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AKJS diskutiert strategische Kultur

Freitag, 21. März 2025

Der Arbeitskreis "Junge Sicherheitspolitiker" befasst sich 2025 mit strategischem Denken als Ausdruck Integrierter Sicherheit. Bei seiner Arbeitssitzung im März nahm er dazu die strategische Kultur verschiedener Staaten in den Blick und diskutierte, wie historische Erfahrungen und Überzeugungen politisches Handeln prägen.

Nadine Ogiolda steht an einem Redepult im Historischen Saal der BAKS und spricht zu Mitgliedern des Arbeitskreises Junge Sicherheitspolitiker.

Der AKJS, hier mit der Vorsitzenden Nadine Ogiolda bei der Jahresklausur Anfang 2025, kommt regelmäßig an der BAKS zu Arbeitssitzungen zusammen und fördert die frühzeitige Vernetzung junger Führungskräfte. Foto: BAKS/Kühn

Die Bundesregierung hat 2023 eine Nationale Sicherheitsstrategie vorgelegt. Doch seit langem wird beklagt, Deutschland fehle auf internationale Bühne eine "Strategie", die deutsche Sicherheitspolitik seit "nicht strategisch genug" oder es mangele an "Strategiefähigkeit" in Politik und Behörden. Zugleich setzen Russlands Krieg gegen die europäische Friedensordnung und die Verschiebungen im transatlantischen Verhältnis die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik unter großen Handlungsdruck - "Whatever it takes" gelte es nun für die Verteidigung Europas aufzuwenden, sagt der wahrscheinlich künftige Bundeskanzler Friedrich Merz. Wie ist es also um die Strategie der Bundesrepublik bestellt? Mangelt es wirklich an einer solchen? Und - auch unabhängig davon - was ist zu tun, um es besser zu machen?

Das Foto zeigt Dr. Sarah Pagung vor einem Aufsteller der BAKS.
Dr. Sarah Pagung (Körber Stiftung) ist selbst AKJS-Alumna und diskutierte mit dem Arbeitskreis über die Situation in Russland. Foto: BAKS

Mit diesen Fragen befasst sich 2025 der Arbeitskreis "Junge Sicherheitspolitiker" (AKJS), denn sein Jahresthema 2025 lautet Strategisches Denken als Ausdruck Integrierter Sicherheit. Ausgangspunkt der Auseinandersetzung ist das in der Nationalen Sicherheitsstrategie formulierte Konzept Integrierter Sicherheit, das ein enges Zusammenwirken von Behörden, Unternehmen und Zivilgesellschaft bis hin zum Mensch als Individuum vorsieht. In mehreren Arbeitssitzungen und einer Exkursion trifft die Gruppe junger Führungskräfte im Jahresverlauf mit zahlreichen Fachleuten und Entscheidugsverantwortlichen zur Diskussion zusammen, um Impulse für ihre eigene Arbeit aufzunehmen und sich frühzeitig zu vernetzen. Im Zentrum der AKJS-Arbeitssitzung im März stand das Konzept der strategischen Kultur, das historische und kulturelle Prägungen in den Blick nimmt, um Sicherheitspolitik zu verstehen. Der Arbeitskreis richtete dabei den Blick auf zwei Staaten, anhand derer sich die Prägekräfte und Unterschiede solcher Kulturen sehr plastisch zeigen lassen: einerseits Russland, andererseits Israel.

