Die Situation in der Sahelzone spitzt sich zu. In einer Kooperationveranstaltung mit dem Bundesverband Sicherheitspolitik an Hochschulen wurde über mögliche Lösungen diskutiert.
Mit den Worten "Klimapolitik ist Sicherheitspolitik" eröffnete Hannelore Kußerow von der Freien Universität Berlin ihren Vortrag an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. In Kooperation mit dem Bundesverband Sicherheitspolitik an Hochschulen (BSH) waren Ende März Studierende und Nachwuchsakademiker in die BAKS gekommen, um gemeinsam mit der Expertin über die Spannungen und Konflikte in der Sahelzone zu diskutieren. Die Veranstaltung reiht sich damit in den Anfang 2016 an der Bundesakademie neu gesetzten Regionalschwerpunkt Afrika ein. Als zentrale Gefahren für die Region stellte Kußerow, die über eine dreißigjährige Felderfahrung als im Fach Angewandte Geographie habilitierte Wissenschaftlerin verfügt, die Desertifikation und den um sich greifenden Salafismus heraus.
Konfliktverschärfung durch Abnahme natürlicher Ressourcen
Die Sahelzone ist seit Jahrzenten von regelmäßig auftretenden Dürren und verstärkter Desertifikation geprägt, die weite Teile der überwiegend von bäuerlicher Subsistenzwirtschaft lebenden Bevölkerung gefährden. Desertifikation sei dabei nicht, wie oft fälschlich angenommen, die Ausbreitung der Sahara gen Süden, sondern die Entwicklung von wüstenähnlichen Gebieten in Regionen, die zuvor noch Savanne waren. Kußerow stellte hierbei auf Basis ihrer Untersuchungen den Faktor Mensch als Hauptauslöser heraus: "Das enorme Risikopotential von Ressourcen-übernutzung zeigt sich hier auf besonders drastische Weise."
Angesichts der dramatisch und ungebremst ansteigenden Bevölkerungszahl im Sahel sei von einer weiteren Abnahme von Weideland, ackerbautauglichen Böden und Holz als nachwachsender Ressource auszugehen. Gerade der Mangel an verfügbaren Holzressourcen in der Region, so Kußerow, werde in seinen internationalen Auswirkungen drastisch unterschätzt: "Ohne Holz kein Essen." So kochten mehr als 85 Prozent der Bevölkerung des Sahel mit Feuerholz, was eine Zahl von rund 80 Millionen Menschen ausmache. Die voranschreitende Verknappung der Ressource Holz führe zu klaren Abwanderungstendenzen. Die Sahelregion berge somit ein enormes Migrationspotenzial von Armutsflüchtlingen.
Fragile Staaten und zunehmende Radikalisierungstendenzen
Mit Blick auf die internationale Entwicklungspolitik machte Kußerow deutlich, dass alternative Handlungsoptionen nötig seien, um den eskalierenden Konflikten entgegenzutreten: "Nach knapp 60 Jahren Entwicklungszusammenarbeit im Sahel sprechen wir heute von fragilen Staaten." Schwache staatliche Strukturen begünstigten nicht nur die Entstehung kriminellerer Organisationen, sondern ermöglichten auch den rasanten Aufstieg islamistischer Gruppierungen. Zusätzlich erleichtere der ungenügende Zugang zu natürlichen Ressourcen sowie die Marginalisierung einzelner Bevölkerungsgruppen die Anwerbung neuer Kämpfer. Die Perspektivlosigkeit der sogenannten "no future generation" führe seit der Jahrtausendwende zu zunehmenden Radikalisierungstendenzen.
Verantwortungsbewusstsein stärken – im Sahel und in der deutschen Politik
Der Ressourcenschutz als ein für Subsistenzwirtschaften unverzichtbarer Bestandteil habe in der Entwicklungszusammenarbeit einen besorgniserregenden Niedergang erfahren und müsse darin wieder einen zentralen Platz einnehmen, appellierte Kußerow. Jedoch machte die Sahel-Expertin auch deutlich, dass die Bevölkerungsentwicklung einen Schlüsselfaktor für die Lösung des aktuellen Zustandes darstelle: "Wenn die Geburtenrate nicht sinkt, müssen wir gar nicht anfangen." Ohne eine verantwortliche Familienpolitik sei eine Änderung der Situation nicht zu erreichen. Um also eine weitere Destabilisierung der Sahelregion zu vermeiden, müsse das Bewusstsein für die Eigenverantwortung der Menschen vor Ort gestärkt werden.
Gleichzeitig unterstrich Kußerow, dass auch in der deutschen Politik das Bewusstsein für die internationale Bedeutung der Konfliktherde im Sahel zunehmen müsse. Angesichts der steigenden Zahl islamistischer Kämpfer sei ein internationales Engagement in den nordafrikanischen Staaten unumgänglich. Gerade der fortdauernde Konflikt in Libyen, welcher einen Wiederaufbau des Staates verhindere und das Land zu einer Hochburg des islamistischen Terrorismus zu verwandeln drohe, stelle einen Schlüsselfaktor für die Sicherheitslage in der gesamtem Sahelregion dar.
Neben dem Ausbau des regionalen Schwerpunktes Afrika an der BAKS war die Veranstaltung auch Ausdruck einer intensivierten Kooperation mit dem Bundesverband Sicherheitspolitik an Hochschulen. Die Bundesakademie unterstützt die Zielsetzung des BSH, thematisch interessierten Studierenden ein Netzwerk und der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit sicherheitspolitischen Themen ein Forum zu bieten.
Autorin: Weronika Perlinski