Das ist also das Gespann, das Trump aus dem Weißen Haus vertreiben soll: Joe Biden und Kamala Harris. Was verrät die Auswahl der Vizekandidatin über eine mögliche Regierung Biden?
1. Das erste Mal nominiert eine der großen amerikanischen Parteien eine nicht-weiße Frau für das „Ticket“ der Präsidentschaft. Harris‘ Mutter stammt aus Indien, ihr Vater aus Jamaica. Sie selbst wurde in Kalifornien geboren und identifiziert sich selbst schlicht als „American“. Angesichts der gesellschaftspolitischen Debatten (nicht nur) in Amerika eine kluge Wahl, die ein Zeichen für Integration und Zusammenhalt setzt.
2. Harris hat sich den Ruf einer durchsetzungsstarken und harten Staatsanwältin erworben. Aus dieser Zeit rührt die Abneigung des linken Segments der Demokratischen Partei ihr gegenüber. Unbestritten sind aber ihre Disziplin und ihre Qualitäten als Rednerin und Wahlkämpferin. Seit 2017 vertritt sie Kalifornien, den bevölkerungsreichsten Staat der USA, im Senat. Sie ist die einzige woman of color dort. Harris zeigt: In Zeiten zunehmender Polarisierung können auch vergleichsweise moderate Demokraten Wahlen gewinnen.
3. Harris‘ prominente Rolle verschafft auch anderen Frauen und Minderheiten mehr Sichtbarkeit. Schon Bidens Suche nach einem „running mate“ brachte Demokratinnen wie Stacey Abrams, Keisha Lance Bottoms und Gretchen Whitmer zusätzliche Aufmerksamkeit. Die Chancen, dass Susan Rice – UN-Botschafterin und Nationale Sicherheitsberaterin Präsident Obamas – unter Biden Außenministerin wird, sind mit der Entscheidung für Harris erheblich gestiegen.
4. Harris selbst ist als Außenpolitikerin nicht etabliert. Im Wahlkampf zeigte sie sich als liberale Internationalistin: Amerikas Beitrag zur liberalen internationalen Ordnung nannte sie die größte außenpolitische Leistung ihres Landes seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Dazu gehört ein moralisch-ideologischer Impuls – so kritisiert sie China deutlich für Menschenrechtsverletzungen, insbesondere gegenüber den Uiguren, hält Russland mangelnde Freiheitsrechte und die illegale Annexion der Krim vor, geht auf Distanz zum saudischen Regime und nannte Venezuelas Präsidenten Maduro einen „unterdrückerischen und korrupten Diktator“. Zugleich aber kritisiert sie die Militarisierung der US-Außenpolitik und fordert einen raschen vollständigen Abzug der Truppen aus Afghanistan – wie es auch Biden schon als Vizepräsident tat.
5. Biden zeigt mit der Entscheidung für Harris, dass er seine eigene moderate politische Linie verstärken will. Außerdem setzt er ein Signal für politische Professionalität anstatt persönlicher Eitelkeit – Harris hatte ihn in den TV-Debatten der Demokraten besonders scharf attackiert. Zu dieser Professionalität gehört, dass der Auswahlprozess der Vizekandidatur geräuschlos ablief und es vor der öffentlichen Verkündung keine Leaks gab. Eine Rückkehr zur sachgerechten Arbeit – auch im Weißen Haus?
Dr. Patrick Keller ist Vizepräsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Zuvor war er Chefredenschreiber der Verteidigungsministerinnen Dr. Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer. Der Autor gibt seine persönliche Meinung wieder.