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Trügerische Stabilität: Führungskräfteseminar in Ägypten

Freitag, 22. Februar 2019

Den Abschluss der Studienreise des Führungskräfteseminars nach Nordafrika bildete ein Besuch in Kairo zu Gesprächen mit Regierung, Zivilgesellschaft und internationalen Vertretern.

Eine Menschengruppe steht vor den Pyramiden und der Sphinx in Giseh, Ägypten.

Kairo bildete den Abschluss der Studienreise des Führungskräfteseminars nach Nordafrika. Kurze Zeit blieb für einen Besuch bei den Pyramiden und der Sphinx im nahen Giseh. Foto: BAKS/Weigel

Nach Aufenthalten in Algier und Tunis ging es für das Führungskräfteseminar weiter nach Kairo. In der riesigen arabischen Metropole am Nil wurde das Seminar erneut hochrangig empfangen und hatte Gelegenheit zu zahlreichen Gesprächen. Ägypten ist sowohl für Deutschland als auch für Europa insgesamt ein wichtiges Land, was die Teilnahme von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Treffen der EU mit der Arabischen Liga in Sharm el Sheik Ende Februar 2019 verdeutlicht. Auch übernimmt Ägypten auf dem afrikanischen Kontinent mit der Übernahme des Vorsitzes in der Afrikanischen Union weitere Verantwortung. Neben einer Unterrichtung in der Deutschen Botschaft traf das Seminar auf deutsche Journalisten, Vertreter von Unternehmen sowie Politischen Stiftungen und führte den Austausch beim Ägyptischen Außenministerium sowie der Arabischen Liga fort. Die Stabilität Ägyptens hängt von vielen Faktoren ab, die eine ganzheitliche Betrachtung erfordern. In der Gesellschaft wächst Unmut angesichts des ausbleibenden politischen Fortschritts und starker staatlicher Einschränkungen.

Ägypten befindet sich weiterhin auf einem steinigen Weg der politischen Konsolidierung und ist seit dem Umbruch 2011 und der Absetzung der Muslimbrüder 2015 mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Das Land ist von einer gewissen Stabilität geprägt, zahlt dafür jedoch in Form eines ausgeprägten Überwachungsstaates einen hohen Preis. Besonders die angestrebte Verfassungsänderung zur Verlängerung der Amtszeit des amtierenden Präsidenten erscheint als Rückschritt in der demokratischen Transformation. Ein von der Regierung befürchteter Kontrollverlust scheint handlungsleitend zu sein. In dessen Folge ist die politische Freiheit für viele Menschen heute nicht mehr gegeben; die Zivilgesellschaft ist eingeschränkt. Presse- und Meinungsfreiheit sind begrenzt, und auch die Achtung der Menschenrechte leidet darunter. Die Sicherheitskräfte genießen umfassende Eingriffsrechte. Das Engagement von Nichtregierungsorganisationen, insbesondere das von Politischen Stiftungen wie auch das von Menschenrechtlern, wird als systemgefährdend gesehen. Der Dialog mit zivilgesellschaftlichen Gruppen ist trotz aller Schwierigkeiten von großer Bedeutung. Es bedarf jedoch grundsätzlicher politischer Änderungen, um wahre politische Freiräume zu schaffen.

Politische Zukunft auf wackeligen Beinen

Mehrere Menschen sitzen um einen Konferenztisch.

Das Führungskräfteseminar im Gespräch mit Vertretern der Arabischen Liga, die ihren Sitz in Kairo hat. Foto: BAKS/Weigel

Rund acht Jahre nach dem Sturz von Präsident Husni Mubarak bleibt eine in weiten Teilen enttäuschte Bevölkerung zurück, für die perspektivisch große wirtschaftliche Unsicherheiten bestehen und die mit alltäglichen Problemen zu kämpfen hat. Die Energieversorgung hat sich zuletzt verbessert, gleichzeitig sind die Preise für Strom sowie für Benzin deutlich angestiegen. Ingesamt verfügt Ägypten über ein gutes wirtschaftliches Wachstum, allerdings sind die Wachstumsraten angesichts einer stark zunehmenden Bevölkerung von rund zwei Millionen Menschen pro Jahr nicht ausreichend, um genügend Arbeitsplätze und Perspektiven zu schaffen. Das öffentliche Schulwesen ist unzureichend, Jugendliche werden in überfüllten Schulklassen nur mäßig auf das Berufsleben vorbereitet. Nur eine kleine elitäre Schicht profitiert von sehr guten privaten Bildungseinrichtungen, die Deutschland seit vielen Jahren finanziell unterstützt.

Die Ausrichtung auf eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung wäre ein wichtiger Schritt. Dazu gehört auch, die starke Dominanz des Militärs in vielen Wirtschaftssektoren zu reduzieren. Zusätzlich ist die Regierung bestrebt, mehr staatliche Betriebe zu privatisieren. Das Investitionsklima bleibt aber angesichts der prekären Sicherheitslage und der überbordenden Bürokratie weiterhin schwierig. Ägypten ist sowohl Herkunfts- als auch Zielland von Migration; da die Grenzen geschlossen wurden, ist es zugleich kein Transitland. Viele Einwanderer haben sich wirtschaftlich gut integriert, wenngleich die Aufnahmekapazität der ägyptischen Wirtschaft und Gesellschaft begrenzt ist. Die politische Zukunft des Landes steht angesichts zunehmender Angst eines Kontrollverlustes der Regierung, massiver Einschränkungen jeglicher Formen der Freiheit und keiner Strategie im Umgang mit dem enormen Bevölkerungswachstum auf wackeligen Beinen.

Das Führungskräfteseminar der BAKS

Das Führungskräfteseminar ist zentraler Bestandteil des Weiterbildungsangebots der BAKS und ermöglicht hochrangigen Führungskräften aus Bund und Ländern, Wirtschaft und Gesellschaft eine fokussierte strategische Auseinandersetzung mit einer außen- und sicherheitspolitisch wichtigen Region. Es leistet damit auch einen Beitrag zum Aufbau und zur Weiterentwicklung eines sicherheitspolitischen Netzwerks staatlicher und nichtstaatlicher Akteure.

Autoren: Jan Grebe, Constanze Weigel und Peter Härle