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Denkanstöße für die NATO 2030: Zum aktuellen Reflexionspapier

Eine Expertengruppe hat Empfehlungen zur Zukunft der NATO vorgelegt. Die meisten sind altbekannt, doch gerade darum triftig und zeitgemäß.
Autor: 
Keller, Patrick

Das Beste an diesem Impulspapier ist, dass es keine Überraschungen enthält. Die Reflexionsgruppe um Thomas de Maizière hat dem NATO-Generalsekretär altbekannte Analysen und Empfehlungen für die „NATO 2030“ vorgelegt. Gut so, denn die NATO braucht nicht neu erfunden zu werden. Was die Allianz allerdings braucht, ist ein erneuerter Gemeinsinn und eine sanfte Neuausrichtung auf die veränderte Lage.

Daher ist es gut, dass der Schwerpunkt auf dem politischen Zusammenhalt liegt. Er ist aller Mühe wert, weil das Bündnis gemeinsam stärker ist als die Summe seiner Teile – und glaubwürdige Abschreckung die Grundlage für Frieden und Sicherheit in Europa bleibt. Dieser Zusammenhalt ist gefährdet, vor allem durch die Vielzahl unterschiedlicher Bedrohungen, von denen sich die Verbündeten unterschiedlich betroffen fühlen und auf die sie unterschiedliche Antworten geben.

Deswegen müssen alle Verbündeten zunächst einmal das Naheliegende leisten, zum Beispiel eingegangene Verpflichtungen in Sachen militärische Leistungsfähigkeit einhalten und das Strategische Konzept von 2010, in dem von Russland nur als Partner und von China gar nicht die Rede ist, anpassen.

Das ist die Pflicht. Die Kür ist die Stärkung des politischen Pfeilers der NATO. Der Nordatlantikrat sollte als zentrales Konsultationsgremium für alle sicherheitsrelevanten Fragen genutzt werden. Als Ort, an dem nicht nur statische Positionen vorgelesen werden, sondern wo eine gemeinsame Linie geschmiedet wird, der politische Verbindlichkeit beigemessen wird. Dass die Reflexionsgruppe dazu am liebsten höhere Hürden für Einzel-Vetos einziehen würde, ist zwar verständlich, aber fragwürdig: Gerade aus der Einstimmigkeit leitet sich die Legitimation der NATO ab, und wenn politische Gewichte klug genutzt werden, ist sie wo nötig auch erreichbar.

Die Gründlichkeit und Unaufgeregtheit, mit der das Reflexionspapier seine 138 Empfehlungen zusammenklaubt, haben ihren Preis: Nicht nur mangelt es an echten Innovationen, sondern der traditionsbewusste Fokus auf Landes- und Bündnisverteidigung lässt die anderen Kernaufgaben des Krisenmanagements und der Partnerschaften arg blass aussehen. Wirklich neue Ideen zur Partnerschaft mit den like-minded countries in Chinas Nachbarschaft sucht man leider vergeblich. Und gut die Hälfte des Papiers gerät zum üblichen sicherheitspolitischen Bauchladen – von neuen Technologien über Pandemien und Energiesicherheit bis zum Klimawandel. Da wäre es viel reizvoller gewesen, für das neue Strategische Konzept eine vierte Kernaufgabe namens „Resilienz“ vorzuschlagen, die all das zusammenfassen und politisch aufwerten würde.

Dr. Patrick Keller ist Vizepräsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Zuvor war er Chefredenschreiber der Verteidigungsministerinnen Dr. Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer. Der Autor gibt seine persönliche Meinung wieder.

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