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Kernseminar bei EU und NATO in Brüssel

Dienstag, 19. Juni 2018

Eine etablierte Station des Kernseminars für Sicherheitspolitik der BAKS sind die Institutionen der EU und das Hauptquartier der NATO in Brüssel – so auch in diesem Jahr.

Eine Gruppe von geschäftlich gekleideten Menschen, darunter eine Person in militärischer Uniform ist im Halbkreis vor Flaggen aufgereiht

Das umfangreiche Programm der Studienreise umfasste unter anderem einen Besuch bei der Vertretung des Landes Hessen bei der EU, der Residenz des deutschen Botschafters und der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU. Foto: BAKS/Hessische Landesvertretung

Im Zentrum der diesjährigen Studienreise nach Brüssel stand die Bewertung Europas globalen Umfelds vor allem mit Blick auf aktuelle Entwicklungen in den USA, Russland und dem mittleren Osten sowie in China. Als besonders sichtbar erwiesen sich die gegenwärtigen Spannungen im transatlantischen Verhältnis aber auch innerhalb Europas, unterschiedliche nationale Prioritäten und bisweilen Egoismen sowie das Ringen um begrenzte finanzielle Ressourcen. Dabei wurde die Kernaussage unterstrichen, dass auch zukünftig die Einheit sowie Solidarität und der Ausgleich zwischen den Nationen ebenso von zentraler Bedeutung seienwie die Weiterentwicklung der EU in den Bereichen GSVP, Verteidigung, NATO-EU Kooperation und Wirtschaftsunion.

NATO: Neues Hauptquartier, strategischer Dreiklang und gespanntes Warten auf den Gipfel

Das NATO-Hauptquartier in Brüssel.
Foto: Blosch/U.S. Navy/public domain

Das Kernseminar hatte als erste größere Besuchergruppe der Vertretung Deutschlands bei der NATO die Möglichkeit, Gespräche im neu eröffneten Hauptquartier zu führen. Dabei bot sich nicht nur Gelegenheit, das imposante neue Gebäude zu erkunden, sondern auch einige Eindrücke von Aufbruchstimmung in der Allianz aufzunehmen. Das Bündnis stellt sich erkennbar auf die neue sicherheitspolitische Herausforderung in Osteuropa ein. Seit der sicherheitspolitischen Zäsur durch Russlands Annexion der Krim und den Krieg in der Ukraine 2014 befindet sich die NATO in einem Wandlungsprozess, der noch andauert. Mit verstärkten Übungen, der Rotation von Truppen ins Baltikum und der Ankündigung verstärkter Verteidigungsinvestitionen der Mitgliedsstaaten wurden auf den Gipfeltreffen von Wales und Warschau bereits zahlreiche und umfassende Maßnahmen beschlossen. Neben Osteuropa gilt es zugleich, die von Staatszerfall und Krieg gezeichnete Mittelmeerregion und die zunehmende Bedrohung im Cyberraum im Blick zu behalten.

Die NATO reagiert darauf mit einem Dreiklang aus Abschreckung, Verteidigungsbereitschaft und Dialog in einem umfassenden 360-Grad-Ansatz. Mit Blick auf den bevorstehenden NATO-Gipfel im Juli 2018 steht Einigkeit und Geschlossenheit der Allianz als Hauptnarrativ im Mittelpunkt. Kernthemen des Gipfels werden voraussichtlich die Anpassung der NATO-Kommandostruktur, politische Vorgaben für die Entwicklung zukünftiger militärischer Fähigkeiten sowie die Erhöhung der Einsatzbereitschaft und der Verteidigungsmittel der Mitgliedsstaaten sein. In den Diskussionen zeigte sich, dass die größten Herausforderungen und Gefahren für das zukünftige geschlossene Handeln der NATO in den Bereichen divergierender nationaler Interessen und Bedrohungswahrnehmungen, in unterschiedlichen Auffassungen zur Lastenteilung, in Differenzen zur Frage der vertieften NATO-EU Kooperation und in der Frage der Ausgestaltung des weiteren Dialogs mit Russland liegen. Der bevorstehende Gipfel wird zeigen, inwieweit auch weiterhin ein auf gemeinsamen Werten und Prinzipien basierendes und auf Ausgleich und Solidarität angelegtes Handeln die Allianz prägen wird.

Die EU vor inneren und äußeren Herausforderungen

Ein großes Gebäude mit Fensterfront ist zu sehen, davor etliche Flaggen und die EU Flagge.

Das Europäische Parlament in Brüssel. Foto: Steven Lek/Wikimedia Commons/CC BY-SA 4.0

Im Vergleich zur NATO verfügt die EU über ein weitaus umfassenderes Spektrum an Handlungs- und Gestaltungsoptionen in nahezu allen Politikbereichen. Insbesondere die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik hat aufgrund der jüngsten politischen Entwicklungen wie dem Brexit und der gewandelten US-Politik eine deutlich gesteigerte Bedeutung erlangt: Es geht um mehr strategische Autonomie Europas. Durch die teilweise weitreichenden Beschlüsse und Kooperationen zur ständigen strukturierten Zusammenarbeit in der militärischen Fähigkeitsentwicklung (PESCO), zum zukünftigen Europäischen Verteidigungsfonds und zum Aufbau eines militärischen Hauptquartiers sind mittlerweile Grundlagen für substantielle Fortschritte auf dem Weg zu einer möglichen europäischen Verteidigungsunion und zu einer vertieften Gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik gelegt worden.

Dazu zählt auch die substantielle Aufstockung der gemeinsamen Organisation Frontex zum Schutz der europäischen Außengrenzen. Die Ausgestaltung dieser Mechanismen liegt nun in der Hand der Mitgliedsstaaten. Das Einstimmigkeitsprinzip in der Beschlussfassung, abweichende nationale Interessen und Bedrohungswahrnehmungen sowie wachsende nationalistische Tendenzen sind allerdings Aspekte, die ein gemeinsames und kohärentes Agieren Europas zunehmend erschweren. Dies gilt gleichermaßen für andere Handlungsfelder der EU, in denen es Herausforderungen und Unstimmigkeiten gibt. Dazu zählen das gescheiterte Konvergenzprinzip, die Vertiefung der Wirtschaftsunion, die Aufstellung eines neuen zukunftsorientierten EU-Haushaltes, die Ausgestaltung der zukünftigen Beziehungen zu Großbritannien sowie der Umgang mit der teilweisen hohen Verschuldung einiger Mitgliedsstaaten.

Etablierter Bestandteil des Seminarprogramms

Vor dem Hintergrund der Vielzahl an politischen, sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen sollte es im Interesse aller europäischen Staaten sein, die Solidarität durch gemeinsame Prinzipien und Interessensausgleich zu vertiefen, die Reaktions- und Handlungsfähigkeit zu forcieren, kohärente Positionen im Rahmen einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik voranzutreiben, den Wohlstand und die Sicherheit aller Bürger zu gewährleisten und die notwendigen finanziellen Mittel dazu bereitzustellen.

Für das Kernseminar bot die Reise nach Brüssel die Möglichkeit des Austauschs und der Diskussion mit Entscheidungsträgern vor Ort. Die zahlreichen Perspektivwechsel ermöglichten ein besseres Verständnis für die komplexen und interdependenten Herausforderungen und unterschiedlichen Interessen in NATO und EU. Die Studienreise nach Brüssel ist deshalb ein etablierter Bestandteil der sicherheitspolitischen Seminarprogramms der BAKS.

Autoren: Andreas Osternig und Michael Bender