Strategische Vorausschau: Anfang November haben sich Teilnehmer aus elf Bundesressorts und dem Bundeskanzleramt bei einem BAKS-Seminar mit Zukunftsforschung, Roadmapping und Delphi-Methoden beschäftigt.
"Eine Roadmap ist wie eine Straßenkarte: Es gibt mehrere Abzweigungen und nicht nur eine Straße", so erklärte Dr. Kerstin Cuhls, worum es sich im Kern bei der Roadmapping-Methode handelt. Kerstin Cuhls ist seit vielen Jahren vertraut mit den verschiedensten Methoden, Verfahren und Techniken der strategischen Vorausschau. Zu ihrer Spezialität, der Delphi-Methode, kam sie als Projektleiterin im Verlauf der deutschen Vorausschau-Studien Delphi '93, Mini-Delphi '95 und Delphi '98, später im Futur-Prozess des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Gerne gab sie ihre Erfahrungen an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars "Strategische Vorausschau" weiter, die sich am 2. und 3. November 2016 zur Vertiefung und Einübung explorativer Methoden wieder an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik trafen. Alle Methoden der strategischen Vorausschau – so Cuhls – hätten eine strukturierte Auseinandersetzung mit komplexen "Zukünften" zum Ziel. Eine Delphi-Befragung zwinge die Teilnehmer über "mögliche Zukünfte" nachzudenken und diese in mehreren Fragerunden wiederholt zu beurteilen. Um sich die ungewisse Zukunft vorstellbar zu machen, sei die Interaktion mit relevanten Akteuren besonders wichtig.
Am Abend des ersten Seminartages stellte sich der Abteilungsleiter für Innovationsbegleitung und Innovationsberatung des VDI-Technologiezentrums Prof. Dr. Dr. Zweck den Fragen der Seminarteilnehmer. Er beschrieb die Zukunftsforschung als "werdende Wissenschaft". Es gehe darum, alternative Szenarien aufzuzeigen und Innovationshemmnisse frühzeitig zu erkennen. Es gebe ein deutliches politisches Interesse, Innovationsprozesse zu unterstützen und auf diese Weise den sozialen Wandel zu begleiten. "Wer über die Zukunft reden will, muss auch über die Gegenwart Bescheid wissen", unterstrich er. Einer seriösen Zukunftsforschung müsse zuerst der State of Art bekannt sein. Gesellschaftliche Entscheidungen werden durch Kenntnis des Standes der Technik fundiert vorbereitet und Ungewissheiten durch zusätzliche Reflektion möglicher Zukunftspfade verringert.
Daher sei es wichtig, dass die seriöse Zukunftsforschung an Boden gewinne. Er plädiere daher grundsätzlich für mehr Foresight in den Ministerien und Behörden. In modernen Gesellschaften seien soziale und technische Prozesse so stark miteinander verknüpft, dass sie nicht mehr ohne einander gedacht werden könnten. Die Kunst der Zukunftsforschung bestehe darin, hierfür zur jeweiligen Fragestellung die richtige Methode zu finden. Häufig sei ein Mix verschiedener Methoden erforderlich, um Innovationen mit ihren gesellschaftlichen Auswirkungen zu verstehen. "Ich halte Zukunftsforschung für eine ethische Notwendigkeit. Nach dem Motto: Handle so, dass die Entscheidungen auch für die Zukünftigen tragbar sind", formulierte Zweck. Auch eine Rechtsfolgenabschätzung sei von Bedeutung. Zum Beispiel im Bereich der Virtuellen Realität: "Virtuelle Realität wird zu Mensch-Maschine-Schnittstellen führen, die über das hinausgehen, was wir uns heute vorstellen können." Fraglich sei etwa, wie wir mit Straftaten in der Virtuellen Realität umgehen sollen, die in der realen Welt nicht stattgefunden haben. Oder: Wer haftet bei Fehlentscheidungen oder Straftaten, die von Robotern verübt worden sind. Hier müssten vorher juristische Lösungen gefunden, bevor es soweit komme. "2035 gibt es kein Fernsehen mehr. Dann sind Sie selbst im Krimi der Kommissar oder der Mörder. Wie weit dürfen sie dort gehen?", fragte Zweck die Anwesenden.
Autoren: Norbert Reez / Mirjan Schulz