In Wien sprach das Seminar für Sicherheitspolitik im April mit europäischen Diplomaten über den Russland-Ukraine-Konflikt und den OSZE-Vorsitz Deutschlands 2016.
Die längste Friedensperiode in Europa wird durch den seit über einem Jahr andauernden Konflikt zwischen Russland und der Ukraine in ihren Grundfesten erschüttert.
Über Jahrzehnte schien die, durch die KSZE-Schlussakte von Helsinki 1975 definierte, europäische Friedens- und Sicherheitsordnung für alle beteiligten Staaten auf lange Zeit gesichert zu sein. Das umso mehr, als die gesamteuropäische Friedensordnung nach Beendigung des „Kalten Krieges“, der Wiedervereinigung in Deutschland und der Perestroika in der ehemaligen UdSSR nicht in Frage gestellt wurde. Erste Erschütterungen für die gefestigte Ordnung brachte der Krieg auf dem Balkan in den 1990er Jahren. Er warf die Frage auf, welche Anpassungen vorgenommen werden müssen.
Es liegt daher nahe, dass die Schlüsselstellung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in diesem Thema die Teilnehmer des Seminars für Sicherheitspolitik in diesen Tagen auch nach Wien zum Sitz der OSZE führte. Bereits in Berlin bereiteten sich die Teilnehmer durch vielfältige Vorträge, Workshops und Planspiele theoretisch auf diese Reise vor.
Die Erosion des Gewaltverbots
Trotz des „Budapester Memorandum“ von 1994, mit dem die Ukraine auf die von Russland auf ihrem Territorium stationierten Atomwaffen verzichtete und Russland im Gegenzug die Souveränität der Ukraine anerkannte, ist es im Februar 2014 zu einem Rechtsbruch durch die Annexion der Krim durch Russland gekommen. Das war bis dato nicht vorstellbar.
Die Vereinten Nationen und der VN-Sicherheitsrat waren durch widerstreitende Interessen nicht in der Lage, adäquat zu handeln. Die Europäische Union hingegen handelte entschlossen und verhängte eine Reihe von Sanktionen. Was aber war mit der OSZE? In der Diskussion mit dem deutschen Vertreter, Botschafter Lüdeking, über die Situation und den Zustand der OSZE ergab sich, dass diese bis zum Ausbruch der Russland-Ukraine-Krise ein „Schattendasein“ führte, was höchstwahrscheinlich auf die unzureichende politische Aufmerksamkeit und das Nichtvorhandensein eines militärischen Bedrohungsgefühls zurückzuführen ist.
Der deutsche Vorsitz 2016
In vielen Gesprächen der Seminarteilnehmer mit Botschaftern, Mitarbeitern und Verantwortlichen bei der OSZE wurde sehr deutlich, dass viele Länder große Hoffnungen in den deutschen Vorsitz im nächsten Jahr setzen. Von Deutschland werde erwartet, Verantwortung zu übernehmen. So betonte insbesondere die finnische Vertreterin, Botschafterin Pehrman, die Notwendigkeit des Dialogs und der Bedeutung der OSZE als Plattform für die Diskussion über Frieden, Sicherheit und Menschenrechte.
Beindruckt hat die Teilnehmer auch das Gespräch mit dem Vertreter Russlands bei der OSZE, Botschafter Kelin, der einen leicht optimistischen Ausblick in die Zukunft gab. Im Gespräch mit ihm ging es darum, „verlorenes Vertrauen in die Friedens- und Sicherheitsordnung in Europa“ wiederherzustellen. Deutschland wird für diesen Prozess als „Brückenbauer“ betrachtet.
Autorin: Simone Taubenek