund einer Gefahr der US-amerikanischen strategischen Überdehnung, die bereits Präsident Obama zu mindern versuchte, definiere Trump seinen Ansatz „America First“ bislang vor allem in Form von Arbeitsplätzen und dem Kampf gegen den islamistischen Terrorismus. Für die europäischen und asiatischen Partner habe dies zur Folge, mehr in die eigene Sicherheit investieren und dem in Außenpolitik bislang unerfahrenen Präsidenten die Vorzüge der bisherigen Partnerschaften näherbringen zu müssen. Zudem gelte es, gemeinsame Interessen und Betätigungsfelder zu identifizieren, in denen auch die USA auf Kooperation angewiesen seien. Gerade im Bereich der Terrorismusbekämpfung gebe es Anknüpfungspunkte. Obgleich auf die Kontinuität der US-amerikanischen Verteidigungspolitik verwiesen wurde, die auch Präsident Trump nicht ohne Weiteres radikal ändern könne, mahnten die Expertinnen und Experten an, dass sich die europäischen und asiatischen Länder darauf vorbereiten müssten, in etwaigen Konflikten der USA mit China oder Russland Stellung zu beziehen.
Wirtschaftliche und geopolitische Folgen einer Abkehr vom Freihandel
Ferner blickten viele Beobachter nervös auf Trumps wirtschafts- und fiskalpolitischen Programmpunkte, allen voran seine avisierte und durch Protektionismus gestützte Abkehr vom globalen Freihandel. Auch Handelsfragen betrachte Trump durch die Brille des Nullsummenspiels. Demnach ziele er in bilateralen Verhandlungsrunden auf zukünftige Abkommen ab, in denen die USA aufgrund ihres ökonomischen Gewichts eine bessere Verhandlungsposition gegenüber kleineren Wirtschaftsmächten innehaben. So möchte Trump das bestehende Freihandelsabkommen mit Mexiko und Kanada (NAFTA) neu verhandeln und gegebenenfalls aufkündigen. Amerikas Beteiligung an der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) hat er in einer seiner ersten Amtshandlungen bereits zurückgezogen. Auf EU-Seite wurden die Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) indes auf Eis gelegt.
Obgleich die Experten empfahlen, die weltwirtschaftliche Rolle der USA nicht nur an der Person Trump sondern an den strukturellen Rahmenbedingungen zu bemessen, warnten sie auch vor den möglichen globalen Auswirkungen etwaiger Handelskriege, die die USA mit China austragen könnten. In geopolitischer Hinsicht könnte vor allem China von dem Vakuum im asiatisch-pazifischen Raum profitieren, das die USA mit ihrem Rückzug hinterlassen. Neben einer möglichen chinesischen Beteiligung an TPP – welche nicht zuletzt zu Chinas Eindämmung verhandelt worden war – ist Pekings Alternativangebot eines Handelsabkommens, die sogenannte „Regional Comprehensive Economic Partnership“, bereits im Gespräch. Für Asien und die EU könnten sich demnach neue sowohl profitable als auch konfliktreiche Handelskonstellationen mit und gegenüber China ergeben.
Autorin: Andrea Rotter