Vom 27. Mai bis 4. Juni erhielt das Seminar für Sicherheitspolitik in Israel und den Palästinensischen Autonomiegebieten aus erster Hand Perspektiven auf die Krisenregion.
Die Studienreise begann mit einem viertägigen Aufenthalt in Jerusalem, der „Stadt des Friedens“ (so eine Deutung von „Yerushalayim“). Tatsächlich erlebten die Teilnehmer eine hochinteressante Stadt mit einem vor allem auf jüdischer Seite unübersehbar hohen Anteil von streng religiösen Bewohnern. Ein friedliches Miteinander stellt man sich aber anders vor. Eine treffendere Beschreibung wäre ein durch hohe Präsenz von Sicherheitskräften und Absonderung der konfessionellen Gruppen gesicherter Zustand des Nichtkriegs. Veranschaulicht wurde dies prompt durch das Erlebnis eines an der Klagemauer durch „Allahu akbar“-Rufe und anderes provozierenden Muslims, der vor den Augen der Reisenden abgeführt werden musste.
Jerusalem diente als Ausgangspunkt für Exkursionen in die palästinensischen Gebiete. Hier ist die Segregation noch augenfälliger. Am Flüchtlingslager „Aida“ bei Bethlehem und in Hebron sowie auf der Fahrt durch das Land begegnete man umfangreichsten Abriegelungsmaßnahmen zum Schutz der Israelis, auch der eingestreuten israelischen Siedlungen vor Ort, vor palästinensischen Gewalttätern. Bekanntestes Beispiel ist die „Mauer“. Ganze Straßenzüge der Altstadt Hebrons blieben evakuiert.
Direktes Erleben zwischen Klagemauer, Flüchtlingslagern und Sperranlage
„Aida“, ein Lager für die Flüchtlinge von 1948, ist seit langem vom Zeltlager zu einem Betonlabyrinth mutiert. UNRWA versorgt die palästinensischen Flüchtlinge, zu denen nach UNRWA-Definition auch die später geborenen zweiten, dritten und vierten Generationen gehören. Insgesamt beanspruchen um die fünf Millionen Menschen ein „Rückkehrrecht“, 1948 waren es noch etwa 700.000. Umgekehrt war in Hebron zu hören, mit welcher Selbstverständlichkeit nationalreligiös gesinnte israelische Siedler „Samaria und Judäa“ als ihre biblische Heimat beanspruchen.
Im weiteren Verlauf der Reise erhielt die Gruppe mehrfach Gelegenheit, die Intensität der Bedrohung für die israelische Sicherheit zu erfahren: Die libanesische Grenze wurde ebenso besucht wie die Grenze zum Gazastreifen, wo über die Tunnelbautätigkeit von Terrorgruppen berichtet wurde und Raketentrümmer und Vorgartenbunker in Augenschein genommen werden konnten. Auch in der Reisewoche wurden Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert und lösten Alarm bis hin nach Tel-Aviv aus.
Die Gespräche mit israelischen wie auch palästinensischen Vertretern gaben kaum Anlass zu Hoffnungen auf eine Wiederaufnahme substantieller Verhandlungen in näherer Zukunft. Es besteht der Eindruck, dass sich die neue, rechtere israelische Regierung noch weniger als die bisherige auf die Palästinenser zubewegen wird und sich ein großer Teil der israelischen Bevölkerung mit dem Status Quo angefreundet oder zumindest arrangiert hat. Unterdessen verharren die Palästinenser in ihrer Spaltung zwischen Fatah-Regierung im Westjordanland und Hamas-Regierung im Gazastreifen. Der von den palästinensischen Behörden in Ramallah erwogenen „Internationalisierungsstrategie“ (Anerkennung eines palästinensischen „Staates“, Ausgrenzung Israels durch die internationale Gemeinschaft) räumten die meisten unserer Gesprächspartner wenig Erfolgschancen ein.
Ansätze zu einem besseren Miteinander dürften, nach den Eindrücken der Reise, wie abschließend ein Gespräch mit einer israelisch-palästinensischen Friedensinitiative erhärtete, in einer besseren wirtschaftlichen Integration der Palästinenser liegen. Einige arabische Israelis machen es vor und bilden das Gegenmodell zu den radikalisierten, wirtschaftlich marginalisierten Bewohnern des Gazastreifens. Eine nachhaltige wirtschaftliche Besserung scheint im Moment allerdings wenig wahrscheinlich, weil bedrückende Sicherheitsmaßnahmen und der wachsende israelische Siedlungsdruck die palästinensischen Entfaltungsmöglichkeiten einengen.
Autor: Michael Pleßow, Teilnehmer des Seminars für Sicherheitspolitik 2015