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Euro-Islam und gelungene Integration

Mittwoch, 25. September 2013

„Muss der Islam in Europa integriert werden? Nein er ist seit langem ein Teil Europas“. Mit dieser Zusammenfassung endete die dritte Schönhauser Lesung am 19. September an der BAKS. Unter dem Titel „Islam in (Ost-)Europa – Pankow, Krim und Tatarstan“ waren die autonomen Republiken Krim und Tatarstan Beispiele für osteuropäische Regionen, in denen seit über tausend Jahren der Islam fest verankert ist. In der anschließenden Diskussion richtete sich der Blick dann auch auf die Khadija- Moschee in Pankow- Heinersdorf, bei deren Bau es zwischen 2006 und 2008 noch kontroverse Diskussionen gegeben hatte. Ahmed Mansur, seit 1. September neuer Imam der inzwischen in Pankow etablierten Khadija-Moschee, war als Zuhörer zu der Veranstaltung erschienen.

Im Panel diskutierten Prof. Dr. Iskander Gilyazov, Professor für Geschichte an der Universität von Kasan, Prof. Dr. Ismail Asanoviç Kerimov, Leiter des Forschungszentrums für Geschichte , Sprache und Kultur der Krimtartaren an der Universität der Krim und Dr. Mieste Hotopp-Riecke, Islamwissenschaftler und Leiter des Institute for Caucasica-, Tatarica- and Turkestan Studies (ICATAT). Moderiert wurde das Panel von Dr. Stephan Theilig vom ICATAT, der die Veranstaltung auch mit initiiert hatte.

Zunächst stellte Professor Gilyazov die Geschichte des Islam in Tatarstan vor. Er zog dabei den Bogen von der Übernahme des Islam durch die Wolga-Bulgaren im Jahr 922, über die religiöse Toleranz zu Zeiten der Goldenen Horde zu den Auseinandersetzungen zwischen Islam und orthodoxer Kirche vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Dabei wären die Verhältnisse der 60er und 70er Jahre des 18. Jahrhunderts einem religiösen Genozid gleichgekommen, bevor durch das Toleranzedikt von Katharina der Großen eine religiöse Koexistenz möglich wurde. Die schwierigste Phase für alle Religionen sei jedoch die Revolution von 1917 und die anschließende Verfolgung, einschließlich der Zerstörung der Gebetsstätten gewesen. Im heutigen Tatarstan stünde de facto wieder in jedem Dorf eine Moschee. Problematischer sei aus seiner Sicht die „Diskriminierung der tatarischen Sprache und Kultur“. So sei die tatarische Sprache zwar gesetzlich garantiert, jedoch werde beispielsweise an allen Hochschulen nur in russischer Sprache unterrichtet.

Professor Kerimov ging in seinem Vortrag nur kurz auf die Geschichte vor dem Zweiten Weltkrieg ein und konzentrierte sich auf seine Schilderung der Neuzeit. Er erwähnte den Kampf der Krimtartaren gegen die UdSSR und hob Umsiedlungen und gewaltsame Unterdrückung der Krimtartaren bis in die 1980er Jahre hervor. Die Möglichkeiten zur Fortführung der krimtartarischen Kultur sah er skeptisch.

Dr. Hotopp-Rieke zeigte die historische Präsenz des Islam im deutschsprachigen Raum auf und ging unter dem Schlagwort „Preußische Tartaren“ besonders auf die religiöse Koexistenz und Integration in Preußen-Brandenburg ein. So dienten um 1790 über 2.000 Muslime in der preußischen Armee. Letztlich seien auch die Ulanen und Husaren-Verbände Preußens auf muslimische Tartaren zurückzuführen. Die Integration zeigte sich bildhaft in Namen wie „Friedrich-Mustafa“ oder „Christine-Fatimah“, die um 1800 in preußischen Verwaltungsunterlagen auftauchten. Hotopp-Rieke zog den Vergleich zur Gegenwart und stellte fest, dass die derzeit rund 1.200 Soldaten islamischen Glaubens in den deutschen Streitkräften eigentlich keine historische Neuigkeit darstellte.

Die anschließende Diskussion begann mit der rhetorischen Frage, was Preußen ohne Immigranten gewesen wäre. Schnell ergab sich daraus die Frage, wie Mehrheitsgesellschaften generell mit Fremdheit umgehen und was überhaupt Gradmesser einer gelungenen Integration seien. Einigkeit bestand in der Aussage, dass gelungene Integration eher Koexistenz als Assimilation sei. Am Beispiel der Hugenotten, die noch rund 150 Jahre lang Französisch gesprochen hätten, wurde deutlich, dass Integrationsprozesse lange Zeit beanspruchen können. Dr. Theilig fragte „Muss der Islam in Europa integriert werden?“ und gab sogleich selber die Antwort „Nein er ist seit langem ein Teil Europas."

Traditionell ist die Schönhauser Lesung eine offene Veranstaltung, welche die BAKS zusammen mit dem Verein für Pankow e.V. und dem Kulturring in Berlin e.V. organisiert. Sie richtet sich an alle nahen und weiteren Nachbarn der BAKS und behandelt Themen aus und um Pankow. An dieser Veranstaltung hatte sich neben dem ICATAT auch die Gesellschaft für bedrohte Völker beteiligt und sich besonders bei der Organisation im Vorfeld engagiert.

Autor: Roman Grunwald