Präsident Biden wird den transatlantischen Umgangston zivilisieren und wieder mehr auf Gemeinsamkeit des Westens setzen. Ein Transatlantiker vom alten Schlage eben. Aber einen Platz auf dem Trittbrett wird auch er Europa nicht anbieten. Will Europa Partner sein, muss es sich selbst drei Fragen beantworten:
- Wie halten wir‘s mit China? Amerika fühlt sich von China existenziell herausgefordert. Unsere Wahrnehmung ist weniger zugespitzt, aber wir teilen viele Sorgen: Die bedrohte Freiheit Hongkongs, ein zunehmend aggressives Auftreten Chinas nach außen, brutale Unterdrückung von Minderheiten im Innern, industriepolitische Risiken. Ein trilateraler Gesprächsansatz – USA, China, Europa – böte neue Möglichkeiten. Fairer Wettbewerb und konstruktive Beiträge Chinas zur internationalen Ordnung sind ein gemeinsames Anliegen Europas wie Bidens.
- Welche NATO wollen wir? Die NATO sollte wieder der Ort sein, an dem zentrale Fragen unserer Sicherheit transatlantisch gewogen und zu einer Entscheidung geformt werden. Ohne mehr europäisches Engagement – unterlegt mit militärischen Fähigkeiten – wird das auch mit Biden nicht gelingen.
- Die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit Europas stärken, aber wie? Die laufenden sicherheitspolitischen Reformprojekte sind sinnvoll, aber nicht die Antwort. Europäische Sicherheitspolitik braucht politische Ambition. Fehlt es in wichtigen Fragen an europäischer Geschlossenheit, brauchen wir dennoch Handlungsfähigkeit, das heißt die Avantgarde derer, die gemeinsam für Europa handeln wollen und können.
Die internationale Ordnung wandelt sich. Es wird viel Kraft kosten, für das einzustehen, was uns wert ist. Im Umgang mit den Machtpolitikern Trump, Xi, Putin und Erdogan hat Europa immer wieder seine eigene außenpolitische Schwäche erfahren. Partnerschaft mit Bidens Amerika gepaart mit eigener Stärke bietet Europa die beste Chance, sich in der Welt von Morgen zu behaupten. Nutzen wir sie.
Botschafter Ekkehard Brose ist Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Zuvor war er Beauftragter für Zivile Krisenprävention und Stabilisierung im Auswärtigen Amt und von 2014 bis 2016 Deutscher Botschafter im Irak. Der Autor gibt seine persönliche Meinung wieder.