Zwei Kontrastbeispiele Strategischer Kultur

Im Zentrum strategischer Kultur steht der Gedanke, dass staatliches Handeln nicht nur durch rationale Kosten-/Nutzenüberlegungen geprägt ist, sondern durch historisch und kulturell bedingte Wahrnehmungen und Überzeugungen der Entscheidungsträger in Politik und Behörden. Im Fall des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wird die Stichhaltigkeit dieses Konzepts überdeutlich: So hatte der russische Präsident Vladidmir Putin regelmäßig der Ukraine die Existenz abgesprochen und behauptet, sie wäre historisch ein Teil Russlands, während politische Entscheidungsverantwortliche in Europa und vor allem in Deutschland sich einen militärischen Angriff nicht hatten vorstellen können, da ihnen dieser irrational erschien. In der Diskussion des Arbeitskreises arbeitete Dr. Sarah Pagung, Russland-Expertin der Körber Stiftung und AKJS-Alumna, zudem heraus, dass der Krieg gegen die Ukraine Staat und Gesellschaft in Russland dominiere: "Sämtliche gesellschaftliche Bereiche werden unter dem Vorwand des Schutzes nationaler Interessen kontrolliert. Selbst von Kindern gemalte Bilder, die etwa Frieden darstellen sollen, können als Bedrohung für das Regime interpretiert werden."

Das Foto zeigt Prof. em. Michael Wolffsohn auf einem Bildschirm an der BAKS.
Prof. em. Michael Wolffsohn sprach mit dem AKJS digital zugeschaltet über Israels strategische Kultur. Foto: BAKS

Als Kontrastbeispiel präsentierte Prof. em. Michael Wolffsohn per digitaler Zuschaltung Einblicke in die strategische Kultur Israels, die seit jeher von der Erfahrung existenzieller Bedrohung aus der direkten Nachbarschaft geprägt sei. "Gesellschaftliche Resilienz gibt es in Israel nicht, es hat sie nie gegeben", stellte der emeritierte Historiker von der Universität der Bundeswehr München heraus. Doch "während politische und gesellschaftliche Spannungen existieren, hat das Land starke Verteidigungsstrukturen entwickelt.

Überzeugungen prägen Handeln

Für die strategische Kultur der Bundesrepublik Deutschland hat die Forschung schon vor über 20 Jahren Multilateralismus, Westbindung und militärische Zurückhaltung als maßgebliche Elemente identifiziert. Geprägt wurden diese zunächst durch die katastrophalen Erfahrungen von Militarismus, Völkermord und Zerstörung im Zweiten Weltkrieg - und später durch das Ende des Kalten Krieges, die deutsche Wiedervereinigung und die demokratische Transformation in Europa gleichsam bestätigt. Aus Sicht zahlreicher Fachleute habe letztere Entwicklung allerdings auch dazu beigetragen, dass Viele in der deutschen Politik die Bedrohung durch Russland lange nicht wahrnahmen und die Zeitenwende durch den Angriff auf die Ukraine 2022 als einen umso extremeren Schock erlebten.

In der Arbeitssitzung des AKJS wurde somit deutlich, wie historische Erfahrungen und gewachsene Überzeugungen politisches Handeln und damit auch Strategie prägen. Ebenso ergab die Diskussion wichtige Fragen und Erkenntnisse für die künftige deutsche Sicherheitspolitik: Wie kann eine Demokratie die Bevölkerung für Bedrohungen sensibilisieren und gleichzeitig Widerstandsfähigkeit fördern, ohne dabei in eine übermäßige Versicherheitlichung zu verfallen? Israels Erfahrungen im Bereich der zivil-militärischen Zusammenarbeit, der strategischen Kommunikation in Krisenzeiten und der Integration von Sicherheitsdenken in Bildung und Infrastrukturplanung könnten für Deutschland wertvolle Impulse liefern, um die eigene Resilienz zu stärken, so ein Befund der Sitzung.

Der Arbeitskreis „Junge Sicherheitspolitiker“ wurde 2015 in Kooperation mit dem Freundeskreis der Bundesakademie für Sicherheitspolitik e.V. gegründet und 2022 in das Seminarprogramm der BAKS übernommen. Der AKJS fördert den fachlichen Austausch und die Vernetzung zwischen ausgewählten Nachwuchsführungskräften aus Politik, Behörden und Zivilgesellschaft. Mehr Informationen zum Arbeitskreis gibt es hier.

Autoren: Redaktion